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Fu Leng's Hairdresser
- Registriert
- 17. Januar 2009
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AW: Tetsubo unehrenhaft?
Ich glaube, man kann ganz leicht zeigen, WIE reformunfähig Rokugan in dieser Sache ist.
Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass Reformen die Folge eines Leidensdruckes sind, dessen Beseitigung von den Leidenden durchgesetzt werden kann. Wer leidet also unter diesem System, und wer unter diesen Leidenden besitzt die Macht, sich dagegen zu wehren?
Das strenge Feudalsystem von Rokugan ist wie darauf ausgelegt, große Bevölkerungsanteile von vornherein von allen Mitteln der Macht fernzuhalten. Das Monopol auf Waffen und Pferde sichert einer Minderheit die absolute Konrolle über die beherrschten Klassen, was dazu führt, dass der Gedanke des "Von oben nach unten" in einer strengen Hierarchie der einzige Grund ist, warum sie diese Massen an weniger mächtigen Menschen beherrschen dürfen. Da die herrschende Samuraiklasse ihre Verbrechen am Rest der Bevölkerung durch Obrigkeitsvorstellungen legitimieren muss, ist es folgerichtig, dass auch innerhalb der eigenen Kaste Obrigkeitsabstufungen die Rechtmäßigkeit von Handlungen bestimmen.
Genauso, wie die Nicht-Samurai nicht dazu kommen, Macht auszuüben, ist es innerhalb der Samurai-Kaste leicht möglich, Querulanten ihres Status zu berauben. Der verordnete Selbstmord tritt als effektives Mittel hinu, Abweichlereien von vornherein äußerst schwierig und lebensgefählich zu machen.
Kommen wir zum konkreten Problem: Morde geschehen. Nach unserer Vorstellung müsste nun eine objektive Aufklärung stattfinden, um den Verbrecher im Namen des Volkes zu bestrafen. Dieses Volk, dass nach einer solchen Aufklärung verlangen könnte, existiert nicht; es gibt kein bürgerliches Selbstbewusstsein, das Transparenz in Berufung auf seine Selbstbestimmung fordern könnte. Die Entrüstung gegenüber dem Verbrechen ist darum nicht entwickelt, weil es nicht als Verbrechen gege ein öffentliches Interesse empfunden wird. Es ist ein Unglück, dass dieser Mensch gestorben ist, aber das Verhältnis zu diesem Todesfall entspricht unserem Verhältnis zu einem Autounfall. Ja, es sterben Menschen durch Autos, verdammt viele sogar. Aber deswegen denkt keiner daran, Autofahren zu verbieten oder Autos abzuschaffen; sondern die Vorteile, die das Autofahren an sich hat, scheint uns den Nachteil aufzuwiegen, dass hin und wieder Menschen in Autos zu Tode kommen. (Vielleicht werden spätere Jahrhunderte unseren barbarischen Umgang mit diesen Verkehrsunfällen so kritisieren, wie wir heute Feudalsysteme kritisieren.)
Analog dazu der Mord in Rokugan: ja, es ist jemand gestorben, aber der öffentliche Frieden kann leicht wiederhergestellt werden, indem man einen Schuldigen präsentiert oder es einfach auf Böse Geister schiebt, die den Mord begangen haben.
Eine Aufklärung des Mordes nach unseren Methoden würde jedoch anders als das schnelle Nennen eines Schuldigen nicht Frieden stiften und einen Leidensdruck beseitigen; vielmehr würde sie Unruhen hervorrufen und Leiden erzeugen.
Das liegt daran, dass im Verlauf einer solchen Aufklärung Informationen offen gelegt werden müssten, die ganz andere Verbrechen ans Licht der Öffentlichkeit zerren: jeder Fürst, dessen Dienstmann getötet wurde, hat selber zehn Leichen im Keller. An einer schrankenlosen Aufklärung kann ihm nicht gelegen sein, da die Taten, die, wie es nun ans Licht kommt, er selbst angeordnet hat, ebenfalls nach Vergeltung schreien. Den Toten würde es nicht wieder lebendig machen, aber viele andere Tote wären die Folge.
Für die Fürsten ist es also von großem Interesse, ihre Kontrolle über die Tatsachen, die Beweise, zu behalten. Wenn sie nach Vergeltung streben, wissen sie meist, wen sie dafür bestrafen müssen, und regeln dies unter der Hand - wieder ein Mord, den niemand gewillt sein sollte, objektiv aufzuklären.
