AW: Das Ding mit dem DSA-Abenteurer oder Warum ich kein DSA spielen kann
Was unser tapferer SL auch tat, wir sind in Gareth untergetaucht, haben einen Teil der Beute auf Banken verstreut und den Rest verhurt, versoffen und in Ausrüstung angelegt.
Fühlt euch jederzeit eingeladen mit mir mal Barbarians of Lemuria (BoL) zu spielen. Ihr spielt so, wie es in BoL die "Prämisse" für die dortigen SCs ist. (Und für ordentliches Verhuren und Versaufen der Beute gibt es dort sogar noch nach den Regeln Bonus-XP.)
Mich interessiert halt vor allem, wie auf der einen Seite HELDENTUM und EDELMUT gefordert werden können, wenn es - wie Zornhau vollkommen zu Recht bemerkte - es dafür überhaupt keine Mechanismen gibt, im Gegenteil es gibt dieses gottverdammte Goldgier-Attribut...
Es MUSS nicht unbedingt für Heldentum regeltechnische Mechanismen geben. Aber es sollte zumindest KLAR UND DEUTLICH herausgestellt werden, DASS man in diesem Spiel Helden spielen soll, die bestimmte Verhaltensweisen haben werden, und andere nicht.
Beispiel: Die Pulp-Abenteuer-Serie Daring Tales of Adventures stellt zu Anfang jeden Abenteuers noch einmal explizit die Aufforderung an den Spielleiter seinen Spielern klar darzulegen, daß sie hier die GUTEN, die "sauberen Pulp-Helden" spielen werden. Erschossene haben hier nicht einmal ein Loch im Anzug, sondern kippen wie in der Vorlage, den 30er- und 40er-Jahre-Filmen, einfach um. Ein Held erschießt keinen Gefangenen und einem Unbewaffneten haut man mit bloßen Fäusten eine rein, auch wenn man eigentlich jede Menge Knarren dabei hätte und das Erschießen einfacher wäre. Helden stürzen sich auf jeden angebotenen Haken um heldenhafte Szenen mit krassen Stunts durchzuziehen. - Die Spieler dieser DTA-Abenteuer MÜSSEN diesen Vorgaben zustimmen und aktiv in diese Art von Charakteren einsteigen. Wer etwas anderes spielen will, wer nicht den schmalen, geraden Pfad des Guten und Gerechten wandeln will, für den sind diese Abenteuer nichts.
Ein Abenteuer, daß solche Vorgaben ausdrücklich macht und sie KLAR UND DEUTLICH darlegt, ist natürlich nicht mit jeder Spielergruppe zu spielen. - Aber mit einer Gruppe, die auf diese Vorgaben einsteigt, besteht ein - in diesem Falle sogar ausgesprochener - Konsens bezüglich der Genre-Konventionen, die für dieses Abenteuer gelten sollen. Daher wird KEIN Spieler diese BEWUSST brechen.
Anderes Beispiel: Ich spiele oft militärisches Rollenspiel. Die Charaktere sind Teil von Truppenverbänden, in denen eine ausgesprochene Hierarchie (auch innerhalb der Spielergruppe über die Dienstgrade der SCs) vorliegt und in denen ALLE Charaktere ganz grundsätzlich Befehlen Gehorsam schuldig sind. - Die "typische Abenteuerer-Gruppe" besteht jedoch aus marodierenden Chaoten, die Blut und Zerstörung hinter sich zurücklassen, auf jede Form von Autoritäten in der Spielwelt scheißen, und sich benehmen wie ein plündernder Mob. Und so sympathisch sind solche Charaktere normalerweise ja dann auch. - Hier gibt es ein Problem: Spieler, die gewohnt waren raubende, mordende, vergewaltigende Verbrecher (= Abenteuerer) zu spielen, haben ENORME Schwierigkeiten bei Militär-Settings wie Engel, Necropolis und anderen die dortigen Charakterkonzeptvorgaben im Spiel umzusetzen. Da wird Befehlsverweigerung auf plumpeste Art betrieben, für die eigentlich zwangsläufig die Charaktere standrechtlich erschossen - oder bei Engel geläutert - gehörten. - Auch hier versuche ich (auch bei Con-Runden-Anmeldungen) KLAR UND DEUTLICH die herrschenden Vorgaben für militärische Charaktere darzulegen. Wer in dieser Runde einsteigt, der WEISS VORHER, auf was er sich einlassen wird. Es ist eine nicht geringe rollenspielerische Herausforderung, weder einen "Guten", noch einen "Bösen", sondern einen SOLDATEN zu spielen. Das wird von manchen Spielern auch leicht unterschätzt. Meine Erfahrung mit solchen engen Charakterkonzept-Einschränkungen: es ist schwierig solche Charaktere so zum spielerischen Leben zu erwecken, daß sie eben keine Abziehbilder, sondern echte, überzeugende, berührende Charaktere werden. Daher ist das militärische Rollenspiel aufgrund der Einschränkungen, innerhalb derer man sich bewegen muß, eine echte rollenspielerische Herausforderung.
