AW: D20 - Threat or Menace?
URPG schrieb:
Ohne dir zu nahe treten zu vollen, bist du in Sicherheitsverwahrung?
Nein. Die psychologischen Gutachter haben mir bislang jedesmal eine sehr positive Prognose ausgestellt, so daß ich vorerst drum herum gekommen bin. Toi,toi,toi. Klopf auf Holz. ...
URPG schrieb:
Gerade Deadlands was du als beispiel anführst ... es ist kein tolles Regelsystem aber eines mit einer Menge flair und eine Bereicherung zum Hintergrund / Szenario...
Oh, ich finde, daß das Deadlands Classic Regelsystem SEHR WOHL ein tolles, sogar ein SEHR tolles Regelsystem ist. Es tut das, was es tun soll, mit dem Stil und dem Fokus, den es haben sollte. Das "aber" ist da nicht notwendig. - Die D20-Deadlands-Adaption war ja auch ein unglücklicher Versuch auf den gerade so richtig in Fahrt gekommenen D20-Zug aufzuspringen, um die wirtschaftlichen Probleme des Verlags mit Massenabsatz an D20-Käufer, die nicht wirklich wissen, was sie von einem Rollenspiel wollen, zu beseitigen. Dabei wurde die breite Fan-Basis des Alt-Systems vor den Kopf gestoßen, indem "double-statted" Regelwerke erschienen, die sowohl für den D20-Kunden, als auch den Classic-Kunden jeweils die Hälfte der Werteblöcke im Text nutzlos als bezahlten Ballast mitführten. - Hier war zuerst ja ein anderes, gut eingeführtes System da, bevor eine D20-Adaption herausgebracht wurde.
Bei anderen D20-Adaptionen ist das auch der Fall gewesen (Star Wars, Cthulhu, Traveller T20, ...) nur sind diese nicht so husch-husch ohne Gefühl für das Setting vorgenommen worden. - Wie ich oben schon schrieb: bei D20-Adaptionen kommt es, wie bei ALLEN Anpassungen eines Regelwerks für einen Hintergrund, auf die Befähigung des Entwicklerteams an. Taugen die was, dann bekommt man Sidewinder:Recoiled und freut sich. Taugen sie nichts, dann bekommt man das große Lamentieren, warum die denn bloß das "chaotic evil" D20-System genommen haben. Dabei liegt es STETS zuallererst und auch zuletzt an den Autoren eines solchen Rollenspiels (Adaption oder Neuentwicklung), ob es was taugt, oder nicht.
URPG schrieb:
Daher sollte es - wenn man wirklich ein par wochen und nicht ein par Minuten investiert - eine Überlegung wert sein was eigenes zu machen. Sooo viel mehr Arbeit ist es nicht, schließlich bekommst du ja bei d20 auch nicht alle Spielwerte für die Ausrüstung, Fahrzeuge und Waffen in deinem SciFi Setting mitgeliefert, du mußt dich intensiv damit auseinandersetzen und alle deine Ideen in dieses System quetschen...
Selbst meine aus dem Ärmel geschüttelte B5-Arkana-System-Lösung kam nicht in ein paar Minuten heraus. Aufgeschrieben waren die Arkana schnell, aber die Überlegung, welche dafür typisch, bedeutsam, stimmig für den B5-Hintergrund sein könnten, das dauerte (on and off) Wochen(!).
Außerdem: vielleicht WILL ich ja lieber KEINE Arbeit in das Regelsystem-Neukonstruieren stecken, wenn ich mit der (von mir aus auch sehr kurzen) Zeit, die das kosten würde, stattdessen bereits mit meine Freunden spielen könnte?
