AW: Nerd-Kultur - Rollenspiele vs Anime?
Apocalypse schrieb:
Die meisten Animes und Mangas die ich oben erwähnt habe zeichnen sich durch eine Gewisse Epik aus. D.h. die Protagonisten sind nicht irgendwelche tugendhaften Heiner oder kleine Landeier, nein, das sind oft HELDEN mit epischen Fähigkeiten und Gaben/Flüchen.
So wie in den meisten meiner normalen, nicht-anime Rollenspiel-Kampagnen auch. Nichts Neues oder Anderes hier feststellbar.
Apocalypse schrieb:
Selbst wenn irgendwer untewegs aufgesammelt wird oder als Butler/Putzfrau/Oma in die Handlung einsteigt kann er irgendwas besonderes. Das zu Gucken ist eine Sache, spielen will ich das nicht unbedingt.
Genau. Diese für mich "krank" wirkenden, typisch japanischen Verhaltensstörungen, für meinen westlich-gesunden Geist nicht nachvollziehbar sprunghaften Stimmungswechsel der "Helden" und ihrer Extras sind für mich ein paar von einem ganzen Blumenstrauß an Gründen, warum ich Animes herzlich wenig abgewinnen kann. - Diese Verhaltensauffälligkeiten dann womöglich auch noch im Rollenspiel ausspielen zu sollen (oder - schlimmer noch - gar zu wollen!), ist mir bislang nicht eingefallen.
Apocalypse schrieb:
Wenn ich mir nun angucke, was hierzulande erfolgreiche Spielkonzepte sind, ...
D.h. epische Breite der Charaktere scheint da nicht so wichtig zu sein.
Das täuscht. Sogar sehr. Und vor allem: die Spieler WOLLEN die epische Breite sogar. Auch und GERADE im Kulturkreis, der Tolkiens Werke hervorgebracht hat und nicht The Record of Lodoss War.
Apocalypse schrieb:
Ne Menge Spiele, die sich drüben gut verkaufen sind da genau anders, für die bekäme man hier kaum einen richtigen Markt (RIFTS, Superheldenspiele)
Die RIFTS-Runden im Verein waren und sind stets sehr beliebt und laufen zur Zufriedenheit der Spieler (und der Spielleiter).
Und Superhelden - besser: Superschurken - spiele ich auch im Rollenspiel. Aber das sind dann welche, die auf die westliche Art gezeichnet sind. Eben keine androgynen Barbie-Ken-Katzenwesen-Mischlinge aus Dr. Seltsam-Sans Genlabor-und-Sushi-Restaurant, sondern harte Kerle, scharfe Weiber - alle in engen Anzügen, alle mit SUPER-Kräften und NACHVOLLZIEHBAREN Verhaltensweisen. Da wird keiner wie ein verkappter Samurai oder sonst ein verklemmter Walsteakesser seine Psychosen dadurch zum Normalfall deklarieren können, daß ja alle Japaner diese aufweisen. Ein Super-Charakter sollte auch für einen deutschen Normal-Rollenspieler verständlich und nachvollziehbar agieren können. Dauerverbeugen, Einblenden von Schweißtropfen auf der Stirn oder Kameraeinstellungen, in denen der Sekretärin des Präsidenten unter den Rock geschaut wird, sind im nicht-gestörten Superhelden- bzw. Comic-basierten Rollenspiel eben nicht so der Normalfall, wie es mir nach meiner - ja wohl offensichtlich nicht ausreichend langjährigen - Beschäftigung mit Animes in selbigen der Regelfall zu sein scheint.
(Nebenbei: seit ich 18 bin darf ich ohne Einschränkung der Gesetzgebers soviel Pornographie konsumieren, wie ich will. Ich darf dabei in gynäkologische Darstellungsbereiche vordringen, die ich gar nicht so genau wissen oder kennen will, wie es rechtens wäre. Ich muss nicht wie ein verklemmter japanischer Trickfilmzeichner unmotiviert(!) dauernd auf Kamerapositionen achten, die praktisch jeglicher weiblicher Figur in bestimmten Animes beständig unter den Rock linsen. Gute Güte! Sind die Japaner in Dauerpräpubertät festgefahren? - Aber was will man von Leuten erwarten, die Karaoke für eine "gute Unterhaltung" halten... )
Klar gibt es Animes mit Inhalten der unterschiedlichsten Genres. Klar gibt es dabei herzzerreißend blöde und faszinierend gute Geschichten. Klar gibt es Animes, die auch nicht durch die Bank langweilig-gleichmacherisch-mies gezeichnet sind, sondern einen kleinen Frühlingshauch an individuellem Zeichenstil erkennen lassen.
