So, dann mal noch mein Senf zu der ganzen CrossGender(CG)-Geschichte...
Immer wieder muss ich mir von anderen Spielern anhören, sie würde kein CG mögen, nichts davon halten und es auch nicht zulassen. Warum eigentlich?
Jeder Schriftsteller ist gezwungen, immer wieder in Personen des anderen Geschlechts zu schlüpfen. Und wen kümmert das? Das gehört ganz selbstverständlich dazu! Wenn ich mir einen Film ansehe, dann ist es völlig egal, ob es einen männlichen oder weiblichen Hauptdarsteller gibt. Hauptsache, der Film ist gut! Und ich kann mit einer Protagonistin genau so mitfiebern wie mit einem Protagonisten. Und genau so sehe ich auch die Führung von weiblichen Charakteren. Für mich macht es keinen Unterschied, solange die Story stimmig ist.
Und wer kann sich denn bitteschön in einen Ork, einen Echsenmenschen, einen Roboter, eine KI oder ein Alien versetzen? Was soll ich denn davon halten, wenn jemand solche Charaktere spielt? Es sollte doch eigentlich leichter sein, sich in ein Wesen zu versetzen, das man schonmal gesehen und kennengelernt hat, als in ein Wesen, das es nur in der Fiktion gibt.
Ich halte von CrossGenderSpielern das gleiche, wie von CrossProfessionSpielern (pubertierenden Schülern zum Beispiel, die einen Meuchler spielen), CrossSocialClassSpielern (arme Studenten, die im Geld schwimmende Großhändler spielen), CrossEthnicSpielern (käsebleiche Vorstadtkinder, die böse schwarze Gangster spielen), CrossPhilosophySpielern (der obligatorische Schamane, dessen Spieler noch nichtmal genug von Natur weiss um für Greenpeace spenden zu dürfen) und all dem anderen Crossgespielerzeugs.
Da die meisten Rollenspieler schon erbärmlich scheitern, wenn es nur darum geht einen halbwegs glaubwürdigen MENSCHEN darzustellen ist das Geschlecht höchstens ein sekundäres Problem. Klar kann nicht jeder mal eben einen Charakter des anderen Geschlechts glaubwürdig rüberbringen, aber bei den Spielern, wo es wirklich nervt, ist auch sonst selten etwas erträglich.
Ich habe kein Problem mit CG wenn ich weiß dass der Spieler damit umgehen kann. Ich selbst mache bei mir inzwischen nur noch vom Konzept abhängig ob der Char männlich oder weiblich sind, und wage zu behaupten dass ich gut Frauen darstellen kann. (Und nein, ich habe noch keine lesbischen/bisexuellen, nymphomanischen, perfekt aussehenden Elfinnen gespielt.)
Wenn ich einen weiblichen Charakter bastle, dann habe ich ein Konzept im Kopf. Zu manchen Konzepten passen eben eher Frauen als Männer. Da spielt der Wunsch eine FRAU zu spielen eigentlich keine Rolle, es geht mir nur um das Konzept, wie z.B. die ehemalige Straßenhure die bei von einem Perversling verheizt hätte werden sollen und dabei ihre Magiebegabung entdeckt, alles niedermacht und bla. Mir gehts da nur um das Bild das ich im Kopf habe, was die Person zwischen den Beinen hat ist mir schnurz.
Zudem würde ich erwarten, daß kein Spielleiter mit der (je nach Anspruch) überzeugenden Darstellung von Charakteren des jeweils anderen Geschlechts größere Probleme haben sollte. Immerhin ist es die Aufgabe eines SL den gesamten Reste der Welt via NSCs für die Spieler und ihre SCs erlebbar zu machen. Da gehören dann natürlich auch NSCs beiderlei Geschlechts, unterschiedlichster Religionen, Hautfarben, Herkünfte, sozialer Gruppen etc. dazu. - Natürlich ist das nicht leicht, ist das eine der wesentlichen Herausforderungen an die Rolle des Spielleiters, aber da es ja doch so einige Rollenspielrunden gibt, scheint es wohl - zumindest aus der Wahrnehmung der Spieler heraus - zu funktionieren.
Wie kann man da mit zweierlei Maß messen? Es scheint von erheblicher Brisanz zu sein, ob nun ein Spieler eine Frau oder eine Spielerin einen Mann spielt, aber ob ein Spielleiter oder eine Spielleiterin auch gerade wichtige und die Spielercharaktere lange begleitende NSCs vom anderen Geschlecht spielen, scheint keinen zu interessieren.
Was ist denn dann mit Spielern in der einen Runde, die z.B. einen weiblichen SC spielen, und in einer anderen Runde als SL ALLE NSCs männlich wie weiblich spielen? Wer könnte solch einem Spieler eine Auflage zumuten wie "Du spielst nur Dein eigenes Geschlecht"?
Wo wir schon bei männlich wie weiblich sind: Ehrlich gesagt frage ich mich auch, was es mit diesem ins "Geschlecht reinversetzen" auf sich hat. An CG-Spielern wird häufig bemängelt, dass es (bei Kerlen) meist Frauen sind, die lesbisch, nymphoman und elfisch sind.
Nun ich kann bei Kerlen ebenso bemängeln, dass ihre männlichen Chars emotionslos, hart und ohne Familie sind.
Ich glaube das ist allgemein eine Dimension des Denkens des Spielers. Wie weit will er seinen Char wirklich darstellen, oder nur abgedroschenen Klischees folgen.
Zu sagen: Du kannst keine Frau spielen, weil du nicht weißt wie man sich da verhält halte ich für Schwachsinn. Wir leben in einer absolut durchgewürfelten Gesellschaft, indem traditionelle Werte immer weiter runtergehen. Auch bei DSA wage ich zu bezweifeln, dass der Stereotyp "Frau" als solcher so verbreitet ist, dass man da wirklich drauf pochen könnte, denn schließlich ist DSA keine Mittelaltersimulation sondern weist doch schon größtenteils eine aufgeklärte Gesellschaft mit Gleichberechtigung auf.
Es ist wirklich nicht dermassen schwer, das andere Geschlecht glaubwürdig genug rüberzubringen, solange man dies nicht krampfhaft versucht - wo ist also das Problem?