Und ob ich bei D20 nun ALLE Spielwerte für Fahrzeuge etc. gleich mitgeliefert bekomme, oder mir im laufenden Spiel für eine Buckboard-Kutsche etwas aus den Fingern saugen muß, weil die eventuell nicht im Regelwerk drin steht, das ist doch ein völlig anders gelagertes Problem, als wenn ich DIE GESAMTEN REGELN FÜR FAHRZEUGE SAMT WERTEN SELBST AUSDENKEN, AUFSCHREIBEN, SPIELTESTEN, ÄNDERN, SPIELTESTEN, UMSCHREIBEN, SPIELTESTEN, KLARER FORMULIEREN, SPIELTESTEN, IN FINALER FORM AUFSCHREIBEN muß, oder? - Bei D20 weiß ich wie man mit Fahrzeugen im Allgemeinen umgeht, ich weiß was Bewegungsweiten sind, wie sich die bei Kutschen, Motorrädern, Starfuries in das gesamte Bewegungsregelkonzept einfügen. Wenn ich jetzt einen Pogo-Stick, ein paar Stelzen, ein Kinderdreirad mit Werten ausstatten müßte, so habe ich anhand des getesteten und soliden Regelwerks eine Basis, auf der ich aufsetzen kann, wenn ich mir Werte für ein paar eventuell mal notwendiger eigener Fahrzeuge überlegen kann. Aber das ist zeitlich immer noch VIEL SCHNELLER, als sich das gesamte Bewegungskonzept, zu dem ja auch die Bewegung in Kampfrunden und damit also auch das gesamte Kampfsystem gehört, selbst überlegen zu müssen.
Man kommt durch die vielen Abhängigkeiten der Problemstellungen (siehe das Beispiel Fahrzeuge) kreuz und quer im Regelwerk herum: Fahrzeuge - Wie lerne ich sie zu fahren/bedienen? Lernsystem. Wie fahre ich damit? Fahrzeug-Regeln. Wie fahre ich in Kampfsituationen damit? Kampfregeln. Wie kann ich ein Fahrzeug beschädigen. Schadensregeln (Gegenstände). Wie kann ich ein beschädigtes Fahrzeug reparieren? Heilungs/Reparaturregeln. Was kostet ein Fahrzeug? Geldsystem/Kaufkraftregelungen. Welche Zauber/PSI-Kräfte/Weird Science Powers wirken auf Fahrzeuge? Magieregeln. Gibt es magische Fahrzeuge? Regeln für magische Gegenstände. ... Oje, das hört ja fast nicht mehr auf.
Ich glaube, allein ausgehend vom Fahrzeug ist man schon länger als zwischen zwei Rasuren beschäftigt (und nein, ich trage keinen Bart).
URPG schrieb:
Gute Spielleiter und Hausregeln sind keine Ausrede dafür das ein Grundsystem einfach riesen Probleme hat, überaltert ist und es wie ein blutiger Schwamm andere Spiele überwuchert und in sich aufsaugt...
Dann mal der Reihe nach:
Was sind Deiner Meinung nach die Riesenprobleme? Du gibst in Deinem Einstiegsbeitrag in diesem Thema folgendes an:
- es benutzt immernoch Spielbretter und 5 und 10 fuß schritte, was es mehr zu nem Brettspiel macht und sehr verwirrend ist wenn man es mal ohne Brett versucht zu spielen.
Dir ist schon bewußt, daß Du hier als Kritikpunkt etwas angibst, was EIN RIESENHAUFEN anderer Regelsysteme wie GURPS, Midgard, etc. ebenfalls tun: sie verwenden im Kampfsystem für die taktische Darstellung als EINE Option den Kampf durchzuspielen Karten, "Battlemats", Zinnfiguren, etc. - Und was ist jetzt bei D20 so schlimm daran? Den Kuddelmuddel in der Art "Ich stürme aus dem Raum da vorne und greife den Gegner an." "Aber Du hattest doch gerade erst ein Stockwerk höher in der Bibliothek gesucht, da kannst Du in der Kürze der Zeit nie mitbekommen haben, was da ein weitläufiges Stockwerk unter Dir vorgeht und Du bräuchtest selbst mit 100m-Weltrekordgeschwindigkeit mindestens 2 Minuten, bis Du in den Kampf eingreifen kannst." oder "Ich zaubere ihm eins über!" "Er sticht Dir seinen Speer in die Kehle, dein Zauber ist im Arsch!" "WAS!!! Aber ich DACHTE der Typ wäre noch 40 Schritt weg von mir???" den kann man mit Figuren und Karten bestens vermeiden.
