29.4.06 - Der schmale Grat

Richard hustete lautstark und es machte den Anschein, als hätte er sich verschluckt. "Das ... ähm ... das willst du nicht wirklich ... hoff ich ...". Der Fianna blinzelt erschrocken Meyye an und schüttelt den Kopf ... "Du ... wirst sie nicht wiedererkennen ... ". Sein Blick war voller Hoffnung, dass die Gangrel nicht wirklich Tatjana sehen wollte.
 
"Was?" bringt sie nur heraus und starrt ihn mit großen Augen an, in dem sich alle möglichen Befürchtungen spiegeln. Dann reißt der Geduldsfaden, es wurde ja schon lange genug an ihm gezogen und gezerrt (zumindest für ihre Begriffe... ihr Geduldsfaden hält halt nicht viel aus und ist viel zu kurz). Sie schlägt die flache Hand auf die Theke. "Red endlich Klartext! Was ist mit ihr?" fragt sie ungehalten und es ist ihr egal, dass da jemand vor ihr steht der in Crinos gehen und sie neben dem Zapfen ganz beiläufig aus dem Fenster schmeißen kann. Er müßte wohl eine Gasflamme vor ihr aufstellen, um sie jetzt zu beeindrucken.
 
Richard räusperte sich sehr laut und sah Meyye böse funkelnd an. "Es geht Tatjana sehr schlecht und es wird dauern, bis sie diesen Kampf ausgestanden hat. Falls es dir nicht aufgefallen ist ... Sylvia ist nicht hier und sie kämpft im Augenblick für und mit Tatjana. Deine Freundin ist im Augenblick kein schöner Anblick ... sie ... sie musste ... ähm ... fixiert werden ... dass sie sich nicht selber oder andere verletzt." Dann stellte er polternd eine Flasche wieder in den Kühlschrank und kam sehr nah an Meyyes Gesicht heran. "Willst du wirklich sehen, wie deine Freundin in Crinos an silbernen Ketten zerrt und dir Dinge an den Kopf schmeißt, die sie dir sonst nie sagen würde? Sie ist nicht sie selbst. Tu ihr das nicht an."
 
Ihm scheint ja wirklich viel daran zu liegen, dass sie Tatjana jetzt nicht zu Gesicht bekommt. Natürlich konnte sie sich denken, wo Sylvia jetzt steckt und dass die Plage in Tati Hölle und Wyrmgezücht auf Meyye herabrufen würde, aber die Erwähnung von Silberketten bringt sie doch ein wenig aus dem Gleichgewicht. Erschrocken starrt sie ihn an, das erstmal unsicher. Eigentlich hat sie ja, was sie wollte. Sie weiß jetzt, wie es Tati geht. Mieser als je zuvor. Die Plage ist immer noch da. Aber ihr ist ein neuer Gedanke gekommen. "Hat sie nach mir gerufen?"
 
Julian tritt von hinten an Meyye heran und legt einen Arm um sie, um ihr ... etwas halt zu geben. Was er da hörte ... war nicht besonders ... erfreulich. Eigentlich ja wirklich sehr, sehr schlecht.

Richard atmete etwas stark aus und machte sich wieder an die Arbeit. Zuerst schien er diese Frage nicht beantworten zu wollen. Dann riss er sich zusammen. "Ja. Sie ruft nach mehreren Namen. Wir sind nur nicht sicher ... wer von beiden ... also die Plage ... oder Tatjana ... vielleicht ist das auch nur ein Trick, verstehst du?"
 
Meyye schaut sich kurz um und schenkt Julian einen dankbaren Blick, als er herankommt, dann schaut sie wieder zu Richard und sucht eigentlich nur noch nach der richtigen Gelegenheit, ihm das Glas wegzunehmen, dessen Inhalt er gerade zapft, als er doch noch zu ihr zurückkommt. Nach seinen Worten nickt sie knapp. "Ja, verstehe ich. Vielleicht ist es auch kein Trick. Dann ruft sie nach mir, also bring mich bitte zu ihr." Ihre Ungeduld ist vorüber, sie sagt das ruhig und ernst. Sie schaut wieder Julian an. "Wenn sie mich jetzt braucht, muß ich ihr beistehn." sagt sie leise.
 
Julian nickt und streichelt Meyye über die Schulter. Natürlich kann er verstehen, dass Tatjana sie braucht. Richard sieht das allerdings anders.

