AW: Regionalinformationen Midgard
Und wieder ist es die Legende...
Im Ernst, diese Einstellung, daß alle Leute, die ihr Rollenspiel nicht so "asketisch" und "rein" und "wahrhaftig" betreiben, wie eben die im Midgard-Forum so markant auftretenden abgehärmten Größten-Phantastiker-aller-Zeiten, ist durchaus sehr bezeichnend und sehr typisch für das, was einem an "Umgangston" im Midgard-Forum geboten wird.
Und dabei ist das auch noch - VOR ALLEM im Rückblick auf 25 Jahre Midgard - falsch.
Als Midgard neu, frischgeschlüpft und noch nicht trocken hinter den Ohren war, da war es ein Regelsystem. Aber war es das wirklich? So ganz ohne Spielwelt dazu?
Natürlich nicht.
Entstanden nach dem Vorbild von Empire of the Petal Throne, einem schon damals von der Spielweltschilderung sehr innovativem Rollenspiel, in welchem die im zeitgleichen D&D ebenfalls vorhandenen "Ränge" der Charaktere z.B. schon IN GAME eine Bedeutung hatten, wurde Midgard ja mit seiner ungeliebten Schwester Abenteuer in Magira "geboren".
Beide, Midgard und AiM hatten zunächst die IDENTISCHE Spielwelt. Nämlich die Welt MAGIRA, die auch der Schauplatz der seit Jahren fortgeschriebenen Geschichte des "Ewigen Spiels", eines mit den Armageddon-Tabletop-Regeln und VIEL Diplomatie zwischen den Nationen(=Spielern) ausgetragenen politischen und militärischen Ränkespiels gewesen ist.
Die Kulturen auf Magira wurden in den EDFC-Sammelbänden zum Ewigen Spiel z.T. ebenso detailliert beschrieben, wie erst Jahrzehnte später wieder in den Midgard Regionenbänden.
Ich hatte damals mit Midgard 1 zu spielen angefangen. Wir haben uns (unser Spielleiter war im EDFC, er kannte Armageddon und Magira etc.) daher die Kulturen von Magira(=Midgard nur mit leicht veränderten Namen z.B. Albyon wurde zu Alba, Ranabar zu Rawindra, etc.) hergenommen und damit dann Midgard gespielt.
Die Aussage von einem der Midgardforumsbeitragsautoren, daß sie anfangs nur mit Kaufabenteuern gespielt hätten, MUSS Unfug sein, da es nicht einmal eine Handvoll Kaufabenteuer gab, die Midgard 1 unterstützt hätten und auch bei Midgard 2 gab es gerade mal ein halbes Dutzend, z.T. ziemlich kurze Szenarien, so daß man nach einem halben bis dreiviertel Jahr alles offizielle Abenteuermaterial durch und durcher hatte.
Übrigens: die Leute des viel zu sehr unterschätzten Abenteuer in Magira haben VON ANFANG AN Regionenbände veröffentlicht. - Warum? - Weil AiM so ausgelegt war, daß man das Grundregelwerk (ein DIN/A5-Heftchen) plus den Allgemeinen Zauberalmanach (auch ein solches Heftchen) UND MINDESTENS eines der Regionenbändchen (Albyon, Ao-Lai (mein absolutes Lieblings-Fernost-Setting!), etc.) zum Spielen brauchte.
Abenteuer in Magira war schon immer ein stark kulturelles Rollenspiel.
Midgard hingegen verlor den Bezug zu einer wohlbeschriebenen, lebendigen, und - vor allem - von unserer Erde auf phantasieanregende Weise abweichenden Spielwelt spätestens mit Midgard 2, in welchem die ominösen 4 Seiten mit "normannisch-schottisch" - "geh doch selbst in der Bibliothek (wir reden hier von Zeiten, wo Internet etwas für die Scientific Community und das Militär (Arpanet) war!) und wälze Geschichtsbücher, dann bekommst Du von den Autoren auch bessere Noten!" - vorkamen.
Als jugendlicher oder jung-erwachsener Mensch, vor allem, wenn man an einer Uni mit einer Historiker-Fakultät zu studieren den Vorzug hatte (hatte ich z.B. nicht), war es ja leicht möglich statt einer Hausarbeit mal kurz nachzuschlagen, was denn eine "hethitische" Kultur so ausmacht, und zu entscheiden, ob man diese dann für sein eigenes Rollenspiel verwenden möchte.
