[05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

koenik

Halbgott
Registriert
16. Juni 2009
Beiträge
501
Der Güterbahnhof war kurz vor Mitternacht leer und verlassen. Nicht ganz, denn zwei jugendliche Sprayer waren gerade dabei gewesen einen Wagon zu signieren, entschieden sich dann aber doch für die Flucht, als der Wagen vor fuhr. Die Limousine war ein schwarzer Audi, ziemlich genau wie auch die Regierung sie benutzte, was auch Teil der Werbebotschaft war, die dieser Service ausstrahlte. Der Fahrer dieses Audis hielt in der LKW-Zone des Bahnhofs an.

"Wenn Sie hier noch kurz warten können, bis mein Bekannter eintrifft. Danach wird sich entscheiden, ob ich ihre Dienste noch weiter benötige," sprach der Engländer zu seinem gemieteten Chauffeur und sah dann aus dem getönten Fenster. In seinem Notizbuch stand bei Lurker nicht sonderlich viel. Gerade einmal Telefonnummer und Emailaddresse, aber so war das bei vielen seiner ausländischen Kontakte: er konnte mit ihnen reden, mehr nicht. Mehr brauchte man auch normalerweise nicht, denn wie oft zog man schon aus seiner Stadt aus? So alle hundert Jahre, wie sich zeigte.

Alfons, der Name des Engländers, dachte an den Weg, den er hier her genommen hatte. Fliegen kam nicht in Frage, denn wenn der Mensch hätte fliegen sollen, hätte er Flügel gehabt und mit irgendwelchen pseudowissenschaftlichen Versuchen hatte Alfons lange abgeschlossen. So lang die regelmäßig abstürzten, stand es außer Frage, diese Dinger zu benutzen. Also ging es nach Dover. Dort musste er sich entscheiden, ob er mit der Fähre fahren wollte oder den Tunnel benutzen und er hatte sich gegen den Tunnel entschieden, denn irgendwie verbrachte er ohnehin zu viel Zeit unterirdisch. Er musste also auf die nächste Nacht warten und dann die letzte Fähre nehmen. In Calais angekommen ging es dann weiter nach Deutschland, wobei er in Köln den Zug wechseln musste. Im Zug war das etwas unangenehm, denn er musste stundenlang die Maske aufrecht erhalten, was jetzt eigentlich von jedem Nosferatu erwartet wurde, aber wenn in diesem Zugabteil 6 Leute direkt aufeinander sitzen und gar nicht anders können, als ganz genau hinzusehen, dann wird es schon recht schwierig. Alfons musste also öfter aufstehen und einen Spaziergang machen. Das war ohnehin sehr viel besser, denn die dicke Frau mit dem puterroten Kopf roch einfach zu intensiv nach Blut und auch wenn Alfons nicht mehr getrunken hatte, seit er aufgebrochen war, konnte er es sich nicht erlauben hier in aller Öffentlichkeit zu trinken. Dann hier ganz in der Nähe ist er auf den Limousinenservice umgestiegen. Limo machte einfach mehr her als Zug.