Doch reicht mir diese "Schublade" Anime aus, um zu sagen: "Das will ich spielen!" ?
Nein.
Ich will vielleicht ein paar Versatzstücke aus GitS für manche meiner "richtigen" Rollenspiele klauen. Ich will bestimmt nicht das japanisch-gestörte Chef-Untergebenen-Verhältnis aus GitS übernehmen, da ich nicht japanisch genug bin, das zu wollen oder auch nur den Gedanken daran ohne Relaxantien einnehmen zu müssen zu verkraften.
Mein Hauptproblem mit Animes ist: sie sind zu japanisch. - Und zu japanisch heißt für mich: sie haben viel zu viel, viel zu komprimiert von all dem, was mir an japanischer Verhaltensweise auf die Eier geht. Das kommt in diesen Animes immer ganz dicke. Das sieht sich an, wie wenn man statt Nutella mit dem Löffel zu essen, Löffel um Löffel Nivea-Creme lutschen muß. *uärks*
Wenn ich mal einen, auch nur einen japanischen Film sehen würde (egal ob Anime oder üblicherer Realfilm), in welchem die dort dargestellten WESTLICHEN Charaktere mal NICHT nach üblicher westlicher Wahrnehmung als hoffnungslos geistig gestört rüberkämen, dann würde ich vielleicht nicht so rundheraus unzufrieden damit sein. (Und ja, auch in westlichen Filmen werden Japaner verzerrt, mit viel zu westlich-individuellen Verhaltensweisen dargestellt, daß sich ein Japaner befremdet fühlen würde. - Na und? Bin ich etwa Japaner? - Ich will NORMALE Leute sehen und keine ethnologischen oder humanethologischen Lehrfilme über zwanghaftes Verhalten von Inselvölkchen. - Somit ist mir doch scheißegal, ob ein Japaner in einem Ami-Film korrekt dargestellt ist oder ob der nur als verschlagener schlitzäugiger Bösewicht mit kranken Sexualvorlieben rüberkommt. - Solche Animes wie Cowboy Bebop haben viel Potential, welches immer dann zu einem Löffel Nivea wird, wenn sich die japanischen Drehbuchautoren mal wieder nicht vorstellen konnten, wie sich jemand ohne ihren Nationalsport "Gestört-verhalten-und-stolz-darauf-sein" verhalten würde. - Schade so etwas. Und eben auch Scheiße. Leider.)
Es gibt meiner Erfahrung nach nur ein einziges, und noch dazu in hiesigem Pop-Kulturkreis verglichen mit dem Ursprungsland weit weniger verbreitetes Comic-basiertes Rollenspielen: All-American-Super-Red,White&Blue-Superheroes-with-Capes. Egal ob Marvel oder DC.
Diese "normalen" Superhelden-Rollenspiele gibt es seit Jahrzehnten. Hier wird potentiell in jedem kurzen "Füllerszenario" eine "Save the World"-Mission aufgelegt. - Die Superhelden der US-Comics reißen wirklich was. Die sind normal UND super. Man kann verstehen, daß Mr. Awful Good Clark Kent scharf auf Lois Lane ist. Nur wird er sich nicht wie ein japanischer Un-Superheld eines Animes/Mangas mehr blamieren als die Teilnehmer von Takeshi's Castle. Nein. Er wird sich so blamieren, wie jeder normale, gesunde westliche Zuschauer/Leser/Rollenspieler das nur zu gut am eigenen Erfahrungshorizont nachvollziehen kann. - Und das ist so, weil die Autoren welche von UNS sind und nicht von den anderen, den kulturellen Aliens.
Diese Superhelden-Rollenspiele, egal ob nach Spitzfindigkeiten wie Silver Age, Golden Age, etc. unterschieden, gibt es schon lange und sie wird es auch weiterhin geben. Und es werden auch weiterhin Rollenspieler das spielen wollen, weil man nur im echten Superhelden-Genre hemmungstlosestes Powerst-Gamingst betreiben kann (und auch MUSS!). Hier ist man Superheld. Hier darf man SEIN!
