Es wäre wohl eine interessante Übung den Umriss des Nosferatu deuten zu wollen, waren doch die einzigen Konstanten eine Kapuze, deren Schatten irgendwie immer das Gesicht verbarg, ein alter abgewetzter Ledermantel und ein deutlicher Buckel. Der Rest der Silhouette bestand eigentlich nur aus mehreren Schichten Kleidung, die eindeutig bessere Tage gesehen hatte, mit einem spindeldürrem Körper in der Mitte. Selbst wenn man ihn schon Jahre kannte, wäre es wohl ein Ratespiel gewesen und dazu kam, dass niemand anwesend war, der Lurker lange kannte. Überhaupt kannte ihn kaum jemand und wer hatte schon Lust einen Nosferatu genauer zu studieren, wenn man die ganze Zeit befürchten musste, dass gleich ein gelber Faden aus der Kapuze tropfte, der geräuschvoll wieder eingezogen wurde, oder eine Kakerlake aus seiner Tasche in seinen Kragen krabbelte und man kurz darauf ein leises Knirschen hörte? Kein Wunder also, dass die normale Reaktion auf diesen Clan ein höfliches 'guten Tag' und ein anschließender 'ach-du-meine-Güte-schon-so-spät' Blick auf die Uhr und eine möglichst unauffällige Flucht war.
Trotzdem war der Geißel anscheinend etwas aufgefallen? Zumindest raunte etwas mit der Stimme des Schwarzen in das Ohr des Verborgenen, der zum Glück damit beschäftigt war das Sicherungsseil zu führen, damit es nirgendwo hängen blieb oder an einem scharfem Vorsprung Schaden nahm, so dass er nicht wegspringen oder mit den Krallen dort ein schönes Muster in die Luft zaubern konnte, woher die Stimme kam.
Schnell warf er einen Blick in den Tunnel. Trapper war nirgends zu sehen, also war es wahrscheinlich, dass er sich abseits des Sehens befand und es wirklich seine Stimme war, die Lurker hörte. Allerdings konnte man die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass es das merkwürdige Gespenst war, dass ihn nur zum Narren halten wollte.
Also erstarrte er nur einen Moment und reagierte dann nicht weiter. Immerhin war es auch möglich, dass es die Geißel war und diese nur einen Verdacht hatte, den der Verborgene ganz sicher nicht bestätigen würde. Sollte sich der Andere wirklich neben ihm befinden, dann würde er sich schon zeigen müssen um eine Antwort zu bekommen. Solange eine Chance bestand, dass es nur der Spuk war, der ihn manipulieren wollte, würde er weiter pokern.
Dann tauchte Yoshida wieder auf und er half ihm wieder zur Gruppe hinauf zu klettern.
Danke. Dann werde ich gleich im Tunnel weiter suchen.
Krähte er dem Asiaten leise zu.
Hinter sich, bemerkte er wie die Lage sich leider zuspitzte. Eigentlich sollten doch alle beschäftigt genug sein und sich darum kümmern hier heraus zu kommen, anstatt sich mit abstrakten Gedankenspielen zu beschäftigen, aber Lurker konnte es ja immer noch später seltsam finden, dass alle eine Geistererscheinung für ein logisch denkendes, rationales Wesen halten wollten, mit dem man über mehr kommunizieren konnte, als seine Fixierung. Alleine dadurch dass es die ganze Zeit immer wieder nur auf 'er ist mein, ich will ihn' zurück kam und bei allem anderem trotzig wurde war für ihn klar, dass das Programm des Dings, denn von einem Verstand wollte er nicht wirklich sprechen, sehr begrenzt war.
Allerdings wurde es gefährlich und er glaubte an den Bewegungen und dem Blick des Prinzen zu erkennen, dass dieser sich gleich daran machen konnte Ausschau nach dem Gefangenen zu halten. Gleich würde er vielleicht sogar direkt zu ihm hinschauen.
Es wäre eine schwere Aufgabe die Aufmerksamkeit eines so mächtigen Untoten von sich abgleiten zu lassen. Sein Blut machte den Anderen vermutlich zu einem Meister der Wahrnehmung und wenn Lurker nun in die Schatten treten würde, dann mochte das nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so wie das Fehlen von etwas manchmal auffälliger war, als wenn es sich an seinem Platz befand.
Aber es gab einen Trick, eine Möglichkeit wie man vielleicht auch einen so starken Fokus täuschen konnte, eben indem man nur eine Kleinigkeit veränderte, anstatt sich mit voller Gewalt dagegen zu stemmen. Als der Archont also zu ihm hinüber sah, wandte er sich nur ganz eben um. Eine minimale Veränderung des Standpunktes, mehr eine Gewichtsverlagerung auf das andere Bein als eine wirkliche Bewegung. Ebenso sanft war der Druck den den er auf die Wahrnehmung der Realität ausübte, ein zartes zupfen, wie eine Spinne die an den Fäden ihres Netzes spielte.
Der Nosferatu zählte nun darauf, dass es doch der Malkavianer gewesen war, den er gehört hatte und dass dieser sich geschickt in eine Nische für die Sinne gestellt hatte. Wenn dem so war, würde die Aufmerksamkeit des Prinzen sich hoffentlich auf das verborgene Mondkind konzentrieren, damit dieses für ihn sichtbar wurde und Lurker konnte sich metaphorisch hinter diesem Feld verstecken und unter dem Radar dieser auf Trapper gelenkten Aufmerksamkeit weiter fliegen. Dann hielt er einfach still, bis sich die Sache beruhigt hatte.