Doch auch in den Rängen unter den Fürsten bietet die Art und Weise, wie Rokugan seine Verbrechen aufklärt, einen entscheidenden Vorteil: wenn ein Duell die Beweislage in Bezug auf einen beliebigen Sachverhalt entscheidet, wird die Fähigkeit, in Duellen zu siegen, zu einem wichtigen politischen und juristischen Instrument. Folglich produziert eine ganze gut geförderte Industrie fähige Duellanten, um in wichtigen Entscheidungsprozessen Klarheit zu erzwingen. Kampfschulen erhalten Geld, Einfluss und Hoheitsrechte,die ihnen ein elitäres Dasein sichern. Ihr Interesse, Verbrechen auf eine andere Art zu lösen, dürfte demnach gegen Null gehen, entsprechend werden ihre Schüler indoktriniert, die wieder die einzigen sind, die die Macht hätten, gegen das System sich aufzulehnen. Zudem bietet in einem solchen Rahmen die Begabung, Duelle zu gewinnen, einen entscheidenen Faktor, gesellschaftlich aufzusteigen. Wir alle spielen solche Charaktere.
Letztlich: der Kaiser könnte per Dekret natürlich solche Sachen fordern wie eine "westliche" Aufklärung von Verbrechen. Würde das aber seine eigene Person mit einschließen? Könnte er es sich leisten, all seine Machthaber gegen sich aufzubringen? Was wäre, wenn unter einem solchen Gesetz sogar die niederen Kasten ihr Recht fordern würden?
Ich weiß nicht, von welchem Punkt aus man die rokuganische Gesellschaft reformieren könnte. Und das war jetzt allein von der Kultur aus sich heraus argumentiert; hinzu kommt ja noch, wie HJ bereits sagte, dass die Berufungslegenden der herrschenden Klassen anders als in unserer Geschichte keine Märchen sind, sondern durchaus Hand und Fuß haben und sich gerne selber mal zu Wort melden.
Ich weiß nicht, wie ihr darauf kommt, daß ich den Kaiser absetzen will und/oder eine Demokratie einführen möchte. Ich würde das rokuganische System nicht mit einer Demokratie vergleichen, sondern mit einer Monarchie. Auch wenn Reformen nicht unbedingt leicht umzusetzen sind, sollte dies doch gerade in einem System, in dem das Wort des Kaisers Gesetz ist, möglich sein.
Ich glaube, man kann ganz leicht zeigen, WIE reformunfähig Rokugan in dieser Sache ist.
Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass Reformen die Folge eines Leidensdruckes sind, dessen Beseitigung von den Leidenden durchgesetzt werden kann. Wer leidet also unter diesem System, und wer unter diesen Leidenden besitzt die Macht, sich dagegen zu wehren?
Das strenge Feudalsystem von Rokugan ist wie darauf ausgelegt, große Bevölkerungsanteile von vornherein von allen Mitteln der Macht fernzuhalten. Das Monopol auf Waffen und Pferde sichert einer Minderheit die absolute Konrolle über die beherrschten Klassen, was dazu führt, dass der Gedanke des "Von oben nach unten" in einer strengen Hierarchie der einzige Grund ist, warum sie diese Massen an weniger mächtigen Menschen beherrschen dürfen. Da die herrschende Samuraiklasse ihre Verbrechen am Rest der Bevölkerung durch Obrigkeitsvorstellungen legitimieren muss, ist es folgerichtig, dass auch innerhalb der eigenen Kaste Obrigkeitsabstufungen die Rechtmäßigkeit von Handlungen bestimmen.
Genauso, wie die Nicht-Samurai nicht dazu kommen, Macht auszuüben, ist es innerhalb der Samurai-Kaste leicht möglich, Querulanten ihres Status zu berauben. Der verordnete Selbstmord tritt als effektives Mittel hinu, Abweichlereien von vornherein äußerst schwierig und lebensgefählich zu machen.
