AW: Cyberpunk RELOADED 2.0.3.5.
Auf
cyberpunk 2032 gibt's was Neues, nämlich Infos zu den letzten 2 Modulen der Gruppe. Inklusive dem Fast-TPK (1 Überlebende) am Ende des gestern abgeschlossenen Abenteuers "ASHES".
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Realstart/Ende: 2007-05-15 bis 2007-11-04
Spielstart/Ende: 2035-05-15 bis 2035-05-18
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- I n t r o -
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Konzernstadt Night City,
California Nordsektor, ISA
P a t t y
Night City schmilzt in der Hitze des Frühsommers 2035. Hier draußen, außerhalb der klimatisierten Räume von Trauma Team, merkst du es wieder. Spürst die verzehrende Sonne, die drückende Schwüle, die aus den austrocknenden Kanälen der Stadt in die Straßen steigt.
Zehn Stunden Arbeit liegen hinter dir. Vier Stunden Mobiler Einsatz, drei Stunden Aufnahme – Kreislaufzusammenbrüche, Hitzschlag, überhitzte Implantate, meist – zum Schluss drei Stunden Bereitschaft und Büro. Anschließend abduschen – Luxus! – dann in die Zivilklamotten, und ab nach draußen.
Dein Kopf ist noch halb bei der Arbeit, halb in der nächsten Bar und bei einigen Burritos, deshalb entgeht dir der schwarze Sedan, bis er mit aufsurrendem Motor neben dich zieht. Du stoppst, alarmiert. Er hält an. Die hintere Seitentür öffnet sich selbsttätig. Halbdunkel hinter schattierten Scheiben. Eine weibliche Gestalt.
„Darf ich Sie zu mir in den Wagen bitten? Ich habe Ihnen ein Angebot zu unterbreiten“.
(...)
Die Person im Wagen ist Asiatin. Und eine reichlich traditionelle offenbar. Das Gesicht ist weiß getüncht, mit einer kunstvollen Bemalung – kein Implantat – im Kabuki-Stil, dem Stil der Japanischen Oper, der aktuell sehr en vogue unter Night Cities japanischer Elite ist – und das stark mit dem körperbetonten lackschwarzen Catsuit der Asiatin kontrastiert.
„Sie haben vor nicht allzu langer Zeit eine Mitarbeiterin des NCPD kennen gelernt, für die sie einige sagen wir ‚Privatermittlungen’ durchgeführt haben.“
„Nun, besagte Person hat offenbar in jüngerer Zeit den Hang dazu entwickelt, sich außerhalb ihrer geregelten Arbeitszeiten mit nicht ganz ungefährlichen Erkundigungen zum Tod ihres Partners zu beschäftigen. Was es leider jenen, die mit dem Erhalt ihres Wohlergehens beauftragt sind, schwierig macht, ihrer Pflicht nachzukommen.“
Sie wendet sich ab, blickt in die vorbeiziehenden Lichter des Expressways. Ihr fahrt südwärts auf den Gibson, deiner Wohnung zu.
„Sie können uns helfen, die betreffende Person vor sich selbst zu schützen. Ohne, dass sie etwas davon erfährt. Die junge Dame hält sehr viel auf ihre ‚Selbständigkeit’, und es ist ihr offenkundig egal, wie respektlos dies gegenüber ihrer Familie ist. Jene hofft weiterhin, dass sie eines Tages zur Vernunft kommen wird – aber damit dieser Tag kommen kann, muss sie ihn auch erleben.“
„Soweit es ihre Arbeit bei der Polizei betrifft, ist für sie gesorgt. Sie wird abgeschirmt und von gefährlichem Fronteinsatz – für den sich das Kind immer wieder bewirbt – ferngehalten. Das hat sehr gut funktioniert. Aber nun genügt das nicht mehr.“
Sie wendet sich dir zu, blickt dir direkt in die Augen
„Sie sucht außerhalb des Departments nach ihren Kicks. Und verkennt, in welcher Gefahr sie bei diesen ganzen Verrückten und dem Abschaum da draußen schwebt. Ich beauftrage Sie damit, das Kind zu behüten. Und im Falle, dass sie Schaden nimmt, ihre medizinische Versorgung zu übernehmen, bis professionelle Hilfe geschickt werden kann.“
Sie greift in die Innentasche ihrer Jacke, zieht eine graue, unbeschriftete Karte hervor und gibt sie dir.
