AW: [23.04.06]Am Ende der langen Straße
„Schön Sie kennenzulernen, Herr Picher.“
Miguel lächelte.
Dann jedoch schaute er sich nervös um.
„Ein gewisser Herr, dem ich nicht begegnen möchte wohnt leider auch in diesem Hotel, und er könnte gleich hier ankommen. Wenn er mich sieht wie ich mit jemandem rede, das könnte für mich sehr unangenehme Konsequenzen haben. Von daher wäre es gut, wenn wir uns außer Sichtweite bewegen würden.“
Miguel ging ein paar Schritte und hoffte, dass Picher ihm folgen würde.
„Das hört sich für Sie sicher sehr seltsam an“, sagte Miguel.
„Wenn ich einfach nur überfallen und ausgeraubt worden wäre, ach wäre mir das doch passiert! Denn das wäre ja noch harmlos. Dann könnte ich zur Polizei gehen. Aber so wie die Dinge jetzt für mich liegen, kann ich nirgendwohin gehen ohne Erlaubnis. Ich soll eigentlich jetzt sofort auf mein Hotelzimmer und dort bleiben und auf meine Bestrafung warten. Ich stecke in einem Gefängnis ohne Gitter. Würde ich versuchen zu fliehen würden sie mich ohnehin kriegen.“
Sie entfernten sich immer mehr vom Hotel. Wieder schaute der Spanier sich nervös um.
„Nein, ich leide nicht unter Paranoia, das alles ist nur allzu real. Ach wissen Sie, es gibt mehr als nur eine Gesellschaft. Es gibt dann noch gewisse Sekten. Sie kennen sicher Scientology. Nein, zu dieser Sekte gehöre ich nicht, aber sagen wir, nun ja, etwas in dieser Richtung. Den Namen kann ich Ihnen nicht sagen, das wäre zu riskant.
Wenn ein gewisser Jemand erfährt was ich Ihnen jetzt gesagt habe, was eigentlich noch nicht viel ist, schon das wäre aber schlimm genug, das würde mir sicher zusätzliche Folter bescheren. Gefoltert werde ich sowieso noch.
So eine Sekte hat eben ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Gerichtsbarkeit – davor kann einen keine Polizei der Welt bewahren. Und da kann man nicht einfach so aussteigen aus so einer Sekte wenn man einmal drin ist.
Ich war bis heute noch ein geachtetes Mitglied dieser Sekte, aber jetzt, da ist es vorbei damit. Jetzt bin ich ganz unten. Jetzt bin ich für immer gebranntmarkt. Egal in welche Stadt ich komme, mein Verbrechen wird dort den jeweiligen Sektenmitgliedern bekannt werden und man wird mich mit Misstrauen beäugen. Falls ich die Bestrafung überhaubt überlebe und diese Stadt heile verlassen werde.
Ganz bestimmt wollte ich niemandem was zuleide tun. Ich bin doch sehr gutmütig, und, welche Ironie des Schicksals, genau das wurde mir zum Verhängnis.“
Miguel hielt inne, und schon wieder schaute er sich um. Er wirkte wie ein von 1000 Höllenhunden gehetzter.
"Aber wahrscheinlich können Sie das nicht wirklich nachempfinden, vielleicht hört sich das alles einfach nur völlig abstrus an für Sie. Ich sollte Sie damit nicht belästigen. Ach, ich rede zuviel, aber all das in mich reinschweigen zu müssen ist eigentlich noch schlimmer als die drohende Strafe falls rauskommt, dass ich Ihnen das erzählt habe. Und es tut gut sich ein wenig den Schrecken von der Seele reden zu können. Aber falls es Ihnen zuviel wird höre ich besser auf."
Der Toreador dachte sich, es war sicher besser nicht zu erkennen zu geben, dass Miguel wusste, dass Picher zu genau derselben Sekte gehörte. Wenn er nur kein Ventrue war!