Der Nosferatu öffnete die Tür und lehnte sich dann gegen den Wagen. Lurker würde schon kommen.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Eine süße schwere lag in der warmen Brise, die lediglich eine leise Spur der nächtlichen Kälte in sich trug. Die alten Schienen waren stumpf vom Rost und der Zeit und die Gleise waren kaum noch zu sehen im dichten Unkraut Dickicht. Sie führten wie eine Schneise hinter dem Industriegebiet entlang. Gelb-bräunliches Gras eroberte sich hartnäckig sein Territorium zurück, seit dieser Teil des Eisenbahnnetzes nicht mehr genutzt wurde. Lurker wanderte beinahe gemütlich über den Schotter, verborgen durch die von der Industrie und ihren Erzeugnissen gezeichnete Vegetation. Brennnesseln wuchsen Mannshoch, aber sie sahen ungesund aus, kränklich und verwachsen. Der Nosferatu fuhr im Vorbeigehen mit seinen Fingern daran entlang. Eine gewisse Verwandtschaft mochte vielleicht vorhanden sein. Wenn es auch ein Fluch war, der ihn gezeichnet hatte und keine giftigen Abfälle.
Er fragte sich, ob man sich Kopfschmerzen einbilden konnte, denn sein Schädel sollte eigentlich dröhnen von den Vorkommnissen der gestrigen Nacht. So viele Dinge waren wie ein D-Zug an ihm vorbeigerauscht, so viel hatte sich verändert. Er hasste Veränderungen. Einige waren aber notwendig. Andere waren sogar erfreulich, denn immerhin war er gerade unterwegs um einen Clansbruder in der Stadt willkommen zu heißen. Bedauerlicherweise hatte er nicht genug Zeit gehabt um ausführlich nach den beiden anderen Neuen zu suchen, die er am Abend der Hochzeit des Prinzen kurz gesehen hatte.
Er hoffte inständig, dass der brüllende Wahnsinn Finstertals und die absurden Umstände die beiden direkt gewarnt hatte und sie in der nächsten Nacht direkt weiter gezogen waren. Vielleicht hatten sie sich zusammengetan und waren weiter gereist?

Der Nosferatu hob den Blick und blieb für einen kurzen Augenblick unter dem Nadelkissen Muster der Sterne stehen. Er sah die Milchstraße, als seidenen Schleier am Himmel. Seine Gedanken kreisten langsamer, die Ruhe und Gelassenheit der Himmelskörper wirkte angenehm. So sehr sein Geist auch fieberte in dem Wunsch die Dinge die gestern ins rutschen geraten waren wieder aufzunehmen, es galt jemanden aus der Familie in Empfang zu nehmen. Das war wichtig, vielleicht in solchen Zeiten sogar wichtiger als sonst.

Mit einem kurzem Ruck setzte er sich wieder in Bewegung, verließ die alten Gleise und duckte sich durch ein Loch in einem Zaun hindurch. Er sah den Parkplatz als asphaltierte Ebene vor sich. Die parkenden LKW gaben genug Deckung ab, als dass er nicht über offenes Gelände gehen musste. Er war zwar sicher, dass er sich hier, in der Stadt, in seinem Viertel, problemlos vor seinen Feinden verstecken würde können, aber man wurde nicht alt in dieser Stadt, weil man leicht und unbekümmert war. Kurz überlegte er, ob er einen der schlafenden LKW Fahrer aus dem Schneckenhaus seines mobilen Heims zerren sollte um zu trinken. Dann sah er das große Auto und den wartenden Mann. Alfons war also schon angekommen, keine Zeit mehr sich um die Ernährung zu kümmern. Gut, das würde also warten.

Umständlich kramte er die kleine, rosa farbene Taschenlampe hervor, die er in seinem Mantel bei sich trug. Sie war in irgendeiner Zeitschrift für kleine Mädchen als Zugabe mit eingeschweißt gewesen. Er hatte sie in einer Tankstelle mitgenommen. Sicher hätte er mühelos ein besseres Exemplar irgendwo mitnehmen können, aber das Gerät war seinerzeit gerade schnell greifbar gewesen und leistete ihm seitdem gute Dienste. Warum also etwas ändern?
Der Nosferatu ließ das Licht zweimal kurz und dann noch einmal länger aufblitzen. Er erinnerte sich nur noch vage an Alfons und war erstaunt, dass dieser sich an ihn gewandt hatte. Sie waren sich nur einmal kurz begegnet als Lurker noch ein Küken war. Er wusste nur, dass der Andere auf eigenen Wunsch in die Stadt gekommen und nicht offiziell vom Clan geschickt worden war. Zumindest reiste Alfons ziemlich luxoriös wie es aussah. Er lächelte sanft und sah mit einer gewissen Vorfreude und Neugierde hinüber.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Alfons trat vom Wagen weg in Richtung der Dunkelheit, wo sich Lurker versteckt hielt. Das Treffen im Dunklen lag seinem Clan im Blut. Niemand wollte sie sehen, nicht einmal sie selbst. Andererseits konnte man im Dunklen auch andere Dinge verstecken. Und auch wenn Lurker ein Clansbruder war, so konnte man nicht vorsichtig genug sein und so blieb Alfons auf halben Wege stehen.

