H E I Z T Ü R M E
Die Luft ist heiß und trocken und riecht nach Harz. Flammen
lodern aus einem kreisrunden Loch, lecken an dem blasigen
und tiefschwarzen Gusseisen. Einen Schritt vor, die Augen
geschützt mit einer gerußten Glasplatte, blicken wir in den
Ofen von Schlot II: Ein scharfer Luftzug lässt die Holzscheite
aufglühen und krachen, Funken stieben in die Höhe, die Flammen
tosen. Die Kessel über uns strahlen eine schmerzhafte
Hitze ab, die Nadeln der Druckregler zittern sich in den roten
Bereich, und jetzt hörst du, wie das Wasser braust und sich
stoßweise durch die noch kalten Rohre presst. Anfangs ist es
ein Saugen und Schmatzen, wenn es Luftblasen überwindet
und aus den Ventilen drückt, doch dann erstirbt die Geräuschkulisse
zu einem monotonen Rauschen.
Aus dem Kessel drängen Dutzende Rohre, ein jedes für
einen bestimmten Bezirk. Folgen wir diesem einen mit der
gelben Markierung: Es stößt in die Höhe, schwingt elegant
in die Waagerechte und stößt in die Baracken, gelangt von da
nach draußen, dick isoliert und trotzdem dampfend, sticht aber
sofort wieder durch eine Backsteinwand, verläuft krüpplig wie
ein Ast auf welligem Holzboden, steigt in die Höhe, knickt
weg, durchquert eine Küche. Das Rohr fühlt sich noch immer
lauwarm an, aber es reicht nicht mehr, um die Behausungen zu
heizen. In mehreren Schlingen kehrt es zurück in den Heizturm,
wo das jetzt kalte Wasser wieder in den Boiler strömt.
Die zwei Heiztürme: Wie eine Zahnkrone auf ein zerstörtes
Gebiss gesetzt wird, wurden die Heiztürme Danzig
aufgedrückt, aber von einem Zahnarzt, der gerne und viel mit
Drähten fixiert, immer wieder herum um die Stümpfe, Risse
mit Metall abdeckt, das hält. Die Türme sind heute Ungetüme
aus Blechen, Stahlringen und Bolzen, die im Wind knarren und
schwanken. Spitalierkreuze in rissigen Farbfetzen prangen auf
ihnen, verloren zwischen einem Wust aus Heizrohren.
Die Türme stehen etwa einhundert Schritt auseinander, und
zwischen ihnen und um sie herum drängen sich Hütten und
Häuser, einige mit hohen aber schmalen Sichtschlitzen, die
sich gut mit Lumpen verschließen lassen, die meisten fensterlos;
alle nach Norden zeigenden Fassaden sind verstärkt und
innen mit Stoff verhängt. Zwischen den Bauten schlängeln
sich Gassen und Hohlwege, über Brücken aus Stahlseilen gelangt
man über tiefe Gebäudeschluchten. Rohre aus verbeultem
Blech durchziehen die Siedlung wie Wurzelwerk, verästeln
sich, laufen als parallele Stränge über die Wände der großen
Baracken, hangeln sich an Drahtwerk von Haus zu Haus. Alles
ist darauf ausgelegt, die Hitze aus den Heiztürmen einzuschließen
und nicht entweichen zu lassen.
Es ist feuchtwarm hier. Es tropft von der Decke, die Wände
sind nass und schimmlig; Vorhänge und Decken riechen muffig
und sind klamm. Der Schweiß in deinen Stiefeln ist nach
sechs Monaten immer noch derselbe, den du zu Anfang dort
abgelassen hast. Nur ist er jetzt ranzig und mit Auszügen diverser
Desinfektionsmittel versetzt. Fast alle, die hier arbeiten und
leben, haben Entzündungen und Pilz zwischen den Zehen. Du
riechst es. Nur wer Füße und Überzieher jeden Tag am offenen
Feuer trocknet und dabei nicht mit Kalk und Destillat spart,
hat eine Chance, davon verschont zu bleiben.