Nur: Midgard war ja als Spielwelt NIE EINE ALTERNATIV-ERDE!
Die Welt Midgard als Setting des Rollenspiels Midgard wich in den paar publizierten Abenteuern signifikant von den historisch akkuraten Kulturen ab, zumal all diese Kulturen in einen Topf geworfen eine reine Anachronismussuppe an Unverträglichkeiten hervorbrächten.
Die Autoren, diese kleine, informierte Schar sich schon damals sehr gerne hofieren lassender Lehrkörper, die WUSSTEN MEHR ÜBER DIE WELT MIDGARD, wie sie eigentlich war, wie sie für die Abenteuer, die sie, die Herren über das Wissen um die Spielwelt, selbst spielten, sein MUSSTE, damit es nicht zum anaphylaktischen Schock aufgrund historischer Unverträglichkeiten durch minderinformierte Spielleiter kommen mußte. - Und sie publizierten auch ein wenig ihres Herrschaftswissens. Im Gildenbrief, den damals zu bekommen auch nicht jedermann so leicht fiel. Und vergriffene Ausgaben mit den verlorenen Wahrheiten, hatten immer so den Ruch des Arkanen, des Okkulten, des Rezepts, mit dem man den Stein der Weisen kochen könnte, der aus der eigenen, mit "Was-Ist-Das? Die Hethiter"-Büchern "recherchierten", wackeligen Spielwelt endlich etwas in sich Stimmiges machen würde. - Etwas so stimmiges, wie es damals z.B. D&D mit Mystara hinbekommen hatte. Oder wie es vor Ur-Midgard-Zeiten ja Empire of the Petal Throne mit Tekumel schon lange hatte.
Man wurde dann, als die ersten Regionenbände herauskamen (z.T. zu Midgard 2, mehr dann zu Midgard 3, wenn ich mich recht entsinne), förmlich mit dem Kanon erschlagen. Denn plötzlich gab es ein punktuell hochdetailliertes Midgard, welches "Richtig, Eins-minus, Setzen!" war, und dann das eigene, mit Phantasie als Dichtungsmasse zwischen die paar Informationsbrösel aus den bisherigen Publikationen zusammengekittete Midgard, welches ein "Ungenügend! Du lernst es wohl nie! Setzen!" kassierte. - Denn plötzlich gab es ja Den Einen Wahren Weg des Kanonischen Midgards (tm), und diesen gingen die Jünger der Altherren (und -damen) mit aller Konsequenz unter Abgabe ihrer Phantasie, ihres Rückgrats und ihrer Kreativität an der Garderobe ohne Versicherung.
Heraus kam das, was der aktuelle Zustand im Midgard-Forum bestens widerspiegelt: Die Gro(ß/b)en Alten, die den Langen Marsch mitgemacht haben, und die das Lärmen und Lachen der spielenden, neugierigen Kinder vor ihrem Lehrerzimmer maßlos stört, so daß sie ständig "RUUU-ÄÄÄÄÄHH!" schreien müssen, geben dort den (Umgangs-)Ton an. - Frischer Wind? Bekommt man nur Zug. - Neue Spieler? Stellen nur die alten Fragen, auf die wir schon vor 20 Jahren keine Antwort bekommen haben. - Weitere Verbreitung von Midgard? Wäre ja noch schöner, wenn in diese geschlossene Gesellschaft jemand ohne lange jahre kriecherischer Initiationsriten hineingelassen würde!
Es ist schon ein Jammertal. Genauer: eine jammertalgroße Grabkammer, in welche sich diese Mid-Elite-Gardisten zum Zwecke gemeinschaftlicher Selbstmumifikation selbst eingemauert haben. Und natürlich wollen sie keinen Besuch und wollen auch nicht raus. Eben ein perfektes, abgeschlossenes System. Nix rein, nix raus. Nix drin, was irgendwer braucht.
Und ich hatte mit Midgard 1 (und auch noch mit Midgard 2) so richtig viel Spaß! - Aber damals hatten wir auch KEINEN Kontakt zu den Hardcore-Oberst-Lehrern, jawoll, ja!
Durch die Möglichkeit im Internet, gerade, aber nicht nur, im Midgard-Forum mal einen Blick in die Schutzgas-Vitrine auf diese bröseligen Gesellen werfen zu können, entsteht in mir eine gewisse Traurigkeit. Denn das, was diese Verbohrten da als ihren Einen Wahren Weg ansehen, das ist nicht mein Midgard. Und war es noch nie.