Der Engländer trug einen Nadelstreifenanzug, einen altmodischen Dreiteiler. Die Schuhe waren geputzt und auch ein Hut fehlte nicht. Der Hut lies die Erscheinung auf eine gewisse Art antik wirken, denn wie viele Menschen trugen heute noch eine Kopfbedeckung zum Anzug? Die gesamte Erscheinung lies einen Mann mittleren Alters erkennen, der sich durch körperliche Betätigung jung gehalten hatte. Eine Illusion des Geistes, wie der Wissende sofort erkennen musste.

"Sir, ich bin unbewaffnet." Das war gelogen. Ein Vampir war niemals wirklich unbewaffnet. Wenn es die Situation verlangte konnte einem das Blut eine gewaltige Kraft verschaffen und dann war das Spiel vorbei, Game over. Aber dennoch zur Untermalung seine Worte nahm der Engländer seinen Hut ab und hielt ihn mit beiden Händen vor dem Körper.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Die Erscheinung sprach durchaus für einen der ihren. Zwar trugen auch exzentrische Menschen durchaus derartige Garderoben, aber sein Gegenüber war ja schließlich hier, zum verabredetem Zeitpunkt und sonst war auch nirgends jemand zu sehen. Der Hinweis auf den Umstand unbewaffnet zu sein ließ Lurker kurz stutzen. Was für eine merkwürdige Feststellung. Allerdings hatte sich Alfons ganz sicher informiert, bevor er in die Stadt gekommen war und überall war Finstertal im Augenblick als Krisengebiet warnend markiert. Es wäre also eigentlich im Augenblick logisch, hier bewaffnet unterwegs zu sein, was die Bemerkung wiederum in ein anderes Licht rückte. Er stieß sich leicht von dem LKW hinter sich ab und trat ein paar Schritte nach vorne, in den etwas helleren Bereich des Parkplatzes.

Unbewaffnet, so. Ich bin es nicht, aber das war auch zu keinem Zeitpunkt eine Bedingung, nicht wahr? Mit wem habe ich denn das Vergnügen?

Die Gestalt die sich vor Alfons aus der Dunkelheit schälte, sah aus wie ein Obdachloser. Ein bräunlicher Ledermantel voller Flecken und abgewetzten Stellen, über einer bunten Mischung aus unterschiedlichen Kleidungstücken darunter. Alles eher praktische, Zweckmäßige Kleidung. Eine Kapuze verhüllte den kompletten Kopf und ließ das Gesicht in einem tief schwarzem Schatten. Entweder stand der Sprecher sehr ungesund, oder er hatte außerdem noch einen Buckel.
Die Stimme war ein geflüstertes Krächzen, das ein wenig nach einer Krähe mit Halsschmerzen klang, aber der Ton war von einem gewissem Augenzwinkern begleitet und klang nach leicht glucksendem Humor, was seinen Worten die Schärfe nahm. Scheinbar war es der Sprecher gewohnt die fehlende Mimik durch die Modulation seiner Stimme auszugleichen, so dass man sich ein gewisses Schmunzeln gut dazu denken konnte, auch wenn man nichts davon sah.

Es war an dem Anderem, sich zu erkennen zu geben. Schließlich konnte er auch gut nur der Guhl von Alfons sein.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Der Engländer musterte die Gestalt von oben bis unten. Dieser Abgesandte schien ein wenig das Urbild seines Clans zu markieren, einer dieser Leute die auch wirklich unterirdisch wohnten und nicht nur den Anschein erweckten oder nur ein Beauftragter, wobei er nicht erwartete von irgendjemandem in Empfang genommen zu werden, sondern von einem Clansbruder. Auf der anderen Seite war die beste Tarnung immer die, die die anderen leicht zu glauben bereit waren, ein Nosferatu als Bettler würde wohl jeder Vampir als typisch abstempeln. Und dennoch, dieses Gesicht-im-Schatten-Spiel gefiel Alfons überhaupt nicht. Er wollte sein Gegenüber einschätzen können und mimiklose Personen erschwerten das erreichen dieses Zieles doch deutlich. Man wusste selten, was Gesichtslose wirklich dachten und selbst wenn sie sprachen konnte man sich nie richtig sicher sein.