Ich hatte neulich bei Unknown Armies den Einsatz von Karten und eine striktere Rundeneinteilung im Kampf schmerzlich vermißt, da es nämlich bei solchen durch ein Stockwerk getrennten Situationen zu zeitlich völlig unlogischen, völlig unstimmigen Vorgängen kam, wie, daß im unteren Stockwerk eine Kampfaktion gleichzeitig mit einer Nichtkampfaktion im oberen Stockwerk begann (gleiches auslösendes Signal) und die Kampfaktion war binnen einer Minute mit mehreren Leichen beendet, während oben Aktionen abgingen, die im schnellsten Falle eine halbe bis dreiviertel Stunde Zeit beanspruchten, die Charaktere im unteren Stockwerk aber solange "on hold" waren, bis die im oberen Stockwerk zu Potte kamen. Toll, wenn man keine Karte, keine tauglichen Bewegungsregeln und keinen Überblick mehr hat, wer jetzt wo was mit wem gemacht hat. Sehr erzählerisch dicht, wenn sich der, der am schnellsten und lautesten die Klappe aufreißt mit seinem Charakter von einem Ende eines Wohnblocks zum anderen "beamen" kann, weil keiner mehr blickt, wer wo stand und wie lange das eigentlich dauern würde. (Das war übrigens mein bislang einziger Minuspunkt bei den UA-Erlebnissen. Das mag an der Spielerkonstellation und am Spielleiterüberblick in der Situation gelegen sein, aber es wäre nie so unstimmig geworden, wenn man Kartenmaterial eingesetzt hätte.).
Wir spielen Midgard, D&D, GURPS, Savage Worlds mal mit, mal ohne Karten (tendenziell jedoch zumindest mit einer groben, nicht mal zwingend maßstabsgetreuen Skizze, um eine Verwirrung, wie oben beschreiben, zu vermeiden). Wenn es wichtige Auseinandersetzungen sind, wenn viele SCs und NSCs beteiligt sind (z.B. 8 SCs, 32 NSCs auf SC-Seite, 130 generische SCs), dann verliert man nämlich sonst leicht den Überblick. Für Shootouts im Old West hingegen, wo nur zwei oder ein Handvoll Gunslinger mehr beteiligt sind, da sind Karten nicht immer notwendig. Augenmaß beim Einsatz solcher Mittel ist etwas, das jeder Spielleiter hat. Mir ist noch keiner untergekommen, der meinte, daß das Spiel mit Figuren und Karten unübersichtlicher, schlechter zu handhaben, unklarer, taktisch eingeschränkter gewesen wäre - jedenfalls keiner, der die von D20 (und anderen) unterstützte Spielweise GEWOLLT hat.
Wenn ich free-flying fighting action haben will, dann spiele ich gerne nach Engel-Arkana-System, da mir hier die Spieler ALLES erzählen können. Warum? Weil hier nicht das taktische Moment, sondern die Spannung der Schilderung durch den Spieler im Vordergrund steht. Und das ist es, was ich in diesem Spiel möchte (und weshalb ich Engel auch nie nach D20-System spielen würde).
Wenn ich Massenkämpfe mit vielen SCs/NSCs SCHNELL(!) durchspielen will, dann nehme ich Savage Worlds. Die Regeln sind einfach, haben ihre Wurzeln in Deadlands und The Great Railwars Tabletop und kommen daher mit immensen Mengen an Figuren ohne Problem klar. Wenn ich das will - wie beim B5 GROPOS Thema - dann nehme ich das.
Wenn ich überkandidelte Special Effects Action in meiner Fantasy will, dann nehme ich HeroWars/HeroQuest. Ohne Karten, nur mit abstraktem Konfliktlösungsmechanismus entfaltet sich hier eine erzählerisch bestimmte Konfliktauflösung, die aber trotzdem mit den (im Gegensatz zu Engel-Arkana) quantifizierten Resourcen sinnvoll umgehen muß (also eher strategische denn taktische Komponenten hat).
- es benutzt das gebräcuhliche stop-and-go initiativesystem das viele andere Spiele auch seit ich weiß nicht... 30 Jahren? benutzen mti all seinen Nachteilen
Welche Nachteile sind das? - Ich meine, wenn diese Art von Initiative-System seit über dreißig Jahren eingesetzt wird, dann könnte es daran liegen, daß dies der Fall ist, weil es FUNKTIONIERT. Schon mal daran gedacht?
