AW: Wie bringt man BoL an den DSA'ler?
Dazu müßte man erst einmal wissen, was ein "typischer DSA-Fan" so vom Hobby allgemein und von einem Rollenspiel - neben DSA - erwartet.
Vorurteile und Vermutungen
Ich bin kein DSA-Spieler. Ich habe daher nur VORURTEILE und VERMUTUNGEN, warum sich jemand mit einer überspezifizierten Welt und einem überladenen Regelsystem befassen mag.
Für mich ist die Spielwelt Lemuria das genaue GEGENTEIL von Aventurien. - Sie ist RIESIG und absichtsvoll unterspezifiziert. (Siehe auch hier:
Barbarians of Lemuria: Entdecke Lemuria!)
Für mich ist das BoL-Regelsystem das genaue GEGENTEIL von DSA in seiner aktuellen Ausprägung (eher vergleichbar mit DSA1). - Es ist einfach strukturiert, erfordert vom Spielleiter mehr ad-hoc-Entscheidungen und mehr Improvisation, weil das "Regelnetz grobmaschiger" ist.
Ich könnte mir daher vorstellen, daß ein DSA-Spieler, der mal URLAUB von all der kleindetaillierten Detailfülle Aventuriens und DSAs machen möchte, bei BoL die FREIHEIT des ungezügelten Abenteuers finden kann.
Immerhin sind bei BoL die SCs WIRKLICH HELDEN und nicht nur "helden", die nur ja nichts Jahre im voraus vorgeplottet Festgelegtes ändern dürfen. - Ein BoL-Charakter startet schon SEHR kompetent und drückt der Spielwelt seinen Stempel auf. - Wer also bei DSA den Eindruck hat, daß er nur noch am Zurückstecken ist, daß er nie wirklich etwas mit seinen SCs bewegen kann, daß er von Regelwerk und Metaplot kleingehalten wird, für den dürfte BoL ein Befreiungsschlag zu mehr SPIELFREIHEIT sein.
Sword&Sorcery ist anders als EDO-Fantasy
Man darf aber dabei nicht vergessen, daß BoL NICHT DSA-typische EDO-Fantasy mit "Tolkien-Stallgeruch" bietet, sondern SWORD&SORCERY-Fantasy.
Das ist schon ein ganz eigener Bereich der Fantasy. - Keine Elfen, keine Zwerge, keine Orks, kein "Tavernenrumsitzen", kein "Einkaufen spielen". Hier geht es darum etwas zu TUN! Die Dinge anzupacken, zu verändern, sich die Welt zu nehmen. Das (wieder so ein "Fern-Eindruck" von mir) passive "Gespielt Werden", was ich aus so manchen DSA-Themen als von den DSA-Abenteuer-Entwicklern vorgesehen bzw. von den DSA-Spielern erwartet wahrgenommen habe, ist für eine Sword&Sorcery-Runde tödlich. - Ohne AKTIVITÄT von Spielerseite trifft man das Genre mit seinen Stärken überhaupt nicht. Die Charaktere mögen sich in der Spielwelt treiben lassen, aber sie sind selbst nicht passiv, sondern ihr ganzes Wesen als Sword&Sorcery-Charakter drückt sich durch ihr AKTIVES HANDELN aus. Das "Drifter"-Dasein ist nur die "Begründung" dafür, wie die SCs vom Verprassen ihrer Reichtümer der letzten Spielsitzung mal wieder in Teufels Küche geraten sein mögen. Da sind sie nun drin und es geht gleich los mittenrein ins Abenteuer!
DSAs Vorstoß in das Sword&Sorcery-Genre
Mein Eindruck zu DSA und Sword&Sorcery: Die größte Nähe des EDO-Fantasy-DSA mit Sword&Sorcery-Fantasy gab es im Schwertmeister-Hohlwelt-Thema.
Tharun ist eine Welt voller meisterlicher Waffenkünstler, geheimnisvoller Inselreiche, Reit-Insekten, Briganten, Piraten, dunklen Göttern, usw. - Tharun ist meines Erachtens aus dem DSA-Umfeld die IDEALE Welt, um sie mit BoL zu bespielen.
Das alte Tharun aus den Schwertmeister-Boxen hatte damals leider ein unausgegorenes Regelwerk zu bieten, doch war die Welt mit ihrem asiatisch-barbarischen Flair viel stärker von NICHT-tolkienscher Fantasy geprägt, als dies auf der "Kehrseite" der Welt, in Aventurien, der Fall war.
Ich könnte mir sehr gut vorstellen, daß DSA-Fans sich über Tharun an die andere Art von Fantasy, die Sword&Sorcery nun einmal darstellt, gewöhnen könnten - ideal unterstützt vom BoL-Regelsystem.
Und wer erst einmal Reit-Insekten und freiere Runenstein-Magie gewohnt ist, der kommt auch mit Reit-Echsen oder Reit-Vögeln und völlig freier Ritual-Magie in BoLs Spielwelt Lemuria klar.
Wahrnehmungsdifferenzen
Noch etwas hierzu:
BoL könnte im Gegensatz zu DSA etwas monochrom und old schoolig wirken. Man fühlt sich da vielleicht nach DSA 1 rückversetzt.