"Nun, es hat Sie aus dem Schatten gelockt, Sir. Aber mein Name ist Alfons, aus London. Ich war hier verabredet und ich nehme an, mit Ihnen. Könnten wir das folgende Gespräch an einen gastlicheren Ort verlegen? Der Wagen hat durchaus noch ein wenig Platz für einen Freund."

Er deutete einladend mit einem Arm auf den Wagen und wartete auf die Reaktion seines Gegenübers.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Ja, so gehörte es sich innerhalb der Familie. Man kam selber und schickte kein Hündchen vor, wenn man sich verabredet hatte. Lurker nickte also leicht, so dass man die Geste gerade sehen konnte, als der Andere seine Vermutung äußerte. Der Vorschlag sich in das Automobil zu begeben verursachte bei dem Nosferatu aber spontane Abscheu. So freundlich diese Geste auch gemeint sein sollte, er würde sich von diesem Hobel lieber fernhalten. Kurz sah er hinüber und glaubte im Innenraum den Umriss eines Hinterkopfes zu erkennen. Der Fahrer oder ein Diener wohl? Es war zumindest wahrscheinlich, dass dort jemand drin saß. Es kostete ihn nur geringe Mühe, nur ganz sachte bewegte er sich zur Seite und stellte sich in einen Winkel, der es umständlicher machte ihn aus dem Wagen innerem zu sehen. Alle die in diesem Wagen saßen, würden gleich einen Spiegel richten, am Radio herumspielen um einen anderen Sender einzustellen oder nach vorne weg in Richtung der Straße schauen. Eventuelle Beobachter mochten sich bei dem Gedanken erwischen, dass dieses Treffen gähnend langweilig war und sie lieber ein wenig fernsehen wollten. Welches Treffen noch gleich?
Lurker gab sich alle Mühe, dass er nicht auch aus Alfons Fokus glitt und der Andere ihn nach wie vor zu sehen vermochte. Falls ihm das nicht gelingen sollte, denn eine einzelne Person aus der großen Täuschung heraus zu nehmen war wesentlich schwieriger, als einfach komplett vom Angesicht der Nacht zu verschwinden, würde er sogleich wieder in dessen Sicht treten, indem er ihm die Hand reichte, nötigenfalls sogar die Hand des Anderen ergriff, falls dieser die Aufforderung übersah, weil Lurker es nicht geschafft hatte in seiner Wahrnehmung zu verweilen.

Richtig, ich bin Lurker. Es freut mich dich hier zu begrüßen. Im Augenblick sind wir recht dünn besetzt.

Der Handschlag erfolgte mit einer Hand, die in bräunlichen, vergilbten Bandagen steckte. Lediglich die Finger ragten heraus. Sie waren von einer hell grauen Farbe und hatten knotige Gelenke, zwischen denen sich zu lange Glieder auseinanderfalteten. Dadurch waren die Finger abnormal lang. Sie endeten in Fingernägel, die wir schwarzes Glas anmuteten. Allerdings solches, mit dem man im Garten gegraben hatte.

Wir stehen im Kampf mit ein paar terroristischen Werbestien und sie haben nicht wenige von uns vernichtet. Ich selber verbringe den Tag immer woanders, damit sie mich nicht finden können. Vor wenigen Tagen erst waren zwei Neuankömmlinge unseres Clans hier, Zerustham und Rodrige hießen sie. Ich habe sie nie wieder gesehen, wir müssen das Schlimmste annehmen. Du kommst in turbulenten Zeiten hier an und ich nähme es dir nicht übel, wenn du noch heute auf dem Absatz kehrt machtest. Aber tatsächlich könnten wir hier Hilfe brauchen. Du bist nämlich ab heute der zweite Nosferatu in Finstertal.