"Hör zu! Sie ruft auch nach ihrem Vater und den lassen wir bestimmt nicht zu ihr. Außerdem kann ich hier nicht weg und dich dorthin führen. Und du würdest Sylvias Ritual stören ... und ... es ist an einem Ort, wo wir keinen Vampir hinlassen werden.

Sie wird dir die bösesten Dinge entgegenschleudern und hilflos zusehen, wie sie ihrer besten Freundin mit Worten und Gesten auf´s böseste verletzt. Sie wird noch mehr leiden und sie wird ... wenn sie es übersteht ... dir nicht mehr in die Augen sehen können.

Willst du das wirklich riskieren? Meinst du wirklich, dass eure Freundschaft das aushält? WIRKLICH?!?"
 
Na, das will sie aber auch hoffen, dass sie Lost Shadow nicht zu ihr lassen. Wahrscheinlich würde ihn die Plage als Seelenverwandten begrüßen. Das mit dem Ritual und dem Ort wären schon eher Argumente... wenn er nicht gleich noch weiterreden würde, mit eher vorgeschobenen Sachen. Hin und wieder kann Meyye ziemlich stur sein, besonders dann, wenn es wichtig ist. So wie jetzt. Richard kennt sie noch gar nicht so richtig.

"Okay... und jetzt hörst du zu." beginnt sie, scheinbar unbeeindruckt. "Was wär ich denn für ne Freundin, wenn sie mich ruft und ich mich abwimmeln lasse? Sie braucht mich! Ich werd ihr beistehn, sie wird wissen dass sie nicht allein ist und sie wird kämpfen! Scheißegal, was mir diese Mistplage zu sagen hat, ich weiß das ist nicht Tati... und ich werd ihr klarmachen dass ich das weiß. Ich werds ihr wieder beibringen, mir in die Augen zu schauen." Sie schaut sich kurz um. "Und du mußt nicht weg. Wird ja wohl noch mehr Garou geben in dem Kaff, die mich hinführen können."
 
Richard knurrt schon fast, als er ausatmet. "Du bist das Nervigste, was ich jemals kennengelernt habe, weißt du das?" Er überlegt noch einen Moment. "Du kennst das Hochhaus? Naja ... Julian kennt es. Tatjana ist dort im Keller. Ich werde bescheid sagen, dass ihr durchkönnt und euch der Weg gezeigt wird." Den letzten Satz brummelte er vor sich hin.
 
'Das Nervigste' gönnt sich eine gehobene Braue. "Ich nehm das als Kompliment." sagt sie, dann nickt sie und schaut Julian an. "Gehen wir?" Das Hochhaus kennt sie zwar schon von damals, als Tati und sie Naras und Cats Spuren verfolgt haben, aber seine Begleitung kann sie immer noch gebrauchen.

Bevor sie hinausgehen, wendet sie sich nochmal dem Garou zu. "Ach, und Richard? .. Danke." Wer hat nochmal behauptet, Blutsauger hätten keine Gefühle? Kann der Tonfall, kann dieser Blick wirklich derart täuschen? Danach dreht sie sich um und geht.
 
Richard hatte nach Meyyes Danke nur kurz genickt. Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte sich nicht breit schlagen lassen.

Das World Sience- Gebäude war schneller erreicht, als es Julian lieb gewesen wäre. Das Gebäude war aus viel Glaus und Stahl gebaut. Recht modern und innen gab es eine Art Lobby, einen Empfangstisch und die Atmosphäre wurde mit Grünpflanzen aufgefrischt. Die Dame am Empfang lächelte freundlich Meyye und Julian entgegen.

"Guten Abend! Richard hat angerufen ... sie möchten in den Keller, richtig? Warten sie bitte einen Moment. Sylvia wird gleich bei ihnen sein."

Julian hatte der Frau zugenickt und zog dann Meyye etwas zur Seite. "Ähm ... du willst das wirklich ... oder? Soll ich mit runter?" Er hatte ein mulmeliges Gefühl bei der Sache.
 
Jetzt betritt sie also doch dieses Gebäude, vor dem sie so eindringlich gewarnt wurde, Black Minds Reich, soviel sie weiß oder vermutet. Weiterhin mit Julian an der Hand kommt sie der Rezeption entgegen und nickt auf die Frage hin, bleibt dann stehen. Sylvia sollte lieber bei Tati bleiben und jemand anderen schicken. denkt sie, sagt es aber nicht.