Wir haben solche Initiativsysteme, Zeitstrahlsysteme, Systeme OHNE jegliche Initiative gespielt. Jedes hat Stärken und Schwächen. Es kommt halt immer darauf an, was man will: will man wenig Verwaltungsaufwand bei der Koordination, dann ist ein Zeitstrahlsystem gewiß keine gute Wahl. Will man echte zeitgleiche Handlung ermöglichen (warum, sollte man sich mal überlegen, braucht man das) dann ist ein typisches Anordnen nach Initiativbestimmung nicht das, was man haben will. Manche Systeme (z.B. Midgard) bieten ja zwei Arten von Initiativ-Systemen parallel an: das eine, übliche für "normalwichtige" Szenen, das andere, weitaus detailiertere (Sekundengenaue!) System, welches wesentlich langsamer zu spielen ist als das übliche, für Szenen, bei denen es nach Einschätzung der Spieler und des Spielleiters schon einen Unterschied machen würde, ob eine Sekunde hin oder her zwischen den Aktionen liegt (das ist ein beinahe Zeitstrahl-System).
Hier wieder die Frage, die sich mir z.B. beim Durchlesen der Mondagor-Zeitstrahl-Initiativ-Tabelle stellte: wann bricht dieses System vor Verwaltungsaufwand für den Spielleiter zusammen? Bei wievielen SCs und NSCs, die auch noch mehr als nur "ich hau drauf"-Aktionen veranstalten wollen? - Ich habe in puncto Skalierbarkeit von Kampfsystemen Savage Worlds reichlich auf Herz und Nieren geprüft und es scheint in diesem Bereich. Wenn ich also weiß, daß ich ein hochskalierendes System brauche, dann nehme ich eben was anderes, als wenn ich ein überhaupt nicht skalierendes System benötigen werde (z.B. bei Cthulhu, wo Massenkonflikte von x SCs gegen Hunderte NSCs nicht zu erwarten sind).
D20 skaliert ganz gut und man kann als SL immer noch den Überblick behalten. Works for me, but YMMV.
- Gesinnungen sind doof. Das ist *die* Möglichkeit sich nicht mit so einem Mist wie einer Charaktergeschichte, inneren Konflikten oder Charakterentwicklung auseinander zu setzen. Der SL schaut auf die gesinnung und kennt die grundeinstellung des Charakters, seine Motivation, etc. L-Z würde ich sagen (langweilig-zueinfach)
Hier geht es um D20, nicht ausschließlich um D&D! - Babylon 5, Engel, Sidewinder, ... haben KEINE Gesinnung/Alignments. Was ist also das Problem? Daß bei D&D in den typischen D&D-Settings diese grobe Einteilung des Wertesystems der Charaktere verwandt wird? Die kann man sogar in D&D weglassen, ohne wirklich viel Arbeit damit zu haben. Die Frage ist aber, was macht es aus? Charakterentwicklung? Innere Konflikte? Ja, das geht in D&D verdammt gut. Habe ich nie anders kennengelernt (und ich meine damit das D&D was damals nur Lawful, Neutral und Chaotic kannte - also KEIN Good oder Evil! - AD&D hatte dann noch die Längsachse eingeführt, so daß es von Lawful Good bis Chaotic Evil die inzwischen allseits bekannten Alignments gab.).
Wenn Dir das zu einfach ist, dann solltest Du überlegen, ob nicht mit gleicher Berechtigung anderen das so einfach ist, wie sie es haben wollen. Nicht jeder Spielleiter will mit seinem SC eine Psychoanalyse des Charakters durchführen müssen (wie das bei Engel manchmal der Fall ist *seufz*). Nicht jeder, der heroische Fantasy nach D&D-Art spielen will, möchte seine "Szenen einer Ehe", "Angst essen Seele auf", "Bleierne Zeit" Geschichten durchspielen. Oftmals REICHT es für einen überzeugenden Charakter, wenn man ihn mit einem Verhaltensklischee belegt. Gute Güte: Risus benutzt NUR Klischees wie "Edelmütiger Paladin", "Verschlagen-hinterhältiger, treuloser Dieb", etc. Das sind zwar nicht nur die klassischen neun Alignments, aber solange in der heutigen Zeit Personalabteilungen sich Berater ins Haus holen, die ihre Mitarbeiter und Potentialträger nach den neun Enneagrammen vom Persönlichkeitsprofil her über einen von neun Kämmen scheren, solange würde ich hier bei einem nicht reale Arbeitsplätze bedrohenden Spiel die neun Alignments als völlig unproblematische und - da selbst auszuwählen - sogar fairere Methode ansehen, als das, was in deutschen Personalabteilungen so abgeht.
