Zwiegespräch

Branigan

- Bergische Domäne -
Registriert
11. Juli 2004
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Zu Engel, ein Raphaelit, der starken Zweifel hegt und das nicht ohne grund:


Der Steinboden ist angenehm kühl unter den nackten Fußsohlen. Ich versuche die Empfindung näher zu erfassen. Es gelingt nicht. Ich lenke unwillkürlich meine Schritte zu der kleinen Kommode rechts an der Wand, starre auf die Holzmaserung. Mein Blick verharrt unwillkürlich und Gedanken brechen sich ihre Bahn. Was ist nur in den letzten Monaten und Wochen passiert?! An was für einem scheußlichen Schmierentheater nehme ich hier eigentlich teil? Mir kommen Namen in den Kopf und dummerweise auch noch die zugehörigen Gesichter.

Ich freue mich euch zu sehen! Ich hab euch so lange nicht gesehen. Warum seid ihr nie da? Und geht weg, wenn ich euch brauche?
Du bist weggegangen! Hast alles verraten! Uns verraten!“

Ich schüttle den Kopf und schließe die Augen, die Bilder verschwimmen ganz langsam und werden zu einem Nichts. Die Rufe sind auch verebbt. Was ist mir denn lieber? Die Anschuldigungen oder das Nichts?

Es ergibt alles keinen Sinn. Wofür habe ich denn meine Zeit mit den anderen verbracht? Wozu die Lehren der Angelitischen Kirche inhaliert, zitiert und für mich als unumstößliches Gesetz verankert? Dabei ist alles ein Nichts. Genau wie in meinem Kopf. Für ein Nichts haben wir unser Leben auf’s Spiel gesetzt. Für ein Nichts haben wir getötet. Für ein Nichts – Nein, an ein Nichts haben wir geglaubt. Alles dumpfe, hässliche Lügen! Ein großer Flickenteppich voller ekelhafter großer Lügen.

Ein Würgereiz kommt in mir hoch. Brennende bittere Galle. Und mit ihr kommt die Wut.
Warum das Gerede von diesem Gott? Ich spucke meine gelbe Galle auf ihn! Er hat meine Schwester auf dem Gewissen, er hat meine Eltern auf dem Gewissen… Er kann sich die Knochenkrone aufsetzen. Mit Galle grüßen wir Dich, König des beißenden Spotts.
Aber ich werde mich nicht vor Dir beugen! Ich habe lange genug nach Deinem Belieben den Narren gespielt. Ich kann Dich jedoch trösten, Du hast noch ein millionenschweres Heer an Narren. Mächtige Narren – Narrenkönig!

Meine, jetzt offenen Augen wandern über das Holz, bis zu einem Messer.

Der Herr ist kein Hirte,
das Nichts ist in mir.


Er läßt mich lagern auf Todesäckern
und führt mich zum Lügenquell am Wasser.


Er entfacht mein Verlangen;
er leitet mich auf falschen Pfaden, treu seinem Namen.


Muß ich wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte Unheil;


Denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab geben mir Schläge.


Du lässt mich verhungern,
vor den Augen meiner Freunde.


Du salbst mein Haupt mit Galle,
du füllst mir reichlich den Becher.


Lauter Schmach und Lüge werden mir folgen mein Leben lang,
und im Haus des Herrn will ich nicht wohnen für keine Zeit.


.

Meine Lippen flüstern und das Messer schneidet die Lügenhaare herunter.
 
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