AW: [23.04.06]Am Ende der langen Straße
Miguel erzählte also heute bereits zum dritten Mal was geschehen war.
„Nun, mein großer Fehler bestand darin die falsche Ghulin gewählt zu haben und nicht streng genug mit ihr gewesen zu sein.
Sie war auch Flamencotänzerin und ich hatte mich in sie verliebt. Sie hatte Feuer. Temperament! Falls ich jemals wieder einen Ghul erschaffen darf dann bestimmt keine Frau. Lucia war rasend eifersüchtig und hat mir das Unleben immer mehr zur Hölle gemacht. Zuletzt haben wir fast nur noch gestritten.
Ich glaube ich habe bis in alle Ewigkeit genug von den Frauen. Das Verliebtsein hat mir nur Unglück gebracht. So kam ich an Lucia und dann, umso schlimmer, verliebte ich mich hier in Finstertal in eine Ancilla namens Augusta Holmström.
Jedenfalls kam ich also nach Finstertal um dem Glaskünstler Arthur von Löwenstern etwas beizubringen. Er ist ein Tremere Neugeborener. Es kam dann dazu, dass sein Ghul Erkki und meine Lucia ein Paar wurden, sie hatten sich ineinander verliebt. Das verschaffte mir Erleichterung, aber nicht für lange.
Denn dann erfuhr Arthur, dass sein Sire und Ahnherr Prinz zu Helsinki geworden war und Erkki zu seinem zweiten Kind machen wollte. Erkki war sehr erfreut darüber, aber Lucia hat getobt und uns drei angegriffen. Das war gestern.
Und heute wurde es noch schlimmer. Ich hatte soeben eine Wohnung bezogen. Dort hatte ich Lucia in einem Zimmer eingesperrt. Sie hat es komplett verwüstet. Ich bat Arthur um Hilfe. Er kam mit Erkki, Frau Holmström und ihrem Ghul Dr. Schlesinger. Letzterer ist Nervenarzt.
Lucia war nun wieder friedlich und freundlich, als sei nichts gewesen. Dann aber muss sie gewittert haben, dass ich in Frau Holmström verliebt war. Bevor ich reagieren konnte hatte Lucia das Samuraischwert von der Wand gerissen, das dort zu Zierde hing, und Frau Holmström geköpft. Dann rammte sie Erkki das Schwert in die Brust. Ich war so wütend auf Lucia, dass ich mich auf sie gestürzt und sie totgebissen habe. Dann hatte ich einen Blackout.
Das nächste woran ich mich erinnern kann ist dass ich hörte wie Arthur mit Herrn Romero telefonierte. Dann verließ er die Wohnung. Erkki war schon weg, das kam mir in dem Moment nicht seltsam vor, ich hatte andere Sorgen.
Dr. Schlesinger war eingesperrt. Ich habe notdürftig saubergemacht und Lucias Leiche in den Kofferraum des Jaguars von Frau Holmström gelegt. Dann bin ich in Panik losgefahren. Ja, ich war schon ziemlich kopflos. Ich wollte aber Arthur nicht im Stich lassen, und deswegen bin ich nach fünf Minuten umgedreht und bin zur Kunstakademie gefahren. Ich konnte ihn daran hindern Herrn Romeros Büro zu betreten und habe ihn zur Flucht animiert.
Dann ging uns jedoch auf, dass wir sowieso nicht entkommen konnten, weil sie uns ja herbeirufen konnten. Arthur sagte er wolle lieber sterben als sich gefangen nehmen lassen. Ich wollte nicht, dass noch jemand wegen mir stirbt also habe ich ihn gedrängt im Gildehaus Zuflucht zu suchen. Ich hoffe er konnte den Häschern entkommen. Ich werde jetzt natürlich als Verräter gesehen, doch ich bereue ganz gewiss nicht, dass ich Arthur zur Flucht verholfen habe.
