Zornhau
Freßt NAPALM!
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Das sehe ich mehr als eine Ursache für die Deutsche Krankheit im Rollenspiel:Da liegt doch der Hase im Pfeffer: Autoren SCHREIBEN, sie DESIGNEN nicht...
Deutsche Rollenspielschaffende sehen sich als BUCHAUTOREN.
US-Rollenspielschaffende sehen sich als GAME DESIGNER.
Daher ist bei deutschen Rollenspielschaffenden die Schwafeligkeit geradezu ein CHARAKTERZUG, während sie bei Spielmechanismen, beim Regelsystem-ANWENDEN mit schöner Regelmäßigkeit entweder nicht einmal das Regelsystem, zu dem sie gerade einen Unterstützungsband schreiben, wirklich kennen, verstanden haben, beherrschen, oder sich ein eigenes wischi-waschi-"Ach, ich habe eh keine Ahnung, wie funktionstüchtige Regeln aussehen könnten, darum biegt es Euch doch irgendwie zurecht."-Regelsystem aus den Fingern saugen.
Im Computerspielebereich wird von Gameplay gesprochen. Dieser Begriff ist für Papier-Rollenspiele meines Erachtens nicht anwendbar. - Was hier aber die Bedeutung des Gameplays einnimmt, sind FUNKTIONSTÜCHTIGE Regeln, die man VERSTEHT, die eine Basis für Ad-Hoc-Entscheidungen bieten, die robust und belastbar sind.
Zu solchen Regeln kommt man aber nur, wenn man sich als "Techniker", als kreativer "Entwickler" als "Konstrukteur" sieht. - NICHT, wenn man sich als "Künstler", "Wirklichkeitsveredler" und "Autor" mit dem Musenkuß sehen möchte.
Starallüren findet man ständig bei diesen "Künstlern" und liest sie aus ihrer nivea
In Deutschland gibt es sehr wohl viele Spiele-ENTWICKLER. Leute mit zupackendem, aufrichtigen Charakter, die einfach tolle Ideen für das Spielvergnügen anderer haben. - Im Brettspielbereich!
Die "German Games" sind ja als Markenzeichen ein Spiele-Exportschlager. Und deutsche Spiele-Entwickler wie der (inzwischen ja nicht mehr in Deutschland lebende) Reiner Knizia sind auf dem Teppich geblieben. Und das TROTZ 400+ entwickelter und produzierter(!) Spiele und über 10 Millionen verkaufter Exemplare.
Wo sind die Reiner-Knizias des deutschen Rollenspiels?
Nachdem ich eine zeitlang wirklich sehr auf Blue Moon abgefahren bin, wünschte ich mir ein ROLLENSPIEL von Reiner Knizia. Er kann so tolle, miteinander spannend verzahnte Mechanismen ersinnen, die einfach zu erlernen, aber erst mit der Zeit zu meistern sind, und dadurch auch nicht langweilig werden. Knizia kommt oft bei seinen Spielen vom "System" her und deren Thema wird dem Spiel dann erst später "übergestülpt". Daher ist die Spielmechanik auch immer so grundsolide und packend.
In dieser Qualität hätte ich gerne mal Rollenspiele gesehen. Und zwar Rollenspiele, die nicht nur immer dieselben Vorlagen-Regelsysteme klonen oder sich als "Plünderer" bei diesen bedienen bis die so geplünderten Regelsysteme vor Abscheu schreien und kreischen.
Brettspiele und Kartenspiele sind natürlich stärker "mechanikbestimmt" als die meisten Rollenspiele (weswegen viele "forge-ige" Spiele auch so "brettspielig" wirken und nicht wie Rollenspiele). Ist eine Spielform mechanikbestimmt, dann können sich hier Techniker ohne Starallüren leichter Anerkennung und damit mehr positive Entscheidungen von Verlagen ihr Spiel auch zu produzieren, verschaffen.
Rollenspiele enthalten aber neben der Mechanik auch viel mehr beschreibenden Text als man dies bei Karten- oder Brettspielen findet. Hierzulande wird dem Fluff aber durch die Deutsche Schwafeligkeits-Angewohnheit aber ein ÜBERGEWICHT gegeben, was verkappte Romanautoren dazu bringt, als "kleineres Übel" und mit aus dem Text förmlich spürbarem Widerwillen, Abenteuer und Unterstützungsbände für Rollenspiele zu schreiben, die in Ignoranz des Regelsystems, unter Beiseitelassen JEGLICHER Spielbarkeitsüberlegungen, als verkappte Romane (besser: als mäßig benotete Schulaufsätze) abgefaßt werden.
Und das führt dazu, daß es nicht nur mit der (Regel-)Technik hapert, sondern daß deutsche Rollenspielschaffende geradezu mit ihrer regeltechnischen Unfähigkeit KOKETTIEREN!
Dieses grundsätzliche Strukturproblem hierzulande führt dazu, daß wir immer noch die Deutsche Krankheit im Rollenspiel haben. Glücklicherweise ist die nicht ansteckend - was eventuell der Fall wäre, wenn es deutsche Rollenspiele nach England, in die USA oder - das wird sicher NICHT passieren! - nach Frankreich schaffen würden und dort zumindest wie hierzulande WarhammerFRPG oder GURPS eine grundsätzliche Bekanntheit erreichen würden (von einer Verbreitungsdichte deutscher Rollenspiele in Übersetzung, wie dies bei Shadowrun, Cthulhu, oder D&D hierzulande der Fall ist, wird ja nicht einmal ein Optimist träumen).
Wie beim Milchkaffee, wo Milch UND Kaffee reingehören, und man nicht nur verwässerte Milch hinstellt und sagt "das mit dem Kaffee-Kochen liegt mir eh nicht so, bieg Dir's doch hin, wie Du magst", so bestehen auch Rollenspiele aus Beschreibungen (Fluff) UND Regel-Mechanik (Crunch).
Ich habe nur den Eindruck, daß eben deutsche Rollenspielschaffende sehr unwillig sind, wenn es darum geht FUNKTIONIERENDE Mechaniken zu entwerfen(!). Hier muß man nämlich überlegen, ausprobieren, testen. Man kann das nicht einfach so runterschreiben! Das ist NICHT "Kunst", sondern HARTES HANDWERK ohne Star-Allüren, sondern mit hochgekrempelten Ärmeln, Schweiß auf der Stirn und heiß pochendem Blut in den kraftvollen Regelsystem-Bastel-Muskeln.
Mit Blick auf die "German Games" (die z.T. im deutschen(!) Original mit von Hobby-Gamern selbst übersetzten englischen Regeln in den USA gespielt werden!) hätte ich gerne die "German Roleplaying-Games" als MARKENZEICHEN.
Ich will die Knizias unter den deutschen Rollenspielschaffenden!
Und die Künstler und Wirklichkeitsveredler können in die Toscana fahren.