AW: Wie macht ihr eure Kämpfe spannend?
Spannung in einem Kampf entsteht, wenn die Spieler einerseits wissen: ihre Charaktere können sterben, es gibt kein Gnade vor Recht. Und sie andererseits glauben (müssen), dass der Gegner stark genug ist, sie zu töten, durch schiere Masse oder aber Macht.
Ansonsten brauchen sie einen Kampf auch nicht ernst zu nehmen.
Hm ... stimmt mich nicht glücklich. Charaktertod ist so endgültig und hat bisher noch jede gut harmonierende Charakterparty auseinander getrieben. Insbesondere dann, wenn der Charakter über mehrere Sitzungen hinweg fest integriert war. Charaktertod ist nicht das einzige was die Spannung im Kampf oder im Spiel generell ausmacht. Kommt aufs Setting an würd ich sagen, kommt auf die Spieler an ... aber vor allem ist es keine Sache, die man pauschal beantworten kann.
Cthulhu spielt sich anders als Mutants & Masterminds welches sich anders spielt als Shadowrun welches wieder anders funktioniert als D&D welches auch anders daher kommt als DSA oder Vampire oder Witchcraft ....
Bei Cthulhu sind Wahnsinn und Charaktertod allgegenwärtig. Bei Mutants & Masterminds wird in der Regel nicht oder nur selten getötet....Superhelden tun sowas für gewöhnlich nicht. Es geht ja gerade in diesem Spiel davon epische Geschichten von Superhelden zu erzählen, die mit einem einzigen Feat effektiv unbesiegbar sind und selbst wenn sie ihn nicht haben immer noch schwer komplett auszulöschen sind. Darum gehts aber auch gar nicht. Es geht um Weltuntergangsmaschinen, aberwitzige Superbösewichte, Kostüme aus Spandex und und und. Shadowrun kann alles inne haben ... von Low-Life Straßenpunks, die in Gangstreitigkeiten hingerafft werden bis hin zu völlig hochgezüchteten Cybermonstern. Charaktertod ist eine Möglichkeit ... aber in der Regel gehts auch eher um das drumherum, Großkonzerne, Intrigen ... was nimmt es dem Spiel an Fahrt, wenn der Konzern sein Double-Crossing durchzieht, zwei Runner hingerichtet werden und die anderen beiden mit ihrer Schuld leben müssen. Danach kann man dann auch von vorn anfangen.
Bei D&D kann ein toter Charakter ein Aufhänger für eine Quest sein, weil der Charaktertod dort nicht endgültig sein muss, sondern durchaus ein temporäres Problem darstellen kann. Langweilig ists für den Spieler trotzdem erstmal.
und und und ...
Ne, ich bin mittlerweile felsenfest davon überzeugt, dass ein vorschneller Charaktertod (falsch gewürfelt, "passt ja gerade so gut", Hinterhalt mit aller Konsequenz) eher kontraproduktiv ist. Die Spannung im Kampf (aber auch in der Story) kommt meiner derzeitigen Feststellung nach eher daraus was die Spieler draus machen. In einem Kampf erwarte ich, dass rollengespielt wird neben den Würfelergebnissen. Ich will beschriebene Handlungen, ich will Flüche, ich will Dramatik gegen übermenschliche Monstren und Mitleid gegenüber eindeutig schwächeren Gegnern (soferns denn zur Gesinnung der Spielercharaktere passt).
Es ist auch immer eine Sache des Blickwinkels. Die Würfel sagen: "Der Charakter ist tot!" ... die Regeln sagen dasselbe, weil der verpatzte Würfelwurf eindeutig ist. Und dennoch ... der SL entscheidet "Der Charakter lebt!" Er blutet stark, sein Geist sieht bereits das Licht am Ende des Tunnels und riecht den zitronigen Kuchen, den die längst verstorbene Großmutter einst auftischte. Er spürt den Schmerz ... aber er lebt. Er atmet und er wird von seinen Leuten vom Schlachtfeld gezogen. Und er muss damit umgehen. Mit den Narben, mit den gebrochenen Knochen ... aber auch mit dem Wissen gerade eben dem Sensenmann knapp entkommen zu sein. Pulp Fiction zeigt mit Vince Vega, Jules Winnfield und auch Mia Wallace was eine solche Erfahrung bewirken kann.
Vince und Jules werden beide beinahe erschossen. Vince betrachtet es als Teil des Business, während Jules eine religiöse Erfahrung hat. Später überlebt 'Pumpkin' obwohl Jules ihn auch hätte abknallen können. Und Mia? Die kriegt ne Überdosis und wird danach mit ner Adrenalinspritze zurückgeholt. Effektiv hätte die Frau mindestens nen Hirnschaden haben müssen ...