Sie folgt Julian und sieht ihn an. Auf die erste Frage nickt sie. "Ich muß." Dann lächelt sie leicht und etwas schief und legt ihm eine Hand auf die Wange. "Wäre vielleicht besser, wenn du nicht mit runtergehst. Ich weiß auch gar nicht, wie lange es dauern wird... bestimmt länger. Vielleicht wäre es am besten, wenn du heimgehst und dich schlafenlegst. Du mußt doch noch einen Kindergarten anmalen. Ich schick dir auf jeden Fall eine Nachricht, bevor die Sonne aufgeht."
 
Julian nickte ... "Naja ... dein Fahrrad steht ja noch bei mir ... aber wenn es zu spät wird, dann hat es ja keinen Sinn. Melde dich einfach bei mir, ja?" Er küsste sie voller Leidenschaft. "Bitte, pass auf dich auf." Er verließ das Gebäude und drehte sich noch einmal zu Meyye um. Nachdem er ihr noch kurz gewunken hatte, ging er aus ihrem Sichtfeld hinaus.

Sylvia kam nach fünf weiteren Minuten eine Treppe hinauf. Sie blieb auch dort stehen und winkte Meyye zu sich. Die Ritenmeisterin sah etwas angeschlagen und erschöpft aus. Sie schüttelte nur sanft den Kopf und auf ihren Zügen konnte Meyye kein Läacheln erkennen. Ohne eine Begrüßung murmelte sie der Gangrel zu: "Ich halte das für keine gute Idee ... aber du hast einen Dickschädel ... so wie Tatjana auch und das ist im Augenblick ihr Glück. Ansonsten wäre sie schon verloren. Ich habe noch keine großartigen Fortschritte gemacht ... aber im Augenblick ist sie etwas ruhiger. Komm mit."
 
Ihr Fahrrad steht da ganz gut und ist abgeschlossen, aber es ist sowieso nur ein Pseudogrund. Wichtiger wäre auch ihr, mit Julian zusammenzusein beim Heimgehen. Sie umarmt ihn und erwidert den Kuß, dann nickt sie. "Keine Sorge..." sagt sie leise und winkt auch ihm, schaut ihm nach bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden ist.

Dann beginnt das Warten. Zum Glück dauert es nicht lange, bis Sylvia heraufkommt. "Hallo." begrüßt sie sie und fragt sich, ob sie um die Ritenmeisterin nicht mindestens genauso besorgt sein sollte. Den obligatorischen Warnhinweis überhört sie geflissentlich und folgt ihr. "Vielleicht kriegen ja zwei Dickschädel zusammen ein bißchen was hin." Vage Theorie, aber sie will es zumindest versuchen.
 
Sylvia seufzte tief, als die beiden immer tiefer und durch ein paar Türen immer tiefer in den Keller gingen. "Der Anblick wird dir nicht gefallen ... es tut mir leid ... aber wir musst sie so ... naja ... du wirst es sehen. Glaub mir, da hatte keiner von uns seine Freude daran." Den Rest des Weges ging sie schweigend.

Dann noch durch ein paar weitere Türen und sie waren in einem gemauerten Kellerraum, der an eine Folterwerkstatt erinnerte. Zumindest von den ganzen Ringen an den Wänden, oder der düsteren Beleuchtung. Vier Fackeln waren an den Wänden. Die Decken waren rußgeschwärtzt. Allerdings war der Raum groß genug, dass Meyye keine Angst vor den Flammen haben musste.

Sie waren während dem Weg mindestens an vier recht starken Männern vorbei gekommen. Ein paar sind Meyye sogar bekannt vorgekommen. Wahrscheinlich von dem ... Fest, wo sie Julian kennengelernt hatte.

Tatjana war in Crinos und sah furchtbar aus ... Ihre Haare waren teilweise Blutverschmiert und es war dreckig. An einigen Stellen sogar etwas angebrannt. Ihre Arme wurden tatsächlich von Silberketten gehalten. Diese waren an den Wänden zu ihren Seiten fixiert. Ihre Füße hatten festen Stand zum Boden, waren allerdings auch aneinandergekettet. Ihr Kopf lag schwer auf ihrer Brust. Für Meyye war es nicht zu erkennen, ob sie bei Bewußtsein war.

Die Wände waren mit ... roter Farbe (Blut?) und weißen Zeichen und Glyphen bemalt. Meyye war sich recht bald sicher, dass hier unterschiedlichstes köstliches Werwolfsblut an den Wänden verschwenderisch angebracht worden war. Somit stellte dieser Besuch auch Meyye auf die Probe.
 
