AW: Requiem of a Soul
Zornhau schrieb:
Ich habe den Eindruck, daß es heute üblicher wird Hardcover im Hochpreissegment zu produzieren.
Wie wäre es denn, wenn man mal die Geldbeutel der Rollenspieler und die "Usability" im Auge behalten würde?
Ich stimme dir insoweit zu, als dass es schon preisliche Schmerzgrenzen für Grundregelwerke gibt. Wir werden jedenfalls versuchen, deutlich unter 40 Euro zu bleiben.
Aber mal davon abgesehen, dass es so gut wie unmöglich ist, unsere angepeilten 400 Seiten im Softcover zu binden, ohne dass das Buch nach einmal Durchblättern in seine Einzelteile zerfällt (es sei denn, man druckt auf Telefonbuchpapier, aber dann hat man wieder ein anderes Haltbarkeitsproblem...):
Bei kleinen Auflagen im unteren Tausender-Bereich differieren die Produktionskosten zwischen Hard- und Softcover gar nicht so stark, dass ein Softcover den Preis extrem senken würde. Und im Endpreis 4-5 Euro sparen für ein billig aussehendes und nicht haltbares Softcover - wenn man Dagobert heißt, sicher eine feine Sache.... alle anderen geben meiner Erfahrung nach lieber 10-15% mehr für das haltbarere und schönere Hardcover aus. Wie wahnsinnig gut das mit verbilligten Softcover-Büchern funktioniert, sieht man ja an in den letzten Jahren erschienenen deutschen Grundregelwerken-Produktionen und jüngst erst am Aufschrei der Fans, als F&S ankündigte, die nWoD nur noch als Softcover rausbringen zu wollen...
Zornhau schrieb:
Ein ledergebundenes Hardcoverteil ist für die sexuelle Richtung der Bibliophilen mit Sexappeal versehen, aber wenn ich das in unsere Vereinsspielrunden mit Schokoladenkrümeln, Chipsfingern, Bierlachen am Spieltisch mitnehmen sollte, dann wäre mir ein billigeres, robusten SpielALLTAG aushaltendes Format lieber als ein "Zuckerpüppchen von Tifus".
Also erstmal: warum eine Vorliebe für schöne Bücher was mit Sex zu tun haben muss, geht mir nicht ganz auf.... Manche Leute hängen sich drei Klekse auf Leinwand oder altertümliches Mordwerkzeug an die Wand, andere stellen sich dafür halt nett gebundene Bücher ins Regal. So what?
Und bei deiner Schilderung stellt sich mir dann doch eher die Frage nach euren... Tischsitten... als nach der Haltbarkeit von Büchern. Wenn ihr eure Rollenspielrunde regelmäßig zum Biwak verkommen lässt, tut wohl eher ein Ratgeber zur kultivierten Nahrungsaufnahme Not denn ein alles aushaltendes Regelwerk. Bierlachen :alc:auf dem Tisch... igitt...
In unseren diversen Runden ist jedenfalls innerhalb des letzten Jahrzehnts trotz exzessiven Knabberkram- und Softdrink-Konsums noch nie ein Regelwerk zu Schaden gekommen (und ja, die liegen bei uns durchaus auch zum Blättern auf dem Spieltisch, anstatt ein wohl behütetes Dasein im Bücherregal zu fristen).
1-2 strenge Damen wie ich in der Runde oder ein Beistelltischchen für wahlweise Regelwerke oder Naschwerk tun es zur Not aber auch.
Oder Alternative 3: Du druckst dir das pdf des Regelwerks, dass es dann aller Voraussicht nach umsonst auf unserer Homepage geben wird, in einem Copyshop deines Vertrauens von der CD aus und heftest dir die Seiten in einem Aktenordner ab. Kostenfaktor schätzungsweise 13 Euro (wenn du die Vollversion ausdruckst, die Hälfte für die reine Textversion) plus 1 Euro für den Ordner. Wenn du noch 1-2 Euro übrig hast, gibt's noch eine Packung Deluxe-Klarsichtfolien für die Seiten dazu, und voila - das Regelwerk ist dann sogar vor Bierspritzern sicher. Kostenfaktor ca. 15 Euro für die Vollversion und unter 10 Euro für die Nurtextversion. Das dürfte selbst die magere Rente eines Rollenspielopis hergeben, oder?
Sieht zwar nicht sonderlich toll aus, aber praktisch ist es allemal, und wenn man ein Rollenspielregelwerk eh nur als Gebrauchsgegenstand ansieht, sollte es auch nicht weiter stören.
Zornhau schrieb:
Ein Regelwerk wird OFT zur Hand genommen zum Nachschlagen während des Spiels, zur Vorbereitung, zum Nachlesen etc. Daher sind eine übersichtliche Gestaltung, leichtes Auffinden aller Regelbestandteile (INDEX!), und eine grundsätzliche Orientierung am praktischen Spielgebrauch wichtiger als ein hohles, aber unnützes Gestell, eine leere Schönheit, ein BILDERBUCH abzuliefern. In dieser Hinsicht war ich vom deutschen UA schon schwer enttäuscht. Wenn ich Bilders gucken will, dann brauche ich dazu kein Rollenspiel.
Deine Worte wirken fast so, als schlössen optische Reize und ein toller Inhalt sich gegenseitig aus. Dass wir das Rollenspiel als Hardcover rausbringen und uns beim Layout und bei der Gestaltung viel Mühe geben, heißt noch lange nicht, dass der Inhalt deswegen schlecht ist. Unser Anspruch ist es, ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen, dass sowohl als "Bilderbuch" bzw. Artbook als natürlich auch von Seiten der Texte und Spielbarkeit her überzeugt.