Kommen wir zum konkreten Problem: Morde geschehen. Nach unserer Vorstellung müsste nun eine objektive Aufklärung stattfinden, um den Verbrecher im Namen des Volkes zu bestrafen. Dieses Volk, dass nach einer solchen Aufklärung verlangen könnte, existiert nicht; es gibt kein bürgerliches Selbstbewusstsein, das Transparenz in Berufung auf seine Selbstbestimmung fordern könnte. Die Entrüstung gegenüber dem Verbrechen ist darum nicht entwickelt, weil es nicht als Verbrechen gege ein öffentliches Interesse empfunden wird. Es ist ein Unglück, dass dieser Mensch gestorben ist, aber das Verhältnis zu diesem Todesfall entspricht unserem Verhältnis zu einem Autounfall. Ja, es sterben Menschen durch Autos, verdammt viele sogar. Aber deswegen denkt keiner daran, Autofahren zu verbieten oder Autos abzuschaffen; sondern die Vorteile, die das Autofahren an sich hat, scheint uns den Nachteil aufzuwiegen, dass hin und wieder Menschen in Autos zu Tode kommen. (Vielleicht werden spätere Jahrhunderte unseren barbarischen Umgang mit diesen Verkehrsunfällen so kritisieren, wie wir heute Feudalsysteme kritisieren.)
Analog dazu der Mord in Rokugan: ja, es ist jemand gestorben, aber der öffentliche Frieden kann leicht wiederhergestellt werden, indem man einen Schuldigen präsentiert oder es einfach auf Böse Geister schiebt, die den Mord begangen haben.
Eine Aufklärung des Mordes nach unseren Methoden würde jedoch anders als das schnelle Nennen eines Schuldigen nicht Frieden stiften und einen Leidensdruck beseitigen; vielmehr würde sie Unruhen hervorrufen und Leiden erzeugen.
Das liegt daran, dass im Verlauf einer solchen Aufklärung Informationen offen gelegt werden müssten, die ganz andere Verbrechen ans Licht der Öffentlichkeit zerren: jeder Fürst, dessen Dienstmann getötet wurde, hat selber zehn Leichen im Keller. An einer schrankenlosen Aufklärung kann ihm nicht gelegen sein, da die Taten, die, wie es nun ans Licht kommt, er selbst angeordnet hat, ebenfalls nach Vergeltung schreien. Den Toten würde es nicht wieder lebendig machen, aber viele andere Tote wären die Folge.
Für die Fürsten ist es also von großem Interesse, ihre Kontrolle über die Tatsachen, die Beweise, zu behalten. Wenn sie nach Vergeltung streben, wissen sie meist, wen sie dafür bestrafen müssen, und regeln dies unter der Hand - wieder ein Mord, den niemand gewillt sein sollte, objektiv aufzuklären.
Doch auch in den Rängen unter den Fürsten bietet die Art und Weise, wie Rokugan seine Verbrechen aufklärt, einen entscheidenden Vorteil: wenn ein Duell die Beweislage in Bezug auf einen beliebigen Sachverhalt entscheidet, wird die Fähigkeit, in Duellen zu siegen, zu einem wichtigen politischen und juristischen Instrument. Folglich produziert eine ganze gut geförderte Industrie fähige Duellanten, um in wichtigen Entscheidungsprozessen Klarheit zu erzwingen. Kampfschulen erhalten Geld, Einfluss und Hoheitsrechte,die ihnen ein elitäres Dasein sichern. Ihr Interesse, Verbrechen auf eine andere Art zu lösen, dürfte demnach gegen Null gehen, entsprechend werden ihre Schüler indoktriniert, die wieder die einzigen sind, die die Macht hätten, gegen das System sich aufzulehnen. Zudem bietet in einem solchen Rahmen die Begabung, Duelle zu gewinnen, einen entscheidenen Faktor, gesellschaftlich aufzusteigen. Wir alle spielen solche Charaktere.
Letztlich: der Kaiser könnte per Dekret natürlich solche Sachen fordern wie eine "westliche" Aufklärung von Verbrechen. Würde das aber seine eigene Person mit einschließen? Könnte er es sich leisten, all seine Machthaber gegen sich aufzubringen? Was wäre, wenn unter einem solchen Gesetz sogar die niederen Kasten ihr Recht fordern würden?
Ich weiß nicht, von welchem Punkt aus man die rokuganische Gesellschaft reformieren könnte. Und das war jetzt allein von der Kultur aus sich heraus argumentiert; hinzu kommt ja noch, wie HJ bereits sagte, dass die Berufungslegenden der herrschenden Klassen anders als in unserer Geschichte keine Märchen sind, sondern durchaus Hand und Fuß haben und sich gerne selber mal zu Wort melden.