AW: [23.04. 2008] Tödliche Eifersucht
Miguel setzte sich hin. Normalerweise hatte er eine gesunde Gesichtsfarbe, aber nun war er sehr blass und sprach mit monotoner Stimme.
„Ich erwarte keine Schonung. Arthur von Löwenstern aber wurde in das Ganze nur durch mich hineingezogen, ihn trifft keine Schuld. Er hat nur versucht mir zu helfen. Und er wäre auch nicht geflohen, wenn ich ihn nicht dazu animiert hätte.
Aber ich erzähle am besten von Anfang an.
Ich hatte Lucia im Jahre 1974, kurz nach meiner Freisprechung, zu meiner Ghulin gemacht, weil sie eine gute Flamencotänzerin war, weil sie Feuer hatte und weil ich in sie verliebt war.
Als ich mich bei Ihnen vorgestellt hatte, ich denke, da war schon herauszuhören, dass ich nicht mehr besonders glücklich mit ihr war. Ich hätte mir sogar fast gewünscht sie nie zu meiner Ghulin gemacht zu haben. Aber ich wollte sie nicht im Stich lassen.
Das Schlimmste war Ihre Eifersucht, die ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden.
Sie hat ein Wahnsinns-Theater gemacht, wenn ich eine andere Frau auch nur angeschaut habe. Und dabei flirte ich doch so gern…
Wir haben allgemein sehr viel gestritten, da wir beide recht temperamentvoll sind. In letzter Zeit ist es aber eindeutig schlimmer geworden. Es war als hätte alles auf eine Katastrophe zugesteuert, doch ich habe die Alarmzeichen ignoriert.
Ich hatte Arthur von Löwenstern von Lucias schrecklicher Eifersucht erzählt. Sein Ghul Erkki machte mir dann den Vorschlag, dass er sich an Lucia heranmacht, damit ich mehr Freiraum habe. Da ich mich sehr beengt fühlte bin ich auf diesen Deal eingegangen, hatte aber Lucia gegenüber ein schlechtes Gewissen.
Erkki hatte Erfolg – Lucia verliebte sich in ihn, und überraschenderweise verliebte auch er, der Berechnende, sich in Lucia. Mit dem Einverständnis von mir und Arthur durften die beiden dann turteln.
In einem Gothic Laden habe ich dann Augusta Holmström kennengelernt, und ich war gleich Feuer und Flamme für sie. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen mit Kainskindern keine Affären zu beginnen, aber als ich Frau Holmström dann ein weiteres Mal begegnete, hier bei Ihnen, da habe ich den Vorsatz gefasst sie zu umwerben. Und Lucia war ja nun mit Erkki beschäftigt, also habe ich freie Bahn, dachte ich mir.
Am nächsten Abend jedoch bekam Arthur einen Anruf. Sein Sire und Ahnherr Johann von Löwenstern war Prinz zu Helsinki geworden, und er wollte Erkki zu seinem zweiten Kind machen. Erkki sollte so schnell wie möglich nach Helsinki kommen, spätestens in einer Woche.
Arthur und ich haben uns dann den Kopf zerbrochen wie wir das Lucia beibringen sollen. Wir haben es schließlich beiden gleichzeitig gesagt, ihr und Erkki, noch in derselben Nacht. Erkki zeigte sich sehr erfreut darüber, dass der Ahnherr ihn als Kind auserwählt hatte. Es war offensichtlich, dass seine Erschaffung ihm nun wesentlich mehr bedeutete als alles andere, auch mehr als Lucia.
Dass er nun also nicht einmal darunter litt Lucia verlassen zu müssen, das brachte Lucia so sehr in Rage, das sie anfing zu toben und uns alle drei tätlich angegriffen hat.
Erkki hat sie schließlich mit einem Beruhigungsmittel ruhig gestellt.
Am nächsten Abend, also heute, in unserer Wohnung, fing Lucia wieder an zu toben. Heute wollten Arthur und ich mit unseren Ghulen in den Gothic Club Dark End gehen.
Ich habe Lucia in ein Zimmer gesperrt, und sie hat dort dann die gesamte Einrichtung zerstört. Ich war völlig verzweifelt und habe Arthur angerufen und um Hilfe gebeten. Er war schon im Dark End. Er hat dort alles stehen und liegen lassen und ist mir sofort zur Hilfe geeilt, die gute Seele.
Auf dem Parkplatz waren gerade zufällig auch Frau Holmström und ihr Ghul Dr. Schlesinger. Da hat er die beiden gebeten auch mitzukommen, denn Dr. Schlesinger ist ja Nervenarzt. Er sollte sich Lucia mal anschauen.
Die vier, also auch Erkki, sind dann mit dem Jaguar der Primogena zu unserer Wohnung gefahren gekommen.