Zornhau schrieb:
Mein Eindruck ist, daß sich Menschen sehr an optischen Reizen orientieren, und daher auch die Macher von Rollenspielprodukten darauf mit einer (Über-)Fülle an optisch opulenten Produkten reagieren. Nur, wenn diese dann nicht die praktische Brauchbarkeit halten, die implizit ein jeder Rollenspieler und Käufer erwartet, dann verstauben solche Schönheiten in Bücherschränken eben ungespielt.
Also erstmal isst bei 80% der Rollenspieler, einschließlich mir selbst (du magst ja zu den restlichen 20% gehören) - das Auge mit. Warum nur eine öde Textwüstenei lesen, wenn man gleichzeitig auch Futter für die Augen bekommen kann. Ob Bilder vom Leser nur als aufdringliche Elemente oder eine Flut von gelungenen Illustrationen als äußerst angenehm empfunden wird, ist reine Geschmackssache. Zur manchmal fehlenden praktischen Brauchbarkeit bei einigen visuellen Delikatessen stimme ich dir zu, aber wie gesagt: wir sind uns dessen durchaus bewusst und bemühen uns um beides gleichermaßen....
Zornhau schrieb:
Den Verlagen ist das ja egal. Die machen Bücher ja nicht zum Spaß, sondern zu Geld. Und wer bezahlt hat, der ist ja schon am Haken - mitten durchs Auge.
Kommt drauf an, wen du unter "die Verlage" subsumierst. Bei den großen Konzernen magst du da Recht haben - was aber Kleinverlage wie uns angeht, mit Sicherheit nicht. Wenn wir ernsthaft Geld verdienen wollten, würden wir unsere Zeit anders investieren. Das, was man (so sich das Ganze schlussendlich gut verkauft) am Schluss nach allen Kosten und Abzügen rauskriegt, wird nicht annähernd den vielen 1000 Arbeitsstunden gerecht, die man reingesteckt hat. Anderes zu behaupten wäre je nach Standpunkt entweder sehr naiv oder absolut unfair.
Zornhau schrieb:
Schlechtes Beispiel (hier reicht eines, weil es den momentanen Tiefpunkt der deutschen Rollenspielproduktion darstellt): Degenesis (Das klassische "hohle Gestell". Nur ein Bilderbuch. Lesbarkeit schlecht. Inhaltlich schwach. Schreibstil extrem wiederholend, ermüdend, langweilig. - Nach anfänglich hoher Neugier für diese so ange-hype-te Produkt, kam das tiefe Tal der Enttäuschung nur eine attraktive Attrappe statt eines inspirierenden Rollenspiels erworben zu haben, wenigstens ist es so solide, daß es meinen anderen Büchern als Buchstütze zu dienen vermag. Wenigstens etwas.).
Und dies ist nur eine Meinung von vielen (die ich im Übrigen in keinem der angesprochenen Punkte teile). Doch da Degenesis hier nicht Thema der Diskussion ist, fände ich es gut, wenn du deine diesbezüglichen Ansichten an einem passenderen Ort, beispielsweise im Degenesis-Channel, diskutieren würdest.
Zornhau schrieb:
Alle haben in Deutschland immer weniger Geld. Warum nicht mal was anderes als die Masse machen? Warum nicht mal ein schönes, schnelles, erschwingliches Softcover zu einem echten Taschengeldpreis herausbringen? Das senkt auch die Schwelle des "Ich kauf mir das um mal zu sehen, ob ich es mag"-Kaufens enorm. Wir haben im Verein eine ganze Menge Schüler, die sich nicht ständig die dicken Brocken an Maybach-Rollenspielen leisten können, sondern eher mal und öfter(!) mal einen solides Kleinwagen-Rollenspiel.
.).
Der "Ich kauf mir das um mal zu sehen, ob ich es mag"-Faktor wird bei uns schon durch den kostenlosen Download ausgehebelt. Und zum Taschengeldpreis: Siehe die von mir beschriebene obige Alternative. Nicht hübsch, aber praktisch und billig und der Inhalt ist immer noch derselbe. Ein echter Smart halt. Alle anderen können sich den Maybach zum Opel Astra-Preis kaufen - den nimmt man dann doch lieber als den Corsa- zum Astra-Preis. So, und jetzt habe ich genug über Autos geredet.
Zornhau schrieb:
Ein Hardcover und tolles Papier macht ein Rollenspiel noch lange nicht zum Renner. Und nur für die Bibliophilen, deren Bücher nach ein paar Wochen nur noch verklebte Seiten haben, weshalb sie wieder einen neuen geilen Ledereinband-Hardcover brauchen (oder nächstes Mal doch lieber einen dominanten Latexeinband-Softcover?), sollte man meiner Meinung nach nicht die Preisgestaltung ins High-End verlagern.
Also, es gibt schon einen Unterschied zwischen bibliophil und notgeil bzw. pervers... Ich selbst sammle auch Bücher, aber dass ich neben dem Rücken meines Freundes gelegentlich auch zärtlich über den schmucken Einband einer neuen gedruckten Errungenschaft streiche und letzteren im Bücherregal alle paar Monate eine Deluxe-Massage mit dem Staubwedel verpasse, heißt noch lange nicht, dass ich andere.... wirklich merkwürdige... Dinge mit Büchern einstelle.
Ist aber schon... interessant..., zumindest für die Psychologin in mir, wie weit deine Fantasie da zu reichen scheint.
Mal im Ernst: Von Preisgestaltung im High-End war nie die Rede. Wie schon von Felix beschrieben: Sollte es wirklich sowas wie eine Luxus-Edition mit Ledereinband, Goldschnitt und Signalpistole für Hardcore-Bücherfreaks geben, wird daneben natürlich auch eine normale und erschwingliche Version für alle anderen stehen.