„Dies ist eine Notrufkarte, die direkt mit dem medizinischen Notdienst der Familie verbunden ist. Ihre Aufgabe ist es, das Kind vor Schaden zu bewahren, es im Falle, dass sie versagen, zu stabilisieren und diese Karte zu zerbrechen, damit Hilfe geschickt werden kann. Darüber hinaus haben Sie Stillschweigen zu dieser besonderen Vereinbarung zu wahren, und die medizinische Versorgung anderer Personen zurückzustellen. Sie sind nun ihre Leibmedizinerin.“
Sie blickt wieder in die vorbei gleitenden Lichter.
„Mit Ihrem Arbeitgeber ist die Angelegenheit geklärt. Sie sind von uns auf unbefristete Zeit gebucht und uns ausgeliehen worden. Wir hätten Sie auch übernommen, glauben aber, es ist für Ihre Tarnung gegenüber dem Kind besser, Sie behalten offiziell ihre Tätigkeit bei Trauma Team bei. Auch Ihr Gehalt beziehen Sie weiter via Trauma Team. Ich bin ermächtigt, Ihnen eine monetäre Vergütung in Höhe von plus einem Viertel Ihres bisherigen Einkommens zu gewähren, zuzüglich einer ARASAKA IdentiCard für Angestellte. Ihr Angestelltenverhältnis ist Ihrerseits unkündbar und wird anhalten, bis die junge Dame zur Vernunft gekommen ist und eine leitende Tätigkeit für die Konzernsicherheit Ihres Hauses angenommen hat, oder bis Sie sich als inkompetent für die Ihnen gestellte Aufgabe erwiesen haben, in welchem Fall unser Verhältnis terminiert wird.“
Draußen gleiten die Trassenleuchten des Gibson Expressway vorbei. Der Sedan überholt ohne Eile einen aus 6 miteinander verlinkten Wagen bestehenden Road Train von Dionysos Industries. Sie dreht sich wieder zu dir um:
„Herzlichen Glückwunsch. Haben Sie noch Fragen?“
(...)
"Yoroshiku onegai shimasu – Ja mata"
M a v e n
Venedig. Jede Stadt hat ihren Bezirk, der durch die den Steinbrocken fallenden Wellen vom Meer überspült wurde.
Vom alten Seagull’s Cradle vor Night City sind nur noch in den Himmel ragende Skelette übrig. Schief im gelben Meerschaum stehende Ruinen. Das neue Venedig der Stadt reicht nun 6 Kilometer in die Weststadt hinein, und noch am Elm’s Park steht das Wasser bei Flut knöcheltief.
Du erwachst. An der schimmeligen Decke über dir tanzen Reflektionen von Wasser. Wasser, das unter dir, Stockwerke unter dir, am Grund des Treppenhauses gegen moosige Teppichstufen schwappt.
Es ist Stunden her, dass du das letzte Mal das Fauchen der AV Motoren gehört hast. Schließlich haben dich Erschöpfung und die abklingenden Adrenalin-Booster schlafen lassen.
Du setzt dich auf. Der Gang im vierten Stock des Restes eines einstigen Hotels ist so leer, wie du ihn vorgefunden hast. Die Wände sind von Graffittis übersäht. Irgendwo, weit weg, hustet jemand. Einer der Letzten, die in Venedigs Gebäuden Zuflucht suchen. Leute wie du. Auf der Flucht.
Das verebbende Adrenalin lässt Kopf- und Muskelschmerz zurück. Stickig ist es hier. Draußen ist die Sonne aufgegangen. Brennt aufs Wasser. Und in den Schluchten von Venedig steht der heiße Nebel verdunstender Schmutzwässer. Auch hier, im Treppenhaus, in das du dich in einer fernen gestrigen Nacht geflüchtet hast. Um den Greifern der BuReLoc zu entfliehen. Nachdem die Party am alten Ausleger, 2 Klicks von hier, gebustet wurde.
