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Warum Versagen notwendig ist
Ein A!rtikel von Durro-Dhun
Eine der vielen, immer wieder kehrenden Diskussionen in der Rollenspielgemeinde ist die Diskussion über eigenmächtige Entscheidungen des Spielleiters. Seien dies nun beispielhafte Diskussionen über Meisterwillkür , Railroading, die Frage, ob Würfeldrehen Beschiss ist , oder Die Unart den Spielern seinen Willen aufzudrücken.
Meiner Meinung nach setzt der Großteil dieser Diskussionen aber an der falschen Stelle an. Nämlich an den AUSWIRKUNGEN eines Umstandes der viel zu selten betrachtet wird: Der Notwendigkeit des Versagens.
Um dies eingehender zu erklären, muss ich etwas ausholen:
Bei fast allen rollenspielerischen Situationen geht es um das Erzählen einer Geschichte. Ob es bei dieser Geschichte nun um ein großes, spannendes Abenteuer, die Darstellung eines Charakters in einer besonderen Situation oder um einen hochsimulativ geschilderten Kampf geht, ist dabei meiner Meinung nach nebensächlich. Selbst für „Wettkämpfer-Typen“ Spieler bleibt unter dem Strich ein narratives Ereignis, das erlebt werden will. Diese Geschichte ist aber nur aus einem Grund spannend: Weil niemand – manchmal sogar nicht einmal der Spielleiter – genau weiß, wie sie ausgeht. Oder anders ausgedrückt: Ich bin davon überzeugt, diese Geschichte ist NUR DANN spannend, wenn niemand genau weiß wie sie ausgeht!
Diese Spannung bzw. diese Ungewissheit kann metatechnisch durch verschiedene Mechanismen bewerkstelligt werden. Das im Rollenspiel landläufig gebräuchlichste ist sicherlich die Verwendung eines Zufallsprinzips das über Würfelwürfe oder ähnliche klassische Methoden „Proben“ für bestimmte Charaktersituationen erlaubt. Andere – teilweise umstrittene – Konzepte sind eine rein narrative Erzählweise des Spielleiters oder das mit dem Stichwort „player empowerment“ bezeichnete Zusammenwirken von Spielern und Spielleiter beim Erzählen der Geschichte und auch beim Entscheiden der erzählten Realität und der dargestellten Welt.
Letztendlich ist das Ergebnis aber in allen vorgezeigten Fällen das gleiche: Es bleibt eine reelle Chance zu versagen. Ob nun durch einen verpatzten Würfelwurf, das eigenmächtige Entscheiden des Spielleiters, dass gerade etwas schief läuft oder den Konsens der Gruppe, die sich auf einen spannungserzeugenden Fehlschlag oder ein stimmiges Ereignis geeinigt hat.
Denn ganz ehrlich: Was wäre erzählte Handlung ohne die (reelle) Gefahr des Versagens? Was wäre, wenn Leonardo DiCaprio bei Titanic seinen „Überleben im eisigen Wasser“-Wurf nicht verpatzt hätte? (Typ schleicht sich auf Schiff, trifft Frau, wilder Sex im Auto mit beschlagenen Scheiben, beide retten sich ins Boot und ziehen glücklich das gerade gezeugte Kind groß).
Wie langweilig wäre die Reise der Gefährten durch Moria, wenn unser närrischer Tuk nicht den laut scheppernden, rasselnden Eimer an der Kette in den Brunnen gestoßen und so die Moria-Orks aus ihren Löchern gelockt hätte? Und was wäre das für eine Braveheart-Verfilmung, in der ein William Wallace gemächlich übers Schlachtfeld spaziert, weil er sowieso jeden Kampf gewinnen wird?
Genau. Die porträtierten Charaktere, die Spielercharaktere wären sorglos und gelangweilt, gäben sich keine Mühe mehr und spazierten ohne Vorsicht blind in jede Gefahr, weil sie ja sowieso wieder daraus entwischen würden.
Wenn man diesen Gedanken weiter spinnt, dann denkt man nicht nur an Spielleiter, die großmütig beschließen, dass Charaktere irgend einen kleinen Fehltritt getan haben, um daran eine Handlung aufzuhängen. Dann ist der Weg zu einem Spielleiter, der aus dramaturgischen Gründen hinter seinem Meisterschirm einen Würfelwurf abändert um seine Spielercharaktere doch noch versagen zu lassen, nicht mehr weit. Ich höre schon ein Raunen durch die Menge gehen und einen Zornhau’schen Aufschrei der Empörung, dass das Betrug sei. Darauf antworte ich gelassen: Ja und?! Wer sich darüber beschwert, ist entweder sehr engstirnig bei der Unterscheidung ob das nun eine Gruppenkonsens-Entscheidung oder Willkür des Spielleiters war, oder hat das Prinzip der Erzählung nicht verstanden.
Charaktere zu spielen, die ohnehin nicht versagen können und lediglich vom Spielleiter gefahrlos in Pose gesetzt werden sollen, mutet mir stark nach mentaler Onanie an.
Deshalb kann ich nur vehement dafür eintreten, gezielt mehr Fehlschläge und mehr Versagen in eure Erzählungen und Spielsitzungen einfließen zu lassen – und mehr Verständnis dem Spielleiter gegenüber bezüglich dieser Stil- bzw. Spielmittel aufzubringen. Denn letzten Endes, rettet er damit EUCH Spielern den Spaß am Weiterspielen!
So long,
Euer Durro
Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fragile_Emotion.jpg unter der creative commons Lizenz.