Zur Farbigkeit:
Das obige Zitat stellt DSA als "farbig" dar. Das ist NICHT MEINE Wahrnehmung. Auf mich wirkt DSA immer wie mit Weichzeichner und Entsättigung dargebotene Fantasy. Ausgeblichen.
BoL ist für mich das wohl BUNTESTE, SAFTIGSTE, FARBENFROHESTE Fantasy-Rollenspiel, das ich den Genuß zu spielen hatte. BoL ist LEBENDIG! Man fühlt den Pulsschlag einer barbarisch-ehrlichen Welt. Man schwelgt in der Opulenz der Farben, Formen und Gerüche in den Metropolen Lemurias. Es rührt das Herz, wenn man auf den Planken seiner Kriegsgaleere im blutroten Sonnenaufgang der feindlichen, den Horizont mit schwarzen Schiffen füllenden, Piratenflotte entgegen fährt, den Ruderschlag wie den Herzschlag des Kriegers fühlend, der kampfbegierig den nächsten Gegnern entgegenfiebert.
Wie man BoL als "monochrom" empfinden kann, entzieht sich meiner Vorstellung. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Zur "Old-School"-igkeit:
Weiters ist BoL NICHT "old school"-ig!
BoL ist ein EINFACHES Regelsystem, welches ein grobmaschiges Regelnetz spannt, dessen Maschen situativ vom Spielleiter über ad-hoc-Regelungen geschlossen werden müssen. Insoweit ist es mit Old-School-Rollenspielen wie Labyrinth Lord usw. zu vergleichen.
Aber BoL ist - anders als Old-School-Rollenspiele - klar "hochoktaniger" aufgestellt. Die Charaktere BEGINNEN bereits sehr kompetent, statt die alte "vom Fackelträger zum Meister des Universums"-Aufstiegsgeschichte zu durchleben.
Durch solche eher aus dem Player-Empowerment der Indie-Ecke stammenden Mittel wie den Helden-Punkten können sie MASSIV in die Entwicklung der aktuell gespielten Geschichte eingreifen. Es ist anders als bei Old-School, wo gilt: "Ein Würfelwurf, ein Leben". Old School steht für ein faires Spiel, das die Findigkeit der Spieler belohnt, indem ihre Charaktere überleben. BoL hat seinen Schwerpunkt auf der Genre-Umsetzung von Sword&Sorcery-Fantasy-Geschichten und -Romanen. Daher sind die Charaktere nicht nur kompetenter, sondern auch viel zäher, viel überlebensfähiger als man dies in Old-School-Rollenspielen findet. Bei BoL gibt es KEINEN "Save-or-Die"-Effekt!
BoL plaziert die SCs sogleich als HELDEN. Diese SOLLEN lange überleben und trotzdem ständig was reingewürgt bekommen (getreu der Lester Dent Formel für Pulp-(in diesem Falle Fantasy-)Geschichten. Das schafft BoL ganz vorzüglich. Man spürt ständig die Herausforderungen, aber man kann sie - mit Einsatz der Heldenpunkte - eben auch bewältigen.
Als Spielleiter ist man bei BoL eher gehalten WOHLWOLLEND die stilistisch markanten Aktionen der SCs zu behandeln, als daß man sich hier auf eine "neutrale Weltsimulation" zurückziehen könnte. Ein HELD scheitert nicht an Kleinkram! Die Spielwelt BEUGT sich den HELDEN gegenüber, auf daß die HELDEN nur mit den WICHTIGEN Gegnern, Monstern, Gefahren in ganzer "Leinwandbreite" zu tun haben. (Siehe die Gesindel-Regeln - insbesondere den Effekt von Mächtigen und Legendären Erfolgen.)
Zur "Verwandtschaft" mit DSA 1:
Auch wenn BoL ein EINFACH strukturiertes Regelsystem darstellt, so ist es doch mit ganz anderer Zielsetzung aufgebaut, als DSA1. - An Regelkomplexität kann man es schon mit DSA1 vergleichen. Aber DSA1 hatte, obschon auch dort schon von "Helden" geredet wurde, eben NICHT den Schwerpunkt auf solch überlebensstarken, moralisch eher "unabhängigen" Sword&Sorcery-HELDEN.
Die Regeln in BoL sind klar für eine Umsetzung sehr kompetenter Charaktere gedacht. BoL wie auch nur altes DSA zu spielen, bedeutete "mit angezogener Handbremse und platten Reifen" zu fahren.
Ich sehe daher nicht so sehr BoL als eine Art "DSA-Nostalgiker-Rollenspiel". BoL ist KEIN "Ersatz-DSA1"!
BoL hat das auch nicht nötig. BoL ist aus sich selbst ein STARKES STÜCK ROLLENSPIEL!
Mein Ansatz um BoL anderen Rollenspielern näherzubringen
Ich sehe daher eher den Ansatz nicht speziell nur DSA-Spieler, sondern generell Fantasy-Rollenspieler auf Sword&Sorcery-Fantasy aufmerksam zu machen und ihnen zu zeigen, wie gut dieses Fantasy-Genre mit BoL spielbar umgesetzt wird.