4 Bands – alle vom Network of Resistance – und rund 600 Fans. Kein Riesending. Nix, was die Aufmerksamkeit der High and Mighties hätte erregen müssen. Klar – kein Gig ohne Risiko – aber laut euren Infos – und laut Zusicherung von Two-Tone, dem organizing Fixer und Chef des Pyrate Blog Radio Streams PBRS, hätte die Location so weit off-interest sein müssen, dass Störungen extrem unwahrscheinlich wären.
Unwahrscheinlich. Fuck.
Die Greifer kamen im 4. Takt von Urban Hellfire – Sinas neuer Solo Dance Nummer. Du warst Backstage. Was Trinken. Kurzer Power-Nap vorm nächsten Set. Backstage. In diesem Fall hieß das: 100 Meter off, an Bord der SeaBlade, einem im Steinbrockenkrieg aus irgendeinem verwüsteten Yachthafen geklauten Jetkatamaran, dessen Pilot und Owner Booster seinen Namen nicht zu Unrecht hatte. Friede seinen Einzelteilen.
Hits des BuReLoc gegen Venice hatten Seltenheitswert. Und das nicht nur, weil die Harbor Police chronisch underfunded war und insofern wenig Amtshilfe leisten konnte. Diesmal aber kamen sie mit allem, was das Bureau aufbieten konnte. Zu Wasser und zur Luft. Und – soweit du es mitbekommen hast – mit Hilfe von Sabotage oder einer gekauften Gang vor Ort, denn außer der SeaBlade hatte es kaum ein Schiff vom Anlegesteg weg geschafft.
Du reibst dir die Augen, prüfst deinen Körper auf Blessuren, die du vor lauter Adrenalin noch gar nicht mitbekommen hast. Dein Bein schmerzt und ist so blau, dass es schon schwarz aussieht. Du bist ganz schön herumgeschaukelt worden, als Booster die SeaBlade mit dröhnenden Jet Turbinen über die Wellenkämme, durch überflutete Straßenzüge, durch eine überflutete Mall, kreischend über ein flaches Trockendach, gischsprühend durch aufspritzende MG-Garben jagte.
Deine Handgelenke sind noch taub vom Kickback vibrierender Gun-Griffe, mit denen du versucht hast, die euch jagenden, dicht über das Wasser flitzenden, überraschend von oben hinabjagenden markierungslosen raketenbellenden Spinner abzuknallen – oder zumindest auf Distanz zu halten.
Du weißt nicht, wann Booster genau erkannte, das Spiel verloren zu haben – jedenfalls jagte er in ein halb überflutetes Parkhaus, schrie dir zu, dass du abspringen solltest, und raste danach mit schreienden Turbinen in die Nacht. In die Richtung, aus der wenig später ein Feuerball emporstieg.
Der Rest der Nacht war ein Irren durch unbekanntes Gelände. Ab und an kamen nochmals Geräusche. Ein Spinner. Zweimal ein Hover, Küstenwacht. Auf der Suche nach denen, die geflohen waren. Und das würden nicht viele gewesen sein.
Booster hatte dir den Seefunk in den Helm gespielt, den er dir reichte. Ein alter Navy Helm mit Zielhilfesystem, ohne das du vermutlich keinen einzigen Schuss angebracht hättest. Du reibst dir die Schultern. Stehst auf.
Dem Seefunk der Nacht nach waren die meisten Jetbikes, Hover und Boote der Raver außer Gefecht gesetzt worden, bevor die Greifer kamen. Obwohl niemand so genau zu sagen wusste, wie oder durch wen. Ein EMP? Nein. Dann hätte die Bühnentechnik versagt.
SINA!
Sie stand auf der Bühne, als es passierte. Schaffte es nicht mehr zur Blade, ehe Booster den Kickdown machte und euch – dich, MC Baal, Lace, die Jungs der Rebel Clown Army, ein paar andere – rausbrachte. Vielleicht hat sie es irgendwie weg geschafft? Der Gedanke ist Unsinn, und du weißt es. Spürst es. Dass die BuReLoc sich ein paar Raver greift, ist Unfug. Vor allem deshalb, weil der Talk of Town sagt, dass die BuReLoc in Night City vor allem nach der Pfeife von MegaCon tanzt, um „sauberen“ Baugrund für die neuen Konzernzonen zu bereiten.