Ein A!rtikel von Durro-Dhun
Eine der vielen, immer wieder kehrenden Diskussionen in der Rollenspielgemeinde ist die Diskussion über eigenmächtige Entscheidungen des Spielleiters. Seien dies nun beispielhafte Diskussionen über Meisterwillkür , Railroading, die Frage, ob Würfeldrehen Beschiss ist , oder Die Unart den Spielern seinen Willen aufzudrücken.
Meiner Meinung nach setzt der Großteil dieser Diskussionen aber an der falschen Stelle an. Nämlich an den AUSWIRKUNGEN eines Umstandes der viel zu selten betrachtet wird: Der Notwendigkeit des Versagens.
Um dies eingehender zu erklären, muss ich etwas ausholen:
Bei fast allen rollenspielerischen Situationen geht es um das Erzählen einer Geschichte. Ob es bei dieser Geschichte nun um ein großes, spannendes Abenteuer, die Darstellung eines Charakters in einer besonderen Situation oder um einen hochsimulativ geschilderten Kampf geht, ist dabei meiner Meinung nach nebensächlich. Selbst für „Wettkämpfer-Typen“ Spieler bleibt unter dem Strich ein narratives Ereignis, das erlebt werden will. Diese Geschichte ist aber nur aus einem Grund spannend: Weil niemand – manchmal sogar nicht einmal der Spielleiter – genau weiß, wie sie ausgeht. Oder anders ausgedrückt: Ich bin davon überzeugt, diese Geschichte ist NUR DANN spannend, wenn niemand genau weiß wie sie ausgeht!
Diese Spannung bzw. diese Ungewissheit kann metatechnisch durch verschiedene Mechanismen bewerkstelligt werden. Das im Rollenspiel landläufig gebräuchlichste ist sicherlich die Verwendung eines Zufallsprinzips das über Würfelwürfe oder ähnliche klassische Methoden „Proben“ für bestimmte Charaktersituationen erlaubt. Andere – teilweise umstrittene – Konzepte sind eine rein narrative Erzählweise des Spielleiters oder das mit dem Stichwort „player empowerment“ bezeichnete Zusammenwirken von Spielern und Spielleiter beim Erzählen der Geschichte und auch beim Entscheiden der erzählten Realität und der dargestellten Welt.
Letztendlich ist das Ergebnis aber in allen vorgezeigten Fällen das gleiche: Es bleibt eine reelle Chance zu versagen. Ob nun durch einen verpatzten Würfelwurf, das eigenmächtige Entscheiden des Spielleiters, dass gerade etwas schief läuft oder den Konsens der Gruppe, die sich auf einen spannungserzeugenden Fehlschlag oder ein stimmiges Ereignis geeinigt hat.
Denn ganz ehrlich: Was wäre erzählte Handlung ohne die (reelle) Gefahr des Versagens? Was wäre, wenn Leonardo DiCaprio bei Titanic seinen „Überleben im eisigen Wasser“-Wurf nicht verpatzt hätte? (Typ schleicht sich auf Schiff, trifft Frau, wilder Sex im Auto mit beschlagenen Scheiben, beide retten sich ins Boot und ziehen glücklich das gerade gezeugte Kind groß).
Wie langweilig wäre die Reise der Gefährten durch Moria, wenn unser närrischer Tuk nicht den laut scheppernden, rasselnden Eimer an der Kette in den Brunnen gestoßen und so die Moria-Orks aus ihren Löchern gelockt hätte? Und was wäre das für eine Braveheart-Verfilmung, in der ein William Wallace gemächlich übers Schlachtfeld spaziert, weil er sowieso jeden Kampf gewinnen wird?
Genau. Die porträtierten Charaktere, die Spielercharaktere wären sorglos und gelangweilt, gäben sich keine Mühe mehr und spazierten ohne Vorsicht blind in jede Gefahr, weil sie ja sowieso wieder daraus entwischen würden.
Wenn man diesen Gedanken weiter spinnt, dann denkt man nicht nur an Spielleiter, die großmütig beschließen, dass Charaktere irgend einen kleinen Fehltritt getan haben, um daran eine Handlung aufzuhängen. Dann ist der Weg zu einem Spielleiter, der aus dramaturgischen Gründen hinter seinem Meisterschirm einen Würfelwurf abändert um seine Spielercharaktere doch noch versagen zu lassen, nicht mehr weit. Ich höre schon ein Raunen durch die Menge gehen und einen Zornhau’schen Aufschrei der Empörung, dass das Betrug sei. Darauf antworte ich gelassen: Ja und?! Wer sich darüber beschwert, ist entweder sehr engstirnig bei der Unterscheidung ob das nun eine Gruppenkonsens-Entscheidung oder Willkür des Spielleiters war, oder hat das Prinzip der Erzählung nicht verstanden.
Charaktere zu spielen, die ohnehin nicht versagen können und lediglich vom Spielleiter gefahrlos in Pose gesetzt werden sollen, mutet mir stark nach mentaler Onanie an.
Deshalb kann ich nur vehement dafür eintreten, gezielt mehr Fehlschläge und mehr Versagen in eure Erzählungen und Spielsitzungen einfließen zu lassen – und mehr Verständnis dem Spielleiter gegenüber bezüglich dieser Stil- bzw. Spielmittel aufzubringen. Denn letzten Endes, rettet er damit EUCH Spielern den Spaß am Weiterspielen!
So long,
Euer Durro
Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Fragile_Emotion.jpg unter der creative commons Lizenz.