Meyye nickt nur und kommentiert Sylvias Worte nicht. Sie glaubt ihr, dass es ihr nicht gefallen wird. Sie hat mal 'Der Exorzist' gesehen und erwartet sowas Ähnliches. Während des Weges sieht sie sich um, schon um sich ein wenig abzulenken, mustert auch den ein oder anderen von den Anwesenden, wobei ihr tatsächlich der ein oder andere bekannt vorkommt... flüchtig natürlich nur.

Und dann sieht sie Tatjana. Zeitgleich klingelt ihr der Geruch von Blut in der Nase, und nicht irgendein Blut sondern das von Garou. Sie bleibt stehen und vermeidet es nach einem flüchtigen Blick, dorthin zu schauen, betrachtet lieber ihre Freundin, auch wenn sie furchtbar aussieht. "Tati..." sagt sie leise, kommt vorsichtig näher und schüttelt die Einflüsterung ab, sie zu beißen um sich das zu holen was ihr schon die ganze Zeit in der Nase liegt. "Muß das wirklich sein?" fragt sie mit Blick auf die Silberketten.
 
Ihre Frage musste nicht von Sylvia beantwortet werden. Tatjana beantwortet sie selber. Die Metis bäumt sich auf und ihr Blick war mehr als nur bösartig. Sie schnappt mir ihren spitzen Fängen nach Meyye und ein grollendes Knurren kommt aus ihrer Kehle. Ein Auge ist so dick und geschwollen, dass sie nicht mehr durchsehen konnte. Auch im Gesicht ... so knapp vor Meyyes Nase glänzt ihr Blut. Der Ton war rauh und klang gefährlich. "Was willst du hier? Du wirst ihr nicht helfen können ... außer, du tötest sie." Dann lächelte Tatjana süßlich und gestellt und bleibt ruhig stehen.
 
Gerade eben war sie noch relativ nahe herangekommen, jetzt bleibt sie stehen, außerhalb der Reichweite der festgezurrten Metis. Der Geruch des Blutes ist verlockend, und Meyye dankt ihrer Voraussicht, schon seit langem darauf zu achten, immer nahe an der gänzlichen Sattheit zu bleiben. Aber auch so ist das Tier in ihr sehr interessiert.

Sie schaut ihre Freundin an, oder besser gesagt, die Plage die gerade durch sie spricht. "Ich bin ihre Freundin." sagt sie einfach. "Sie braucht mich, und ich werd ihr helfen, dich loszuwerden. Ich weiß, sie ist stark genug dazu. Ich werd zuschaun, wie sie dich besiegt." Ohja, das tut gut! Sie grinst sogar und erhebt die Stimme: "Hörst du, Tatjana? Schüttel den bescheuerten Plagegeist ab! Du brauchst keine Angst zu haben, wir schaffen das zusammen!"
 
Wieder bäumt sich Tatjanas Körper auf und die Ketten sind gepannt. Ein lauter Schmerzensschrei erklingt und die Gestalt sackt zusammen. Minutenlang bleibt sie einfach nur so hängen und atmet sehr langsam und schwer. "Du ... kannst nichts ... tun ..." kommt eine schwache Stimme, die nun eindeutig von Tatjana kommt. Schnell kam Sylvia auf sie zu, um ihr mit einem feuchten Lappen das Gesicht abzuwischen und ihr etwas zu trinken zu geben.

Auch die Ritenmeisterin ist besorgt. "Morgen sind alle Vorbereitungen abgeschlossen ... dann können wir das Ritual durchführen ... hälst du das so lange durch?" Tatjana zuckte daraufhin nur mit den Schultern. Dann sieht sie zu ihrer Freundin. "Ich danke dir ..."
 
Meyye verengt die Augen und schaut genau hin... sie ist nicht sicher dass sie weiß, was da gerade passiert. Dann kommen die Worte und wie Sylvia kommt sie näher. Sie nimmt Tatjanas Hand und lächelt ihr leicht zu. "Hey..." Etwas in ihr würde ja jetzt am liebsten die Zähne ausbilden, aber sie drängt es zurück. Dass das Blut wenigstens vom Gesicht abgewischt wird, ist schon eine Erleichterung.

Morgen also. Sie schaut kurz zu Sylvia auf, dann wieder Tatjana an. "Keine Ursache. Ich kann dich doch jetzt nicht alleinlassen." sagt sie, fast ein wenig befremdet, nach dem Motto: 'Ts, hättest du sowas wirklich von mir gedacht?' "Und was soll das Schulterzucken? Natürlich hältst du das durch."
 
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