Wenn Dir lieber alignmentlose Settings liegen, dann such Dir doch ein D20-Setting OHNE Alignments. Das sind eh VIEL mehr, als die mit Aligment.
- Klassen sind doof. Wenn mein Kämpfer (ich sage jetzt nicht krieger, muß ja nicht D&D sein) mit der Gruppe ein stadtabenteuer spielt, türen aufstemmt, ein rätsel lößt, den hof besucht und höfische manieren lernt wenn er vom König letzenendes belohnt wird steigt er ein level auf, bekommt bessere kampfwerte, mehr trefferpunkte und darf seinen wert in tiere trainieren steigern. Toll, paßt sehr gut.
Oder er lernt einen Level in Städtischer Höfling mit Klassenfertigkeiten Tanzen, Höfische Manieren, Türen aufstemmen, Essen ohne zu kleckern und dem Feat "Men in Tights", um die engen Klamotten bei Hofe tragen zu können.
Klassen sind doof - das ist eine sehr persönliche, sehr berechtigte Meinung, aber kein Fehler des D20-Systems, sondern nur etwas, was Du persönlich nicht magst. - Kann Dir nachfühlen. Ich finde für viele Settings, und für die Art, wie ich darin spielen will, Klassen unpassend, unnötig, unstimmig. Und für andere wiederum passend, stimmig und gewollter Identifikationsfokus für den Spieler. Wenn ich mir die "Klassen" in D20 Modern anschaue mit "The Strong Hero" "The Charismatic Hero", dann finde ich diese viel farbloser, als "Cattle Rustler", "Maverick", "Tin Star" - unter denen kann man sich sofort etwas vorstellen (die Klischees von Risus kommen hier einfach in einem etwas komplexeren Regelumfeld zum Tragen, aber es sind im Prinzip dieselben Klischees). Wenn ich ein Setting habe, welches sich als definierenden Bestandteil bestimmter, typischer Klischees/Klassen bedient, dann sind Klassen für mich völlig in Ordnung. - Wenn ich aber etwas weniger strikt typisiertes als Setting zu spielen vorhabe, dann mag ich keine Klassen, oder ich überlege mir zumindest, wieviel an der einzelnen Klasse hängt (z.B. in Midgard die Lernkosten, aber ansonsten recht wenig).
- Stufen sind doof. Am Anfang wird der durchschnittliche konsti, schlecht gewürfelt magier mit einem einzigen Biß von einem Eichhörnchen getötet, auf höheren leveln hällt man es auch mal aus wenn einem ein Drache beide Arme abbeißt, man ist ja zäh.
In einem - trotz der Fülle - eher abstrakten, heroischen Kampfsystem, wie dem von D20 ist bei 2 Hitpoints ein Treffer von 4 Punkten Schaden gleichbedeutend mit dem Killerkaninchen, welches einem den Kopf abbeißt. Und bei 120 Hitpoints hat ein erfahrener Charakter genug Tricks und Kniffe gelernt, daß ihn ein Treffer mit 40 Punkten schon ernstlich fordert, aber er ENTGING ernstem Schaden. Die vielen Hitpoints sind in etwas das, was andere Systeme mit Chips, Bennies, Heropoints, Dramapoints etc. versuchen: es sind Regelungen, die es erlauben, daß ein Charakter, der für die Geschichte wichtig ist, länger überlebt, als ein unwichtiger Charakter. Mehr Hitpoints heißt einfach mehr Ausdauer zum Ausweichen etc. Irgendwann ist die verbraucht. Und wenn ein Drache einem Charakter mit 20 von 120 Hitpoints für 40 Punkte Schaden reindrückt, dann ist das wohl das Ausreißen beider Arme - und das überlebt auch der Erfahrene nicht.