Nein ... die Dramatik eines Kampfes wird nicht immer dadurch besser, dass die Spieler wissen ihr Charakter könnte jederzeit abkratzen. Mit der Message brauchen sie keine - fürs Rollenspiel typischen - Risiken einzugehen. Dann kann man auch zuhause vorm TV sitzen bleiben oder auf ner Ranch versacken. Viel interessanter für den ganzen Storyablauf sind Handlungen und deren Konsequenzen die über den Tod der Charaktere (möglicherweise basierend auf einer dummen Entscheidung des Spielers) hinaus gehen. Wichtig ist was der Spieler draus macht. Ein Charakter der einfach so ohne Konsequenzen aus der Story hinaus gestrichen und beliebig ersetzt werden kann war kein interessanter Charakter. Letztere sterben nicht einfach ... das ist langweilig und fördert auch nicht den Gruppenzusammenhalt. Oft genug erlebt, dass nach dem Tod interessanter Charaktere diese durch Schatten ersetzt wurden und die Gruppe nach drei bis vier weiteren Treffen an den Nagel gehängt wurde.
Ich persönlich empfinde es als viel spannender hervorzubringen was mit dem Charakter passiert, der all das "unmöglich hat überleben können". Mit ihm, mit seinen Freunden.
Ergo: Stimmung bringen vor allem die richtige Hintergrundmusik und die Erklärungen und Ausführungen abgeleitet aus den Würfelwürfen gepaart mit dem Fokus darauf für die Gesamtsituation/ das Setting gerade angemessen ist. Natürlich ist ein gefesselter Charakter in einer Foltersituation ohne Hilfe auf 2km prädestiniert für einen grausamen Charaktertod ... inwieweit das den Spielspaß fördert sei einmal dahin gestellt.
Marrok schrieb:
Ich hab schon Runden erlebt wo das "sterben" des Charakter im Kampf so gut wie unmöglich war. Es fängt an mit einem "ein Spieler soll nicht durch Würfelpech seinen Charakter verlieren" bis hin zu "im echten Rollenspiel soll niemand anders als der Spieler selbst über den Tod von seinem Charakter entscheiden". Beides ist meines Erachtens Schwachsinn auch wenn man eventuell bei Punkt 1 Ausnahmen machen kann.
Schwachsinn ist IMO eins der Worte, welches insbesondere in diesem Forum zu oft gebraucht wird. Ich mein ich hab früher mal genauso argumentiert...ich find daran aber irgendwie nichts mehr. Ich stecke Zeit und Herzblut in einen Charakter ... da ist es dann blöd, wenn innerhalb von wenigen Minuten wer weiß wieviele Stunden den Gulli runtergehen, weil jemand jetzt beschlossen hat "Ende Gelände". Falls ich - aus Sicht des SLs - dumme Entscheidungen treffe erwarte ich, dass er nochmal nett nachfragt ob mir die Konsequenzen bewusst sind. Und selbst wenn denn alles offensichtlich gegen mich gerichtet ist: Ein Pyromancer der seinen heftigen Feuerzauber volle Kanne vergeigt und licherloh in Flammen steht ist immer noch interessanter, wenn er hinterher mit dem charamanten Lächeln eines Freddy Krueger durch die Welt stiefeln muss, als wenn von ihm nur ein Haufen Asche übrig bleibt.
Ich find das nicht angemessen wegen einer Pro-Charakter Einstellung gleich "schwachsinnig" sein zu sollen. ... So der Realität wegen - was das oftmals hervorgebrachte Argument für vorzeitiges Charakterableben ist. Ohne Todeschance keine Spannung ... ja, richtig ... weil nur Extreme zählen. Tod oder töten. Überheblichkeit seitens der Bösewichte, die dem Charakter genau die Chance die er gerade braucht einräumt oder auch eine zweite Chance im Sinne eines "Deine Zeit ist noch nicht gekommen" ist einfach nicht drin. Muss es ja auch nicht ... in Spielen wie Cthulhu oder SLA Industries sind Charaktere ja auch mehr oder weniger Mittel zum Zweck und wertlos (wobei mir SLA schon wieder eindeutig zuviel Steigerungspotential hat). Aber in einem Helden Rollenspiel? Oder einem Game wo es um DIE Intrige geht?
Die Frage möge sich jeder selbst beantworten, aber diese Kardinalabwertung "Schwachsinn" bitte für sich behalten.