Also war die Brigade das eigentliche Target. Möglicher Weise auch nur die Pyrate Station. Institutionen, die daran ein Interesse haben, die letzten „freien Radikalen“ mundtot zu machen, gibt es leider genug. Und es ändert verfickt noch mal nichts an dem Fakt, dass Sina vermutlich tot oder von den Greifern geschnappt wurde.
Vorsichtig gehst du durch das Treppenhaus hinab. Sinkst ein in den weichen Spülschlamm, den Ebbe und Flut in die Lobby des Hotels geschwemmt haben. Spähst hinaus.
Die Sonne brennt hell vom Himmel. Schräg gegenüber, etwa 200 Meter die Strasser hinab, ragt das Parkhaus aus den Fluten, wo du abgesetzt wurdest. Du flippst dein Handy auf. Hast Empfang. Nicht viel, aber immerhin.
Ein Anruf bei Monarch, einem Ex-Runner für die Water Rats, wird dich von hier schon wegbringen. Dann: Erstmal zu Patty, nen Body Check machen lassen. Schlecht, sich in dem Siff hier was einzufangen. Oder nen Steckschuss zu haben, von dem man nix weiß, bis man zusammenklappt.
Zudem: Vielleicht hat Patty einen gut bei dieser Cop-Tusse. Auch wenn die ein kleines Licht ist – in die Reports der Nacht müsste die reinkommen.
Du bist Sinas einzige Chance jetzt. Keine Zeit für falschen Stolz.
Oder Hemmung, nen Cop-Kontakt zu nutzen.
(Coris Char)
Es waren nicht viele Leute bei der Farewell Zeremonie für Police Officer Warden Sigorsky. Du. Ein paar Kollegen. Captain Ikiata. Dr. Harrow nicht. Dafür seine Ex und ihre – seine – beiden Kinder.
Die Zeremonie war einfach. Ein neutraler, weißer Andachtsraum im Untergeschoss des Monolith Instituts, der Einäscherungsfirma mit Exklusivvertrag für NCPD Angehörige. Ein Priester, katholisch, auf Wunsch der Ex-Frau, Warden habe sich das gewünscht. Und als die Urne in Klappe Nummer 45337 verschwand, spielte dazu „Danny Boy“.
Du hältst Wardens Bild in Händen. Irgendeine Aufnahme, auf der er etwas debil grinsend in die Kamera winkt. Du hast gefragt, ob du sie haben kannst, als du seiner Ex bei der Auflösung der Wohnung zur Hand gegangen bist. Sie hatte nichts dagegen. Auch nicht bei den anderen Sachen, die du eingesteckt hast, alles in allem zwei Kartons zuzüglich des Krimskrams aus seinem Schreibtisch.
Natürlich hast du insgeheim gehofft, in dem Material noch irgend einen Hinweis zu finden. Ein Geheimfach mit einem Datenchip, der Wardens gesammelte Erkenntnisse über eine ominöse, riesige Verschwörung enthalten würde, der nur du dich jetzt noch entgegenstellen könntest.
Natürlich warst du dir klar darüber, dass das Quatsch ist. Wenn Warden etwas von irgend einer Verschwörung gewusst hätte – wofür oder wogegen auch immer – hätte er dir was davon erzählt. Oder es wenigstens mal angedeutet.
Nein, die Erkenntnis, dass Warden selbst keine weiteren Erkenntnisse hatte, dass sein Tod einfach nur ein „Death as usual“ war, bestürzend alltäglich, der Tod eines Cops, der den falschen Leuten in die Quere gekommen war, diese Erkenntnis war keine Überraschung gewesen.
Vielleicht gerade deshalb war dir so kalt geworden, als du den letzten Gegenstand des letzten Kartons (eine potthässliche Kitsch Mickey Mouse Tischuhr, herrjeh!) weggelegt hattest.
Jetzt ist es was? 6 Wochen später. Und die Sache – Wardens Tod, und all die im Sand verlaufenen Spuren – lassen dich immer noch nicht los.
Draußen surrt ein Spinner vorbei. Die Stadt flimmert in der frühen Sommerhitze.