Vielen ist D20 nicht tödlich genug, nicht blutig genug. OK. Wozu gibt es die Varianten, bei denen zwischen Lifeblood und Hitpoints unterschieden wird (so ähnlich wie bei Midgard Lebenspunkte und Ausdauerpunkte)? Geschmackssache. Sache der Härte des Settings. Wie oft will man die SCs ins Gras beißen lassen? Oft? Dann weniger HPs und gefährlichere Waffen (wie bei B5 D20 der Fall). Oder nicht so oft? Dann sind HPs = Grit und CON = Lebenspunkten und im Shootout verliert man erstmal Grit (einem wird durch den Hut geschossen, eine Kugel prallt vom Sherriff-Stern ab etc. bevor einem kein Schutzengel der Welt mehr die Kugel mit dem Namen drauf vermeiden hilft - oder der Gegner landet einen kritischen Treffer und man fängt die Kugel mit den Zähnen - nachdem sie den eigenen Hinterkopf durchschlagen hat. Rest in Pieces.
Stufen sind doof ist Geschmackssache. Nicht Deiner. Nicht immer, aber ab und an meiner.
- Das magiesystem ist genauso veraltet und träge wie das Initiativesystem, unpraktisch, unflexibel und preßt magieausübende in feste schemen.
Ähm, da ja jetzt gerade Unknown Armies so hochge"hype"t wird: ich finde, die Magieübenden in UA sind ja in noch VIEL engere Schemata gepreßt als man es in D&D je getan hatte. Als Narcomancer muß ich lauter Zeugs vor dem Einsatz vorbereiten und bin deswegen immer so unflexibel. Und trotzdem habe ich kein Problem damit. Warum? Weil es in dem Hintergrund bei UA begründet ist, daß es so ist, wie es ist. Ich lebe damit, weil es paßt.
Und bei D&D: Wizards sind die alten Magic-User und so wie sie schon immer waren. Sorcerer sind flexibler, um den Wünschen der Spieler nachzukommen. Beide haben ihre Berechtigung in den typischen D&D-Settings. Und wo es andere Magiearten gibt, da wird D20 auch anders damit umgehen (Blue Rose z.B.).
Würdest Du eine typische D&D-Spielwelt bespielen wollen, wenn darin z.B. das Earthdawn-Magiesystem zum Einsatz käme? Oder das von HeroWars/HeroQuest? Oder das (eines) von GURPS?
Du sprichst von "veraltet", doch ist das Magiesystem von Midgard/Abenteuer in Magira mit 1977 auch steinalt oder RuneQuest oder Travellers Psionik-Regeln. - Und funktionieren tun sie aber alle immer noch. - Und von Horden uninformierter Do-It-Yourself-Rollenspiel-"Innovatoren" werden sie auch immer noch kopiert. Ich kann bei der Eigenschaft "altbewährt und oft kopiert" nichts Problematisches entdecken.
- Das system ist alles andere als universell. In diesem und jenem Setting werden die Trefferpunkteregeln verändert, hier und da wird ein anderes Magiesystem mit punkten eingeführt, etc.
Ja. So wie bei FUDGE oder GURPS oder... ECHTE Universalsysteme KANN es grundsätzlich nicht geben (siehe dazu den entsprechenden Beitrag hier im Forum - für einen Link bin ich grade zu faul). Also müssen alle mit mehr oder weniger Aufwand angepaßt werden. Ein Abnäher hier, etwas kürzen da, hier noch eine Tasche annähen - dann paßt doch alles. - Und diese Anpassungsarbeit ist ja das, was einem die Autoren von D20-Adaptionen abnehmen sollten (und manchmal nicht so recht schaffen). - D20 hat im Gegensatz zu anderen Systemen ja nicht einmal den Anspruch erhoben Generisch und Universell zu sein (GURPS hingegen schon). D20 wird für jede Adaption angepaßt. Unisystem von Witchcraft, All Flesh Must Be Eaten, Buffy, Angel, etc. ja auch. GURPS auch. Sovereign Stone auch. Fuzion auch. - Das ist augenscheinlich ganz normal. Was soll man sich also darüber aufregen, wenn dieses Anpassen auch alle anderen auf mehr als einen Hintergrund übertragenen Systeme gemacht haben?