Zum Ende des Satzes hin, hatte sich wieder das akustische Äquivalent eines Grinsens in Lurkers Stimme geschlichen. Damit schob er seine Hände unter den Rand seiner Kapuze und schlug diese zurück. Es war innerhalb der Familie unüblich sich zu verbergen, darum hatte Lurker Seine Konzentration darauf gerichtet, sich vor der Wahrnehmung anderer zu verstecken. Nur so konnte er Alfons sein Gesicht zeigen. Aus dem Schatten wurde der kahle, bleiche Schädel des Nosferatu sichtbar. Kleine Atolle aus gelb-bräunlichem Schorf waren verteilt auf seiner Haut, unter der man lilane und bläuliche Adern schimmern sah. Der Kopf war leicht asymmetrisch. An den Seiten, sogar ziemlich an der Stelle wo sie hingehörten, waren zwei ausgefranzte Ohrmuscheln zu sehen, die sanft Spitz zugelaufen waren, soweit man dies noch erkennen konnte aus ihrem zerfetztem Zustand. Auch die Nase des Nosferatu sah zerbissen aus. Ein Teil des Nasenflügels fehlte. Seine Augen hatten die Farbe von schmutzigem Spülwasser und in ihnen spiegelten sich die Sterne mit einer gewissen Kälte wieder. Dennoch, für seinen Bruder lag eine sichtbare Freundlichkeit in ihnen, die sich auch in einem ausladendem Grinsen wiederfand. Ausladend wohl auch deshalb, weil seine Mundwinkel zu weit in sein Gesicht hineinragten und sein Mund somit viel zu breit war. Das Lächeln entblößte gelbliche, zerbrochene Zähne, wie von einer alten Säge. Unmittelbar in der Mitte des Grinsens waren zwei riesige Schneidezähne zu sehen. Sie waren wohl auch der Grund, weshalb ein deutliches Lispeln zu hören war, da Lurker seine Stimme von seinem üblichem Flüstern auf normale Gesprächslautstärke gebracht hatte, nachdem Alfons sich zu erkennen gegeben hatte.

Tatsächlich bist du zumindest offiziell der zweite Nosferatu hier. Da ist noch jemand, den ich dir gerne vorstellen möchte. Es ist nicht weit von hier, so ein neumodisches Lokal, es nennt sich 'das Hovel', dort treffen wir jemanden im Hinterhof. Wir kämen am besten zu Fuß hin. Dieses...Ding brauchen wir also nicht unbedingt.

Es war Lurker anzumerken, dass er nicht erpicht darauf war in den Wagen zu steigen. Wenn sein Bruder allerdings darauf bestand, dann würde er die Einladung wohl annehmen, das gebot die Höflichkeit. Manchmal konnte man es sich eben nicht aussuchen. Ein wenig als würde die alte, englische Tante zu Besuch kommen und einem über jede Speise ihre gute Pfefferminz Soße ausgießen, die sie ja extra mitgebracht hatte. So tasty my dear.. want some more? No? Dont be shy, here you are.
Igitt.
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Werbestien, Werwölfe. Ja, dass war wirklich ein Problem. Alfons hatte bisher nur Geschichten gehört. Das waren Dinge, die dem Bekannten eines Bekannten passiert waren und eigentlich ein Grund, die Stadt zu verlassen. Auf der anderen Seite bedeutete das, dass in dieser Stadt große Umwälzungen geschahen und wenn man es geschickt anstellte, konnte man sich eine respektable Position erarbeiten. Mit mehr Einsatz hatte man mehr Gewinn.