Wenn man sich BEWUSST solchen Einschränkungen - egal ob "man spielt hier die HELDEN", oder "man spielt hier SOLDATEN" oder "man spielt hier Polizisten" usw. - stellt, dann nimmt man als Spieler die Herausforderung an, seine Charaktere so zu gestalten, daß sie in diese Setting-Vorgaben passen, und IMMER NOCH die EIGENEN Charaktere sind, die man mit Spaß und Freude spielen mag, und mit denen man den anderen Spielern auch interessante Persönlichkeiten zu bieten hat.
Wenn DSA solche Einschränkungen in den möglichen Charakterkonzepten macht, dann sollte es eigentlich KEIN Mißverständnis darüber geben, welche Art von Charakterkonzepten hier ERWÜNSCHT UND PASSEND ist, und welche UNERWÜNSCHT UND UNPASSEND ist.
"Und wenn ihr nicht so spielt wie wir voraussetzen dann seid ihr keine Guten Rollenspieler."
Das gibt es - weniger in deutscher Oberlehrer-Manier sondern mehr als Evangelikaler Laienprediger geäußert - auch in jeder Menge US-Rollenspielprodukten.
Die GUTEN vorauszusetzen macht einem natürlich die Motivationsfrage für ein Abenteuer leicht: die GUTEN springen auf jeden "Helden-Köder" an, den man ihnen vor die Nase hält. - Die Nicht-so-ganz-Guten wollen eher überzeugt werden, lassen sich aber noch auf das Abenteuer irgendwie ein. - Und die UNGUTEN scheißen auf das Abenteuer und machen ihr eigenes Ding (was oft bedeutet, daß sie ein Abenteuer, in das sie zumindest mit einer zweiten Absicht in der Hinterhand eingestiegen sind, leicht "abschießen" können und werden).
Aber auch die meisten D&D-Szenarien setzen voraus, daß die SCs gewisse moralische Werte aufweisen, die sie nicht als brandschatzende Briganten sondern als Helden dastehen lassen. - Das wurde klassischerweise mittels der Alignments "erzwungen". Eine Alignment-"Verletzung" war zu alten AD&D-Zeiten eine ernste Sache, weil der Charakter dadurch erhebliche Nachteile hatte. Da war nicht so sehr der erhobene Zeigefinger des Autoren eines Szenarios ausschlaggebend, wie die stetige Mitverfolgung der Alignment-Bewegungen auf einem Alignment-Graphen durch den Spielleiter. - Das hatte bei uns zu sehr schönen Szenen geführt, als Spieler, die sich beständig wie die Axt im Walde aufgeführt hatten, das Alignment "abgerutscht" ist. Und Folgeabenteuer ergaben sich sowieso daraus: Ein Charakter wollte ernstlich Reue zeigen und nahm Buße in Form von extremen Heldentaten auf sich, um sich mit sich und seinen Göttern wieder auszusöhnen. Ein anderer Spieler ließ seinen Charakter voll auf das neue Alignment einsteigen und spielte den Charakter dann (und diesmal BEWUSST!) stark in das Alignment hinein. Dadurch hatte er alte Freunde und Weggefährten befremdet und es ergab sich eine spannende "Gruppenchemie" aufgrund des Abdriftens eines Charakters. Das ist Stoff, wie man ihn sonst in Büchern zu lesen bekommt. Der wurde hier durch das konsequente, wenn auch SUBJEKTIVE(!) Führen eines Alignment-Graphen erst ins Spiel gebracht.
Und wozu braucht man aber Regelmechanismen wenn von Helden ausgegangen wird. Diese Helden müssen auch nicht strahlend sein sondern wurden bei DSA eher als moralische Helden gesehen
Man BRAUCHT keine Regelmechanismen, aber sie HELFEN dabei die im Setting "eingebauten" Werte auch mit SPÜRBAREN Konsequenzen umzusetzen. - Man kann aber natürlich auch rein in-game Konsequenzen aufgrund der plausiblen Reaktion der Umgebung auf das Verhalten der SCs umsetzen. Das braucht einen entsprechend konsequenten Spielleiter, der dann eben keinen Rückhalt von den "unparteiischen" Regeln hat, sondern sich persönlich in den Konflikt mit den Spielern begeben muß. Das will nicht jeder, und deshalb "kommen die Marodeure ungeschoren weg", wenn der Spielleiter diesen Konflikt scheut.