Später wurde klar warum Arthur die Obrigkeit noch mehr zu fürchten hatte als ich: Offenbar hatte er Erkki den Kuss gegeben, weil Erkki gestorben war. Das erfuhr ich von der Geissel. Und Sie wissen natürlich welche Strafe bei unerlaubter Erschaffung blüht. Erkki wäre aber sonst für immer nicht mehr existent und Arthur lag sehr viel an ihm, wie könnte ich es ihm verdenken, dass er das getan hat. Aber als ob die Obrigkeit für sowas Verständnis hätte.
Jedenfalls fuhr ich also zurück zur Kunstakademie und stellte mich. Ich sprach mit der Seneschall Lady Noir und sie hat mich vom Neugeborenen zum Kind degradiert. Außerdem soll ich noch von der Geissel eine körperliche Strafe erhalten. Dann durfte ich wieder gehen.
Ich telefonierte und traf mich mit jemandem. Ein Nosferatu namens Lurker spürte mich jedoch auf und sagte die Geissel wolle mich sofort sprechen. Ich solle in 20 Minuten beim Friedhof sein. Lurker hat mich dorthin geführt, aber durch die schmutzigsten Drecklöcher führte sein Schleichweg, daher also ist meine Kleidung so verschmutzt.
Auf dem Friedhof zwang die Geissel mich in ein frisch gegrabenes Grab. Die Geissel ist ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Dieser Herr Dargol ist ohne Maske noch hässlicher als ein Nosferatu. Offenbar ist auch er neu in der Stadt, würde er sonst im Hotel wohnen? Möglicherweise bekommen auch Sie noch mit ihm zu tun. Sie werden ihn an der röchelnden, rasselnden Stimme erkennen. Allein diese Stimme ist derart unangenehm, dass man froh ist wenn er nur wenig spricht, ganz zu schweigen vom Inhalt des Gesagten.
Dargol wollte mir einen ehrenhaften Tod nahe legen. Dass ich mich hinlege und die ersten Sonnenstrahlen begrüße. Und dann sagte er mir was mich ansonsten erwartet. Einzelne Körperteile von mir sollen dann wohl der Sonne entblößt werden. Er beschrieb mir in grausigem Detail wie es ist wenn Teile des Körpers von der Sonne zerfressen werden. Währenddessen liegt man in einer Art Ritterrüstung, wo der Rest des Körpers vor den Sonnenstrahlen geschützt ist. Meistens. Unabsichtliche Vernichtungen kämen heutzutage nicht mehr so oft vor bei dieser Vorrichtung, sagte Dargol. Wie beruhigend.
Und dann konnte ich selbst sehen wie ich zum Hotel komme. Dargol hatte mir meine Brieftasche und mein Handy abgenommen, ich hatte also kein Geld mehr. Zum Glück fand ich ein Taxi.
Und wenn Dargol erfährt, dass ich Ihnen all das erzählt habe wird er mich wahrscheinlich auf Dauer verstümmeln oder etwas in der Art. Wenn ich seine Anweisungen nicht befolge werde ich mir wünschen den ehrenhaften Tod gewählt zu haben, sagte er mir. Ich sollte mich eigentlich unverzüglich ins Hotel begeben, dort auf meine Bestrafung warten und mit niemandem Kontakt aufnehmen, ausgenommen mit dem Prinzen, der Seneschall, Herrn Romero und Dargol selbst. Dagegen habe ich also nun verstoßen.
Ich habe niemals gewollt, dass wegen mir jemand stirbt. Es wird ewig auf meinem Gewissen lasten. Wenn meine Ghulin jemanden tötet bin ich dafür verantwortlich, und darum also werde ich bestraft.
Wenn Sie jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollen bzw. sich mit so jemandem wie mir nicht verbünden wollen, ich würde es ihnen nicht verdenken. Ansonsten, ich würde mich freuen wenn auch Sie mir anvertrauen was Sie verbrochen haben. Es muss ja einen Grund geben weswegen Sie einer Stadt verwiesen wurden. Aber wenn Sie nicht darüber reden mögen, ich will Sie ganz gewiss nicht drängen.“
Miguel erwartete halb nun auf Ablehnung zu stoßen und versuchte sich innerlich dafür zu wappnen.