Im Computerspiel ist die Gewalt sowieso etwas anderes. Gerade wenn nur noch Gewalt dazu führt, dass man im Spiel weiterkommt, dann ist Gewalt in der Spielrealität keine "Gewalt" in dem Sinne unserer Welt mehr. Es wird nicht hinterfragt, warum der Charakter Monster tötet. Denn ohne Monstertöten kommt man im Spiel nicht weiter. Gewalt wird degradiert zum Klicken mit der Maus und Verteilen der EPs auf Attribute und Sachen einkaufen. Ein ähnlicher Effekt, der beim Schach eintritt. Die Figuren wenden ununterbrochen Gewalt an, aber es ist für uns Spieler als Außenstehende keine Gewalt, sondern nur ein Spielmechanismus.
Ich denke wir haben hier nen Effekt der sich auch recht gut ins P&P übertragen lässt:
Spielt man ne Runde Dungeoncrawl wird wohl kaum jemand auf die Idee kommen zu sagen "Uih, das war jetzt aber ziemlich brutal.", bloß weil man einem Ork die Nase gebrochen hat. Umgekehrt wird die Schulhofschlägerei in einer "realistischeren" Runde wohl wesentlich brutaler aufgenommen, in der dem Jungen, der schon weinend am Boden liegt mit einem Tritt ins Gesicht die Nase gebrochen wird.
Ein und die selbe Gewaltdarstellung wird je nach Kontext unterschiedlich aufgenommen.
Ein Teil ist sicher die Frage "die Guten/die Bösen", wobei ich glaube, dass die Rolle des Opfers hier wesentlich wichtiger ist als die des Täters - wenn sich zwei Orks gegenseitig tothauen, schmunzelt der durchschnittliche Abenteurer, während er dies beobachtet.
Ein weiterer Punkt, der mMn noch wesentlich wichtiger ist, ist die Rolle von Gewalt in der jeweiligen Spielwelt.
Wie Vivienss' sagte:
Beim Schach geht es auch um Gewalt.
Um absolut nichts anderes sogar. Die Figuren existieren einzig und allein um Krieg zu führen. Und ob sie dabei selbst überleben ist vollkommen wurst - gewonnen hat man, wenn der König übrig bleibt.
Wie verwerflich ist/wirkt in einem solchen Kontext ein Bauernopfer?
Das durchschnittliche Dungeonmonster hat einen einzigen Sinn in seinem Leben:
Es sitzt rum un wartet darauf von einem Abenteurer getötet zu werden.
Den Gegner töten, überleben...? Sind wir mal ehrlich:
Dass sind eigentlich nicht die Optionen, die ein Dungeoncrawl-SL seinem Monster in realistischem Ausmaß geben möchte.
Leidet das Monster unter dieser Rolle?
Nö - es ist richtig fies und böse und total scharf darauf gegen die Helden zu kämpfen.
Die Realitäten von Spielen sind meist so zurecht gebogen, dass es einfach vollkommen normal ist, den Gegner zu schlagen oder zu töten - der Gegner wird über diese Funktion überhaupt erst als Gegner definiert.
Beim Boxkampf sagt man ja schließlich auch nicht "Boah der Klitschko ist aber ein fieser Kerl - der hat den anderen Typen einfach so zusammen geschlagen, obwohl der ihm nichts getan hat."
Wenn der Gegner den Ring betritt, dann erklärt er sich dazu bereit zu kämpfen und möglicherweise zu verlieren.
Wenn ein Gegner eine Spielwelt betritt, gilt für ihn das selbe.
Somit würde ich bei der Arbeit unterscheiden zwischen als solche definierten Gegnern, die wie eine sportliche Herausforderung bezwungen werden und bewusster, aktiver Gewalt der SCs gegen NSCs.
Beispiel:
Jedem ist klar, dass Orks furchtbar böse sind und ein Ork der
- im Dungeon sitzt
- aus dem Gebüsch springt
- durch den Wald läuft
unbedingt getötet werden muss. Warum auch immer.... ist so ne Rollenspielregel
.
Wenn die SCs den selben Ork allerdings morgens beim Bäcker treffen würden, würden sie ihm mit der selben Selbstverständlichkeit nichts tun.
Warum?
Weil "der Ork beim Bäcker" kein Gegner ist... ist noch so ne Rollenspielregel...
Würden sie den selben Ork nun hier angreifen, würde die Gewalt schlagartig anders wirken - selbst wenn es tatsächlich ein bekannter Ork mit finsterer Vorgeschichte ist, würde das Genre einen kleinen Hüpfer von reinem Fantasy-Abenteuer-Action zu Fantasy-Abenteuer-Action-Thriller machen, wenn Gegner auf einmal nicht nur in für sie gekennzeichneten Bereichen rumlaufen würden.