Lurker hatte offensichtlich ein Problem mit der Öffentlichkeit, auch wenn sie nur aus einer Person bestand. Das lies die Wagenoption leider verschwinden. Immerhin war Lurker derjenige, der hier wohnte und wohl auch der einzige. Mit ihm sollte man eher besser auskommen als schlechter und so kam es nicht in Frage, gegen seinen Willen doch mit dem Auto zu fahren. Das war sehr ärgerlich. Allein oder zu Zweit in Werwolfgebiet zu Fuss unterwegs zu sein, war keine schöne Vorstellung. Zum Glück mied Lurker die Öffentlichkeit und musste so recht viele Schleichwege kennen. Das erleichterte den Weg vermutlich und Alfons würde auch gleich etwas von der Stadt sehen.

"Werwölfe sind eine böse Sache, ja das stimmt. Ich hoffe mal, dass unsere Clansgeschwister sich nur verlaufen haben und morgen oder übermorgen zurückkehren."

Alfons stockte etwas, als sein Gegenüber seine Kapuze zurücknahm. Der Fahrer war nur ein Mensch, ein gemieteter Chauffeur. Er sollte nichts wissen und auch nichts erfahren, was Fragen aufwerfen würde. Das wäre unglücklich gleich am ersten Tag eine Maskeradeverletzung zu provozieren. Er konnte nur vertrauen, dass sein Gegenüber nicht ganz dumm war und seine Fähigkeiten zur Verdunklung seines Wesens anwandte. So war das eben mit dieser wunderbaren Kraft. Niemand merkte irgendetwas, außer dem Anwender. Diese Fähigkeit hatte auch Alfons das Leben schon das eine oder andere Mal schwer erleichtert, vor allem wenn er an das Event in der Baker Street dachte. Das wäre sonst ganz anders für ihn ausgegangen.

"Ich gebe noch dem Fahrer bescheid und hole meine Tasche. Dann können wir gerne gehen und gerne auch ins Hovel."

Mit diesen Worten wandte sich Alfons ab und ging zur Fahrertür, wechselte ein paar Worte und gab dem Mann ein wenig Geld. Der Wagen war noch die ganze Nacht gemietet und da Alfons ihn nun nicht mehr brauchte, konnte sich der Fahrer eine schöne Zeit machen. Vielleicht ins Kino und die Nachtvorstellung genießen, wenn es denn eine gab, sich in ein Lokal setzen oder vielleicht einfach noch eine kleine Runde dösen. Der Engländer wunk ab, als der Fahrer noch aussteigen wollte um ihm seine Tasche zu geben, aber das brachte nicht viel und der Mann stieg trotzdem aus. Es gehörte sich einfach und so öffnete der Fahrer den Kofferraum und gab Alfons seine Reisetasche. Die Tasche hatte eigentlich diese praktische Trollifunktion. Ziehen statt tragen war eine unglaubliche Erleichterung, vor allem bei längeren Strecken, aber die Rollen waren für das weitere Vorankommen einfach zu laut und so musste Alfons wohl oder übel die Tasche tragen.

Der Fahrer verabschiedete sich noch einmal und schien gar nicht zu bemerken, dass da gar keine zweite Person anwesend war, die Alfons abholte und das war eigentlich auch vollkommen egal. Der Kunde war da wo er sein wollte und damit war sein Job erledigt. Man war es ja gewohnt diskret zu sein und so fuhr der Wagen dann weg.

Als er weg war, zeigte dann auch der Engländer sein wahres Gesicht. Ein bleicher, fast weißer, monströser und kahler Schädel ragte aus dem selben, guten Nadelstreifenanzug heraus. Offensichtlich gab sich Alfons nicht nur mit der Illusion guter Kleidung zu frieden. Zwei spitze Schneidezähne ragten über die spröden Lippen heraus und waren viel zu eng bei einander. Das würde seltsame, aber recht eindeutige Wundmale hinterlassen, wenn er jemanden biss. Ein alptraumhaftes Grinsen überzog diesen Schädel, definitiv etwas für starke Nerven und für viele auch ein Grund sich überaus schnell und gekonnt mit einem "Waaaaahhhh!!!" zu verabschieden.

Der gute, alte Graf Orlok

Nosferatu2.jpg

"Aber um mich noch einmal vorzustellen, Alfons, Ancilla vom Clan der Verborgenen, vormals ehrenhaftes Mitglied der Domäne London. Welche Garderobe ist denn geeignet für das Treffen beim Hovel?"
 