Das sind nur mal die groben Fehler drin, der ganze kleinscheiß, regellücken und über und unterpowerte klassen mal weggelassen...
Ja, gegen den "kleinscheiß" helfen Hausregeln als Bugfixes - wie in JEDEM anderen Rollenspiel auch.
Dazu kommt eine verheerende geldmacherei. Eine 3.5te Edition? Das man alle Bücher neu kaufen soll? Nur weil ein par begriffe geändert wurden? Und das ncihtmal eine bessere Edition, denn so viele Regellücken wie man notdürftig mit stroh gestopft hat, so viele neue hat es aufgerissen.
Stimmt. - Wie war das mit der New World of Darkness? Ach, das war dann wohl aus karitativen Gründen eine Neuauflage - oder besser ein zweiter Aufguß desselben ausgelutschten Teebeutels? Aber D&D ist ja böse (chaotic evil), weil es so bald nach viel Feedback von Spielern eine Neuauflage herausgebracht hatte, nicht wahr? - Und Feder&Schwert ist gut, weil sie Engel eine Engel 2.0 Fassung mit z.T. wesentlich geänderten INHALTLICHEN, also das Setting betreffenden Punkten veröffentlicht haben, oder?
Meine Güte! Was meinst Du, warum Rollenspielverlage ihre Produkte vertreiben? Um Geld zu machen.
Wenn man sich die Zahl der überflüssigen Splatbooks zu allem und jedem anschaut. Die Neuauflagen von Midgard, Shadowrun, DSA, World of Darkness, etc. - Was meinst Du, sind die alle gleichschlimm? Was ist für Dich der akzeptabele Anteil an neuem Material, oder an geänderten Regelungen, der für Dich eine neue Auflage als gerechtfertig erscheinen läßt?
Ich finde es fatal das jede Menge eigentlich gute Spiele oder zu mindest gute Settings in ein so mieses, lückenhaftes und ohne Hausregeln nicht zu spielendes System gequetscht werden. Da kann einem selbst wenn man das Setting sehr mag die Lust vergehen oder gar nicht erst aufkommen...
Wenn Du das Setting gut findest, dann kannst Du ja immer noch von den Setting-Informationen in einem D20-Produkt profitieren. Bei Babylon 5 ist das kein Problem. Das klappt prima.
Aber was meinst Du mit "eigentlich gute Spiele"? Meinst Du damit z.B. Cthulhu D20? Da wird ja das eigentlich gute BRP-basierte Call of Cthulhu in ein D20-Regelwerk "gepreßt". (Übrigens ist gerade das BRP von Cthulhu ein Regelsystem, dessen Methusalem-Alter man deutlicher merkt als alles D20-basierte.)
Wenn Dir die Lust garnicht erst aufkommt, dann zwingt Dich ja niemand etwas zu kaufen oder gar zu spielen.
Wenn Dir die Lust vergeht, dann bastel Dir doch selbst ein System. Das geht ja - Deinen Aussagen zufolge - mal schnell an einem Nachmittag oder zweien. Wenn Du so schnell neue Systeme aus dem Boden stampfen kannst, daß Du alle Deine Lieblingssettings damit spielen kannst, dann brauchst Du ja NICHTS von D20-Produkten zu kaufen. Dann bist Du ja glücklich und D20 kann Dir am Arsch vorbeigehen ohne Dich aufzuregen oder Dich zu ärgern.
Zu Deinen anderen Punkten:
Warum soll D20 "überaltert" sein? Woran machst Du das Alter fest? Am Erscheinungsdatum der Regeln, oder daran, daß es schon 1974 ein Rollenspiel mit dem Namen Dungeons&Dragons gab oder an was anderem?
Was meinst Du mit "wie ein blutiger Schwamm andere Spiele überwuchert"? Hast Du ein Beispiel dafür, daß WEGEN D20 als Regelsystem ein anderes Rollenspielsystem verändert oder gar eingestellt wurde?
Was meinst Du mit "in sich aufsaugt"? Meinst Du damit, daß in D20 Regelideen anderer Rollenspiele assimiliert wurden? Oder sind andere Rollenspiele vom Markt genommen worden, um in die Regelbasis von D20 aufgenommen zu werden? Oder was für konkrete Fälle schweben Dir sonst vor?