Animes und - schlimmer noch - Mangas sind ein kultureller Tsunami, der über unsere friedliche, westliche Kulturküste herübergeschwappt ist, vieles förmlich ersäuft hat, und nun von den Überschwemmten in einer Art multikultureller Verdrängungsreaktion als ein Segen, als etwas Gutes, als etwas, das hier schon lange gefehlt hat, als etwas, mit dessen algig-moderigen Hinterlassenschaften man sich nur lange genug beschäftigen muß, um zu erkennen, daß es eben doch ein Segen ist, fehlwahrgenommen wird.
Comic- und Zeichentrick-Stoffe im Rollenspiel gab es auch schon lange vor den "gelben Seiten": Toons, US-Cartoon-Funny-Rollenspiele - totales Nischenprodukt, welches ziemlich wenige Leute begeistern kann, was aber - wie passend für das Genre - auch nicht totzukriegen ist.
TMNT - schon ziemlich coole Idee, vor allem das zugehörige Endzeitsetting, aber leider nicht jedermanns Regelwerk.
Metabarone - interessante Comics, aber für das Spiel reizloses Setting.
uvam.
Es liegt nicht am Comic/Zeichentrick an sich. Es ist immer die Frage, was über die graphische Gestaltung/Prägung hinaus solch ein Rollenspiel zu bieten hat.
Warum gibt es noch kein "Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit"-Rollenspiel? Oder ein "Valerian&Veronique"-Rollenspiel? Oder ein Micky-Maus-Rollenspiel?
Diese Geschichten sind nicht unbedingt etwas, daß für ein kontinuierliches Rollenspiel ausreichend viel hergibt. - Man will ja nicht einfach nur einmal die Geschichte des Comics nachspielen, sondern - ganz rollenspieltypisch - sich nicht im möglichen Handlungsraum einschränken lassen. Das ist auch nur zu verständlich.
Ähnliche Probleme haben ja auch Rollenspiele, die sehr eng an bestimmten Film- oder Serien-Lizenzen hängen. Auch hier ist es ja nicht die Suche nach einem "Film-Rollenspiel", die die Spieler zum Herr der Ringe Rollenspiel bringt (oder eben auch nicht). Sondern es zieht hier zuerst das generelle Genre, das Setting, (der Bekanntheitsgrad: Indiana Jones ist nun einmal bekannter als The Shadow - wenn auch beide auf ihre Art gleichinteressant sind,) und dann möglicherweise noch das Regelsystem ("Ist das auch D20?").
Es gibt ein paar reine Anime-Rollenspiele. Die Tatsache, daß es sie immer noch unter dieser Bezeichnung gibt, finde ich schon erstaunlich, haben doch Animes kein eigenes Genre, sondern stellen sie doch nur andere Unterhaltungs-Genres auf eine bestimmte Art dar.
Hier stellt sich für mich eh die Frage: Kann ein als Anime-Rollenspiel auftretendes Regelwerk WIRKLICH die doch rein visuell geprägten typischen Anime-Versatzstücke im Rollenspielen rüberbringen?
Bei den meisten Spielfilm-basierten Rollenspielen möchte ich eine analoge Frage mal erst einmal verneinen. Sie schaffen es höchstens die Grundlage des Spielfilms, also das Genre - z.B. Pulp-Two-Fisted-Action - abzubilden und die visuelle Komponente bleibt dabei meist außen vor.
Bei Marvel- bzw. DC-Superhelden hingegen klappt das. Das Genre der Superhelden-Comics bzw. -Trickfilme ist ja nur ein sehr geringer Bruchteil all der Genres, die überhaupt in Trickfilmen bzw. Comics angerissen werden können. Die Fans dieses Subsets sind spezifisch "vorgebildet" und erwarten sich, ordentlich was reißen zu können. - Diese Erwartungen werden erfüllt. Daher gibt es überhaupt Superhelden-Rollenspiele, weil sonst die Gelder der Kunden statt für das Superhelden-Rollenspiel eben für die Superhelden-Comics oder das Superhelden-Merchandising ausgegeben würden.
Was können denn die real-existierenden Anime-Rollenspieler zu diesen Grundfragen sagen:
Wie kommt denn das Anime-typische Feeling im Anime-Rollenspiel rüber?
Funktioniert das überhaupt?
Wenn ja, woran liegt das?
An bestimmten (welchen?) Regelmechanismen?