Du hockst in Wardens Appartement. Leer. Fertig für den Neubezug. Der Facility Manager hat dich reingelassen. Was du hier suchst, weißt du selbst nicht so wirklich. Abschließen, vielleicht. Adieu sagen, vielleicht.
Auf deinen Knien liegt ein Laptop, mit allen Daten zu den Dingen, die dir im Kopf herumgeistern.
Da ist der Fall, an dem Warden zuletzt dran war. Ein Ring von Raubkopierern. Spezialisiert auf DMS Warez. Die Festplatte, die das japanische Hackerkid eingesteckt und an diesen Bishop gegeben hatte, der sie wiederum dir weiterreichte (vermutlich nachdem er und das Kid sich ihre jeweilige eigene Kopie gezogen hatte) enthielt praktisch nur Copies und Buffer Fragmente. Copy Scripts und Programme zum Copy Protect Hacken.
Laut Ansicht des Hacker-Kiddies war nur eine Sache an den enthaltenen Daten wirklich ungewöhnlich: Der große Anteil an Zero-Day Warez. Anhand der abgespeicherten Timestamps war abzulesen, dass ein ungewöhnlich hoher Anteil der Raubkopien direkt am Tag der Erscheinung des Originals oder recht dicht danach, in zwei Fällen sogar VOR Release der Originalversion erstellt worden waren.
Gerichtlich verwertbar waren diese Facts zwar nicht – jeder konnte Zeitdaten von Dateien beliebig auf einer Festplatte ändern – aber es war ein solider Hinweis dafür, dass die DMS Raubkopien ein „Inside Job“ waren, also die DMS Originals von einem DMS Mitarbeiter dem Raubkopierer Ring zugeführt wurden, möglicher Weise mit Codes und Spezifikationen, wie man den Kopierschutz umgehen könne. Möglicher Weise sogar direkt und unverschlüsselt, vor Aufspielen der Copy Protection.
Leider gab es keine weiteren Hin- und erst recht keine Beweise, die diesen Verdacht unterfütterten: Die Gruppe hatte beim Einstieg in die Schifffahrtskirche – die offenbar ein Copy- und Verteilungszentrum für die anderswo gecrackten Warez war – im Keller ein Feuer entzündet, das alle Beweise vernichtet hatte.
Was den Van betraf, sah es ähnlich deprimierend aus: Da die Gruppe losgelegt hatte, ohne sich mit dir zu koordinieren oder dir zumindest eine Nachricht des bevorstehenden Einstiegs zukommen zu lassen, hattest du nicht wie geplant den Van dingfest machen oder taggen lassen können. Da das Purgatory nun ausgebrannt war, hatte es für den Van keinen Grund gegeben, die betreffende Gegend erneut aufzusuchen, und die Besitzer desselben waren klug oder paranoid genug, ihn vor Abschluss seiner letzten Runde in einen von Night Citys Kanälen zu werfen, wo er dann später – völlig ausgebrannt – gefunden wurde.
Der Fall war nicht abgeschlossen, aber nach den Regularien gab es aktuell keine Begründung, ihn weiter aktiv zu verfolgen: Ein unmittelbarer Zusammenhang zu Wardens Tod war nicht zu konstruieren – auch nicht mit viel Fantasie – und trotzdem Zero-Day Raubkopien ein äußerst lukratives Geschäft waren, bestand hier kaum ein öffentliches Interesse: Eine Mail an DMS und deren CorpSec Abteilung wäre die einzige angemessene – und an dieser Stelle vorgeschriebene – Aktion. Womit der Fall für das NCPD abgeschlossen wäre.
Bleiben die Leichen in der benachbarten Fischfabrik. Natürlich wurde hierzu ein File geöffnet, und da die Vorfälle zu einer Zeit geschahen, da das Areal noch nicht Konzernzone war, fallen diese zu deiner Freude (und nach einiger guter Cop-Arbeit deinerseits) in NCPD Zuständigkeit.
Allerdings waren bisher trotz anfänglicher Euphorie alle Spuren kalt geblieben. Ein Zusammenhang zwischen den Leichenbeseitigungen und den Raubkopierern war außer auf Basis zufälliger Nachbarschaft nicht zu sehen, und die Identifikation der Genspuren von 3 der insgesamt wohl 25 Opfer als Angestellte von Net54 machten noch nicht DMS zum Täter, zudem 2 weitere selbst als DMS Angestellte identifiziert wurden.
