[06.05.2008] Wieder erblindet

Leo

Johnny Steinberg
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7. März 2008
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Ferdinand wachte auf und lauschte wie üblich als erstes ob Evelina in der Nähe war. Es fiel ihm ein, dass er ja nicht in der Villa war sondern im Hotel. Alsbald konnte er die liebliche Stimme seiner Tochter hören und war beruhigt.
Er schlug die Augen auf, und zunächst war es nicht ungewöhnlich, dass er nichts sehen konnte, denn in dem Schlafzimmer war es stockdunkel. Als er nach der kleinen Lampe auf dem Nachttisch tastete und sie anschaltete blieb es jedoch dunkel. Zumindest für ihn. Die Lampe spendete Licht, aber das sah er nicht. Er knipste die Lampe mehrmals an und aus, aber für ihn änderte sich an der Dunkelheit nichts.
Ferdinand stand auf und ging in Richtung Tür, da musste auch irgendwo ein Lichtschalter sein, für die Deckenbeleuchtung. Als er diesen Lichtschalter drückte sah er jedoch immer noch nichts.

Ich bin wieder blind!

Zacharii! Und für wie lange wäre Ferdinand diesmal blind? Dieser Koldune konnte also das Augenlicht des Malkavianers an und ausknipsen wie eine Lampe, das erfüllte Ferdinand mit Entsetzen.
Er öffnete seine Schlafzimmertür und rief nach seiner Tochter: „Evelina!“

Evelina kam herbeigeeilt.

„Ja, Vater?“

Sie war ein wenig alarmiert, da die Stimme seines Vaters sich so anhörte als ob er sich nicht wohl fühlte.

„Ich bin wieder blind. Suchst du für mich Kleidung heraus und hilfst mir bei Ankleiden?“

„Aber natürlich.“

„Doch zuerst…kommt kurz in meine Arme, damit ich spüren kann, dass du da bist.“

Evelina umarmte ihren Vater. Er wirkte im Moment so zerbrechlich, und sie war besorgt.

Wenn die Erblindung mehrere Stunden anhielt, dann bliebe ihm ja sogar eventuelles Kämpfen erspart? Freuen konnte Ferdinand sich darüber jedoch derzeit nicht, zu groß war das Grauen, das ihn im Moment erfüllte.
Zum Café gehen würde er aber trotzdem. Dann würde auch immerhin jeder sehen, dass er sich nicht bloß eine Ausrede ausgedacht hatte um nicht erscheinen zu müssen.

Ferdinand beeilte sich, damit er möglichst früh im Café war. Nun konnte er also nicht einmal sehen ob seine Frisur richtig saß, aber Evelina frisierte ihn und er verließ sich darauf, dass seine Tochter es gut hinbekam.
 
AW: [06.05.2008] Wieder erblindet

Schließlich also kam Ferdinand nach einer langen Nacht wieder zurück ins Hotel. Evelina war überglücklich ihn wiederzusehen, und auch der Malkavianer war so froh sie wieder in seine Arme schließen zu können und das lachende Gesicht seiner Tochter sehen zu können.
Er hatte schon befürchtet für immer der Freude ihres Anblicks beraubt zu sein.

Doch als Ruhe eingekehrt war in der Suite und Ferdinand allein war, da tat das Gift seine Wirkung, das Zacharii verspritzt hatte. Nochmals quälten Ferdinand die Vorwürfe, die jene Bilder ihm in Zachariis Welt gemacht hatten.

„Warum hast du den Tod deiner Frau nicht vorhergesehen? Warum hast du sie an jenem Morgen aus dem Haus gehen lassen? Warum hast du sie Auto fahren lassen? Warum hast du jemals zugelassen, dass sie Auto fahren lernt? Du hättest wissen müssen, dass das viel zu gefährlich ist! Dieser Unfall wäre niemals passiert, wenn Evelyn nicht hätte Auto fahren können!“

Aufhören!

Evelina konnte nicht Auto fahren, und niemals würde er sie ans Steuer lassen. Doch damals, da hatte er solche Befürchtungen nicht gehabt. Seine Frau hatte Auto fahren lernen wollen, und welchen Wunsch hatte er ihr schon abschlagen können.
Hätte er geahnt…!
Aber Evelina würde das nicht passieren. Nur Henry war am Steuer, seine Tochter hatte niemals fahren lernen dürfen.

Evelyn…!

Dieser widerliche Zacharii! Da er gründlichst in Ferdinands Gedanken gelesen hatte wusste er auch über Evelyn und ihren Tod Bescheid und konnte den Malkavianer damit quälen. Wie sehr Ferdinand ihn dafür hasste.
Es stand diesem Unhold nicht zu, ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen.
Natürlich hätte Ferdinand alles getan um seine geliebte Frau vor dem Tod zu bewahren.
Er hatte einiges vorhergesehen, aber das eben nicht.
Genausowenig wie den Tod seiner ersten Tochter, die schon im Mutterleib verendet war.
Er hatte vorhergesehen, dass es ein Mädchen war, und dass sie ein weiteres Kind haben würden, das auch ein Mädchen war.
Und Evelina ging es gut. Auf Evelina hatte er immer gut aufgepasst.

Ferdinand musste plötzlich daran denken wie seine hochschwangere Frau ihm gesagt hatte, dass das Baby sich nicht mehr bewegte. Es war dann nichts weiter als eine Totgeburt gewesen. Evelyn hatte dennoch ihre Tochter im Arm halten wollen.
Ferdinand hatte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen können, und am nächsten Morgen hatte er seine Frau schlafend vorgefunden, immer noch mit dem toten neugeborenen Baby im Arm, und auch das Baby hatte ausgesehen als würde es friedlich schlafen.
Ferdinand hatte ihr das tote Baby weggenommen, und als Evelyn aufgewacht war, wie sehr hatte sie nach dem Kind geschrieen und geweint.
„Wir werden noch ein Mädchen haben, und es wird lange leben“, hatte Ferdinand ihr prophezeit, und Ferdinands beständiges Trösten hatte irgendwann seine Wirkung getan.
Aber während der zweiten Schwangerschaft war Evelyn sehr ängstlich gewesen, voller Angst das Kind wieder zu verlieren. Doch wie vorhergesagt kam das Kind diesmal lebend zu Welt, und es war in der Tat ein Mädchen. Nicht nur Evelyn war völlig bezaubert von diesem kleinen Wesen. Und in der Tat, Evelina lebte schon sehr lange, viel länger als ihre Mutter.

Ferdinand erinnerte sich deutlich wie sehr ihn bereits die Liebe für seine Tochter erfasst hatte als er sie zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte.
„Meine kleine Evelina, ich werde immer für dich da sein“, hatte er ihr zugeflüstert.
„Dir wird nichts Schlimmes passieren, ich werde immer gut auf dich aufpassen.“
Das war schon 98 Jahre her, und dieses Versprechen hatte er bis heute halten können.
Nein, seiner Tochter durfte auch künftig nichts passieren.
Aber wenn er doch bloß auch auf Evelyn so gut hätte aufpassen können, dann wäre sie noch bei ihm.
 
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