Ich war sehr erfreut Frau Holmström wiederzusehen, und wieder einmal konnte ich kaum den Blick von ihr wenden.
Lucia war noch immer eingesperrt, sie war jedoch mittlerweile ruhig. Ich schloss die Tür auf, und Lucia kam heraus. Sie schien wieder völlig normal zu sein, sie war freundlich und umgänglich und hat die Gäste begrüßt.
Und ich habe wieder Augusta angeschaut, auf besondere Art, und das muss Lucia wohl gemerkt haben. Davon gehe ich einfach mal aus, und dass sie gewittert hat, dass ich gewisse Absichten hatte.
Ich hatte davon allerdings nichts mitbekommen, auch davon nicht, dass sie dann das Samuraischwert von der Wand geschnappt hat.
Das war ein echtes Schwert, das hing dort zur Dekoration. Ich schaute immer noch Augusta an, und dann sah ich mit Entsetzen, dass ihr Kopf abgeschlagen wurde. Mit dem Samuraischwert, und es war Lucia, die das Schwert führte.
Ich stand Augusta am nächsten, denn ich unterhielt mich gerade mit ihr als es passierte.
Arthur und Erkki unterhielten sich gerade mit Dr. Schlesinger am anderen Ende des Raumes."
Es fiel Miguel selbst gar nicht auf, dass er zwischenduch "Augusta" sagte anstatt "Frau Holmström". In Gedanken hatte er sie Augusta genannt.
"Aufgrund ihres Alters zerfiel Frau Holmström augenblicklich. Lucia ist dann mit dem Schwert noch auf Erkki losgegangen und hat ihn verletzt, nehme ich an, jedenfalls sank er zu Boden.
Ich war so wütend auf Lucia, dass ich mich auf sie gestürzt habe. Ich habe ihr in die Kehle gebissen, immer wieder, sehr viel Blut floss auf den Boden, und dann habe ich sie auch noch leergesaugt. Arthur hat Herrn Romero angerufen und sagte zu mir, dass er zu ihm geht.
Dr. Schlesinger war in dem Raum eingesperrt, den Lucia verwüstet hatte. Es muss wohl Arthur gewesen sein, der ihn dort eingesperrt hat.
Kurz nachdem der Tremere weg war habe ich das Zimmer saubergemacht, also das Blut weggewischt.
Was von Frau Holmström noch verblieben war habe ich in eine Tüte gefegt und verschlossen, ihr Kleid habe ich auch in einer Tüte verstaut. Die Tüten und die in eine Decke eingewickelte Leiche von Lucia habe ich im Kofferraum von Frau Holmströms Jaguar verstaut und bin dann voller Panik losgefahren, ohne zu wissen wohin. Ich bin dann aber nach 5 Minuten wieder umgedreht, weil ich nicht wollte, dass Arthur für meine Versäumnisse büßen muss. Ich sah ihn vor Herrn Romeros Büro stehen und habe ihn zur Flucht angestiftet.
Wir fuhren mit dem Jaguar los. Es wurde uns dann jedoch klar, dass wir nicht entkommen würden. Arthur redete nun davon, dass er sich umbringen wolle. Ich wollte aber nicht den Tod einer weiteren Person verschulden, also habe ich ihn dazu gedrängt ins Gildehaus zu gehen. Ich sagte ihm er soll sich pfählen und nach Helsinki schicken lassen.
Wir waren eigentlich zum Gildehaus gefahren um von dort eine Schaufel zu holen. Mit der Schaufel wollten wir Lucias Leiche im Wald vergraben. Die Leiche, sie ist immer noch im Kofferraum des Jaguars. Der Wagen steht vor der Glasschmelze.“
Miguel hielt eine Weile inne und wirkte sehr müde und ausgelaugt.
„Wenn Clan Ventrue für mich die Todesstrafe als angemessen erachtet und sich genau diese für mich wünschen würde, ich würde es dem Clan nicht verdenken. Für mich persönlich wäre die Todesstrafe jedoch die geringste Strafe, denn dann müsste ich mit dieser Gewissenslast, diesen Schuldgefühlen nicht mehr weiterleben, dann wäre ich erlöst. Nein, meine Vernichtung ist für mich nicht mehr bedrohlich, sondern meine Weiterexistenz.
Die schlimmste Strafe wäre für mich, wenn ich aus meinem Clan ausgestoßen werde. Dann hätte ich kein zu Hause mehr, ich wäre allein und verlassen.
Sie könnten mich natürlich aus dem Clan verstoßen und es dann den Ventrue überlassen, ob ich noch eine weitere Strafe erhalten soll und welche. Das wäre nur gerecht den Ventrue gegenüber – finde ich zumindest. Aber es ist nicht an mir über meine Bestrafung zu entscheiden.“