AW: [05.05.2008] - Treffpunkt Güterbahnhof

Der Fahrer und der Wagen gehörten also nicht zu Alfons, gut also dass sie nicht damit gefahren waren. Sie hätten sich wohl kaum unterhalten können, während ein Mensch zuhörte. Es bestätigte Lurker auch darin, dass er dafür gesorgt hatte ungesehen zu bleiben. Kurz besah er sich das Gepäck des Anderen. Scheinbar wollte er es mitnehmen, kein Wunder, noch hatte er sicher keine Bleibe. Der Engländer sah allerdings nicht so aus, als würde er im Keller eines Abbruchhauses oder im Untergrund den Tag verbringen wollen. Einerlei, wenn Alfons einen gewissen wohnkomfort bevorzugte, konnte er genauso gut in diesem Hotel in der Gast Domäne bleiben. Soweit er wusste hatte noch nie ein Mitglied seines Clans dieses Angebot in Anspruch genommen, denn die Familie half sich lieber selbst und die wenigsten fragten nach Balkon und Meerblick, aber irgendwann war immer das Erstemal.

Er besah sich Alfons kurz und ein leichtes Schmunzeln lag auf seinen aufgeworfenen Zügen. Dieser hier hätte Lurkers Erzeuger sicher gefallen. So ähnlich musste er selber auch ausgesehen haben, als er hier vor Jahren angekommen war. Ein vornehmer Zwirn und klassische Kleidung. Auch wenn er damals schon in Gruften gelegen hatte. Das war eindeutig der Stil, den man ihm auch eingebleut hatte. Erst nachdem er Dimitri kennengelernt hatte und mit dessen Hilfe die Mauern in seinem Verstand eingerissen hatte, war der Nosferatu zu dem geworden, was hier heute Abend stand.

Wir werden sehen was die Stadt aus dir macht, mein Freund. Wenn sie dich nicht auslöscht. So ist Finstertal. Ein Abgrund... und er ist tausend Nächte tief.

Scheinbar gehörte auch Alfons, so wie Lurker selbst und auch Massimo, zu einer bestimmten Blutslinie innerhalb des Clans, denn es gab durchaus Ähnlichkeiten in dem, was der Fluch aus ihnen gemacht hatte. Er nahm dies und die Demaskierung mit einem freudigem Nicken zur Kenntnis. Dann tat der Andere etwas, mit dem Lurker nicht gerechnet hatte. Es war ein wenig steif, aber natürlich absolut höflich und korrekt sich vollständig und nach Sitte ihrer Väter vorzustellen. Aber er hatte das lange nicht mehr selber getan. Nicht Außenstehenden gegenüber und innerhalb der Famile schon gar nicht. Aber es passte natürlich zu dem Auftreten des neuesten Mitglieds ihrer Gemeinschaft.
Allerdings gab es da diese kleine, neue Unpässlichkeit in seiner Vorstellung. Nun gut, es musste wohl sein, alles andere wäre unhöflich.

Willkommen in Finstertal, ich bin Lurker, Primogen unseres Blutes hier.

Da, bitteschön. Er hatte es gesagt. Er hatte sich noch nie so vorgestellt. Es kam ihm auch merkwürdig vor, aber er würde sich wohl daran gewöhnen müssen.

Deine Garderobe kannst du wählen wie es dir beliebt. Wir treffen nur jemanden im Hinterhof dieses Lokals. Es ist sehr laut und nicht unbedingt gesittet dort, daher würden wir nur dort hineingehen, wenn du es möchtest. Komm, ich zeige dir auf dem Weg ein wenig die Stadt aus ihrer schönsten Perspektive.

Damit meinte er die Schleichwege über Feuerwehrleitern, Gärten und Hinterhöfen, entlang an alten Mauern und verlassenen, kleinen Gassen. Er machte eine einladende Geste in Richtung des Lichtermeers und der rauchende Schlote, die den Ostteil der Stadt ausmachten.
 
Zurück
Oben Unten