Zudem es ohnehin unwahrscheinlich war, dass DMS „offiziell“ hinter der Sache steckte. Wenn, so deutete alles darauf hin – erneut: Ohne dass davon etwas beweisbar wäre – dass ein einzelner DMS Mitarbeiter – vermutlich im Management – sowohl hinter der Beseitigung von Rivalen als auch den DMS Raubkopien als „einträgliches Nebeneinkommen“ steckte. Vielleicht waren ihm die getöteten DMS Angestellten auf die Schliche gekommen. Vielleicht waren sie einfach im Weg gewesen.
Sei es wie es sei, die Ermittlungen steckten fest. Und das seit Wochen. Alles, was du hast, sind unbestimmte Gefühle – Cop Grips, hätte es dein Mentor genannt – und zwei offene Akten, von denen mindestens eine geschlossen und ans DMS Management geschickt gehört, wo sie möglicher Weise genau von dem Arschloch in Empfang genommen wird, der all das zu verantworten hätte.
Natürlich hast du das DMS Management durchkämmt, aber selbst der sorgfältigste Abgleich zwischen dem Zeitpunkt der Tode der in der Fabrik gefundenen Opfer(Reste) und der jetzt laufenden Raubkopie-Aktivitäten brachte keine Treffer: Es gab keinen Konzerner im Management von DMS Night City, der damals ebenso wie heute auf einer Position im Konzern gewesen wäre, das Vermutete auch getan zu haben.
Der einzige – oder wie es sich verhielt DIE einzige – die dir überhaupt aufgefallen war, war Hitumi Kituasa, die amtierende CEO von DMS Night City, und das auch nur deshalb, weil ihr Aufstieg innerhalb von DMS etwas bemerkenswert schnell gegangen war.
Andererseits war Miss Kituaras Aufstieg auf den zweiten Blick auch nicht soo auffällig, hatten sich DMS und Net54 Night City doch Mitte/Ende der 20er ziemlich offensive Gefechte geliefert, was auf beiden Seiten stets auch eine gewisse „Fluktuation“ (und Manager-/Producer-/Media-/Star-Sterberate) mit sich gebracht hatte.
Einige Momente vergehen. Dann drückst du auf SENDEN und überstellst den vorläufigen Abschlussbericht zum Fall der Raubkopien an DMS CorpSec. Sollen die sich damit herumschlagen, einen Verräter in den eigenen Reihen zu finden – würde der Bericht noch länger zurückgehalten werden, wäre es ein strikter und überaus nachweisbarer Verstoß gegen die Dienstordnung. Und würden sich neue Erkenntnisse finden, könnte der Fall neu aufgerollt werden.
Ein weiterer Klick, und das File über die Morde bzw. die Leichenbeseitigung in der Fischfabrik landet in deinem privaten TO DO Ordner. Plus Haftbefehl für den früheren Besitzer der Fabrik, egal, wie unwahrscheinlich es war, dass dieser noch in Night City oder in der Stadt auffindbar war.
Dann piepst dein Handy, und ein kurzes Telefonat später erhebst du dich, um einen IOU abzuzahlen. Ein letzter Blick, dann fällt die Tür zu Wardens Leben ins Schloss. Und die Wohnung bleibt leer zurück.
A l l e
Das Fiepsen ihres Handys ruft Patty aus dem Schlaf. Ein Blick auf die Uhr – 9:42 Uhr – viel zu früh angesichts der Tatsache, dass sie erst vor 5 Stunden ins Bett gegangen ist, wo sie trotz großer Müdigkeit erst sehr viel später Schlaf gefunden hat.
Das Fiepsen wiederholt sich. Sie erkennt es: Ein medizinischer Ruf, nicht von Trauma Team, sondern von einem ihrer „Privatpatienten“. Sie rafft sich hoch, kriecht mehr denn sie geht zum Handy (warum habe ich es bloß in der vermaledeiten Jacke gelassen, statt es mir neben das Bett zu legen, ich Idiot) und sieht aufs Display: Nummer unterdrückt. Na klar.