Ich will in den meisten Spielrunden (Ausnahmen wie BoL gibt es natürlich) eben KEINE Chaoten haben. Weder als Spieler noch als deren Charaktere. Das ist eine persönliche Vorliebe. Ich mag es nicht, wenn alle meine NSCs nur als willkommene "Schießbudenfiguren" für die nächste Gewaltorgie gesehen werden. - Ich will AUCH meinen Spaß am Spiel haben, und den bekomme ich nicht als Zuführer von Frischfleisch zum Schlachthaus, das die Spieler aus dem Setting machen.
Es gibt Settings, die sehr gut unmoralische (NICHT amoralische!) Charaktere vertragen. Deadlands z.B. - hier kann sich eine Posse auch schnell mal auf dem Outlaw Trail wiederfinden. - Was macht aber dieses Settings TROTZ verbrecherischen SCs noch für mich interessant und bespielenswert? - Die SCs haben alle etwas SYMPATHISCHES.
Es ist nicht so, daß man sie "nett" finden muß, aber man fiebert mit ihnen mit, man sieht ihr Bemühen, man spürt, wie sie es wieder nicht schaffen und doch die Waffe ziehen, usw. - Oder sie sind einfach nur beeindruckend konsequent in ihrer Art. - Gutes Beispiel für solche Art von Charaktere:
3:10 to Yuma.
Es ist Aufgabe für Spieler in JEDEM Setting, das ich leite, mir und ihren Mitspielern Charaktere zu erschaffen, die ich interessant, sympathisch, unterhaltsam finde. Gut oder Böse ist dabei egal. - Es muß ja nicht gerade "Stupid Evil" sein, was einen Bösen auszeichnet. Gute Filmbösewichter sind nämlich auch nicht blöde und langweilig in ihrem bösen Tun. - Mache den bösen SC interessant und alle am Tisch sind von ihm fasziniert. Spiele in als bescheuertes Idiotenarschloch, und Du nervst alle Mitspieler (den Spielleiter eingeschlossen).
Die offiziellen Abenteuer bei DSA setzen leider oft nicht einmal das voraus, was man eine "gute Gesinnung" nennen würde, sondern eher das, was ich hier einmal mangels besserer Ideen operativ "moderne amerikanische Gesinnung" nennen möchte (bezogen auf die moralischen Ansprüche, nicht auf die tatsächliche Motivation gewisser US-Amerikaner).
Völkerverständigung, Demokratie, Schutz von Minderheiten, Selbstlosigkeit, Toleranz und so weiter sind Werte, die nur sehr begrenzt nach Aventurien passen (von den Beschreibungen her zumindest), die aber bei den "Helden" in den offiziellen Abenteuern leider oft vorausgesetzt werden.
Das ist geradezu selbstverständlich. Das sind nämlich die Werte, die auch hierzulande in Fernsehserien, Spielfilmen usw. ständig präsentiert werden. - Ein spielwelteigenes Wertegerüst aufzubauen ist - unabhängig davon, daß die Spieler sich BEWUSST auf das Einarbeiten in dieses fremdartige Wertegerüst einlassen müßten - nicht so einfach. Wie es geht, zeigt sehr gut die Spielwelt Glorantha. Dort drehen sich ALLE Konflikte in dieser Welt um WERTE-KOLLISIONEN.
Andere Abenteuer setzen andere Werte aus obiger Liste voraus, die Zahl der darin spielbaren "Helden" ist im Vergleich zu den erstellbaren (und interessanten!) Charakteren immer noch sehr klein.
Wie ich schon mit meinem Exkurs zu den DTA-Pulp-Abenteuern zeigen wollte: Solange es den Spielern KLAR ist, was für Charaktere zu einem bestimmten Abenteuer PASSEND zu erschaffen sind, ist dies kein Problem.
Man sollte nur nicht erwarten, daß jeder, wirklich ausnahmslos JEDER nach den Regeln mögliche Charakter in JEDES Fertigabenteuer passen wird. - So gut kann KEIN Autor sein, daß dies tatsächlich der Fall ist. - Und es wäre auch ziemlich naiv von einem Spieler anzunehmen, daß er in einem "Gutling"-Abenteuer mit seinem üblen Soziopathen-Charakter ankommen kann, den N-1 Spieler in der Runde sofort bei Spielbeginn rücksichtslos attackieren und vernichten werden.
Steht das Abenteuer fest, und braucht man dafür passende Charaktere: Bau Dir einen Charakter, der zum Abenteuer UND den anderen Spielern und dem Spielleiter paßt.
Steht die SC-Gruppe bereits fest: Such Dir ein Abenteuer, daß zu den SCs und deren Spielern und Dir als Spielleiter paßt.