Kurz zögert sie, ob sie es einfach weiterbimmeln lassen soll. Dann klickt sie auf ABNEHMEN.
Maven ist dran. Erzählt ihr irgendeine obskure Story davon, dass er gestern einen Gig hatte, der vom BuReLoc gebustet wurde. Er sei auf dem Weg nach Night City (wo zum Geier ist er denn gerade?) und bräuchte wen, der sich seinen Körper anschaut. Nur zur Sicherheit.
Sauer darüber, wegen einer offenkundigen Nichtigkeit geweckt worden zu sein, schnaubt Patty ein „Geht klar“ in den Hörer, nur um Maven weiterreden zu hören, dass er sie weniger wegen seiner diversen blauen Flecken und den mördermäßigen Kopfschmerzen angerufen habe, sondern wegen Sina, seiner Partnerin (was für eine Partnerin? Diffuse Erinnerungen, sie mal getroffen zu haben, Sina Niocca, kurze schwarze Haare, damsls neu: weiße Flash Haarspitzen, traurige Augen) – er müsse wissen, was mit dieser sei.
Patty schlurft telefonierend zum Kühlschrank und fischt sich ein VitaWater heraus, trinkt und hört zu und murmelt noch immer nicht ganz klar, dass sie gerne die Krankenhäuser checken ... Nein, darum gehe es nicht – aber Patty soll doch neulich was mit diesem Cop, dieser Cop-Tusse zu tun gehabt haben, was, wo sie seine Hilfe hatte haben wollen, und er verneint habe, ob sie das getan hätte.
„Hör mal, Mave, ich weiß wirklich nicht, was das eine ...“
„Hast du oder hast du nicht?“
„Klar hab ich – haben wir – aber was ...?“
„Ihr habt keine Knete bekommen, oder? Stattdessen einen gut bei ihr, nicht wahr? So wie immer, oder?“
Er klingt ungewöhnlich verzweifelt. Und langsam dämmert ihr, was er von ihr will.
(...)
Es ist 2 Stunden später, als Maven und Patty die Tür zum Muffins & Mann durchschreiten. Die Bullizistin ist schon da, sitzt im Hintergrund, auf einer drei Stufen erhöhten Empore, die fast völlig durch eine Belustrade und irgendein grünes Plastik-Dingsbums, das wohl Farn oder so etwas darstellen soll, vom Rest des Raumes getrennt ist.
Ihr bestellt an der Theke und geht hoch. Maven humpelt etwas. Patty begutachtet hinter ihm gehend seine Bewegungen. Von wegen Kleinigkeiten. Sie würde ihn ordentlich durchchecken müssen. Wie kann man als Tänzer nur so sorglos sein...
(...)
„Um gleich zum Punkt zu kommen“ werdet ihr von der Polizistin in zivil begrüßt „Es gab keinen BuReLoc Einsatz in Venice gestern.“
Maven schnaubt misstrauisch: „Ach ja? Zufällig weiß ich da anderes.“
Ihr Blick bleibt kühl, ohne Regung. Patty interveniert: „Ist das sicher? Ich meine, dass es keinen BuReLoc Einsatz gab? Könnte es nicht sein, dass er nicht in die NCPD Datenbank eingetragen wurde?“
Sie nickt, widerstrebend: „Technisch gesehen könnte das sein. Das Bureau of Relocation ist kein Unit des NCPD. Und in der Diensthierarchie steht es was irgendwelche Räumungen angeht stets über uns. Im Regelfall erfahren wir von Operationen des Bureaus – oder sonstiger ISA Dienste, was das angeht – nur dann, wenn sie Amtshilfe anfordern. Sprich: Wenn unsere Jungs kommen sollen, um ein Areal abzusperren, Leute zusammenzutreiben oder einem Transportzug sicheres Geleit zu geben“.
Maven presst die Kiefer zusammen.
Sie senkt den Blick, entschuldigend: „Es ist nicht so, als würden unsere Leute diese Art von Einsatz gerne bestreiten. Nicht nur, weil es in der Regel schlecht vorbereitete Missionen sind und wir zu wenige Infos haben, die Einsätze schlampig geplant sind und auf NCPD Interessen keine Rücksicht nehmen. Auch die Rechtslage ist in den meisten Fällen schwammig, und es gibt mehr als nur ein paar bei uns, die gerne vorab prüfen würden, ob die im Eilverfahren erstellten Bescheide so wirklich völlig solid und legitim sind. Fakt ist aber: Solange das Bureau das GO des Gerichts hat, ist unsere eigene Ansicht irrelevant.“
„Was nun den Fall mit gestern abend angeht, so gab es natürlich BuReLoc Einsätze. Ein paar davon sind aktenkundig geworden, in zwei Fällen wurde auch Amtshilfe bei uns angefordert. Aber keiner dieser Fälle betrifft die Harbor Police, oder unsere AV Staffel West, oder das Operationsgebiet Pacific Coast Region PCR. Ich schließe nicht kategorisch aus, dass das BuReLoc dort oder anderswo gestern irgendwelche Einsätze hatte, aber ich kann ausschließen, dass das Department – und damit meine ich auch die Harbor Police, NOCH gehören die zu uns – irgendetwas damit zu tun hatte.“
„Weißt du das nur per Datencheck oder...“ fragt Patty, und die Antwort folgt sofort: „Natürlich nicht. Als die Data Search kein Ergebnis brachte, hab ich rumtelefoniert. Hab behauptet, einen Anruf von nem Informanten wegen angeblichem Waffenfeuer im Venice District gehabt zu haben, ob da gestern nacht was war und ob das die Harbor Police war. Aber das einzige, was in der Gegend war, ist eine Meldung über zwei Waffengefechte zwischen rivalisierenden Jetski-Gangs, eine Explosion in den Ruinen, vermutlich Gasleck oder Altlasten aus dem Konzernkrieg, und eine Verfolgung eines Schmugglerpanzers durch die HPs, aber viel weiter nördlich. Und das war das“.
Maven legt die Stirn in Falten. Denkt angestrengt nach
(...)
„Möglicher Weise war die Harbor Police und das NCPD doch nicht dabei.“ Der unlesbare Blick der Asiatin reizt Maven, der schärfer entgegnet, als er vorhatte: „Was macht das schon für einen Unterschied, wenn du von allen Seiten beschossen wirst? Ja, da waren AVs und Powerboote und Hover und Lautsprecherdurchsagen und Scheinwerfer und Sirenen, und wer schrie auch was von wegen H.P. und Cops in meine Funke ...“
„... aber selbst gesehen haben Sie ... hast du die Polizei nicht, nicht wahr?“
Maven zuckt die Schultern. „Es war das reinste Chaos, Mann.“ Er grübelt nochmals
(...)
„Nein, wirklich gesehen hab ich die Cops nicht. Wir waren ja schon auf Highspeed weg vom Anleger, noch ehe der Hit anlief. Booster – der Cäptn der Seablide, dem Jetkatamaran, der unser Backstage-Bereich war – zündete sofort die Turbinen, wohl nnachdem er nen Warnruf von nem Späher der Orgas des Rave bekommen hatte. Ich – wir alle in der Umkleide – wir haben ganz schön gebraucht, ehe wir überhaupt geschnallt haben, was abgeht. Dann hab ich mir nen Geschütz gekrallt, Booster hat mir nen Helm mit Zielpeilung und Funk-Link aufgesetzt, und der Rest ... ich hab auf Scheinwerfer gefeuert ... keine Ahnung, ob die Fahrzeuge dahinter Cops oder BuReLoc waren. Ich hab nur nie gehört, dass das Bureau Hover, Boote und AVs hat – also nahm ich an, dass es die Cops seien.“
„Gut. Sie waren es aber nicht. Das Ding hat das Bureau wohl selbst gestemmt. Wenn es das Bureau war. Ich jedenfalls bezweifele es.“
„Und warum?“ will Patty wissen.
„Weil Maven völlig recht hat: Wenn das Bureau hätte einen Hit gegen ein Ziel in Venice gemacht hätte, hätten sie Hilfe von der Harbor Police angefordert. BuReLoc hat keine Hover oder Boote an der kalifornischen Westküste. Und das Büro hat genug damit zu tun, Baugrund für MegaCon zu sichern – warum sollte es einen Rave hochnehmen?“