Löwenclub Spieleerfinder oder Game Designer?

Dies Thema ist aus dem ehemalien Löwnclub veröffentlicht worden.

Skar

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Der Ludus Mechanicus ist ein Projekt von "Krozz", der hier ja bereits aktiv ist. Sein Werdegang ist für uns pen&paper-Spieler insbesondere interessant, da er intensiv mit dem pen&paper in Berührung gekommen ist und heute im Bereich Game Design doziert.

Kurz noch zum Projekt Ludus Mechanicus: Hier werden Themen zu Game Design in kleinen Challenges aufgegriffen, die sich aus sehr kleinem Maßstab heraus aufbauen. So betrifft die Intro-Challenge das Spiel Mau Mau. Es kann sich also wirklich jeder beteiligen, der am Game Design interessiert ist.

Ludus Mechanicus

Doch jetzt zu meinem eigentlichen Anliegen. Krozz hat einen schönen Artikel namens Spieleerfinder oder Game Designer, was bin ich? dort eingestellt, der ein paar höchst interessante Punkte aufgreift.

So geht es dort um den Spielestandort Deutschland allgemein, um Produktzyklen von Videospielen und Gesellschaftsspielen im Vergleich sowie um eine These, warum Videospiele eher ein negatives Image haben. Hinzu kommt ein Ausblick, dass traditionelle Spieleautoren und -redakteure auch bei Videospielen gewinnbringend ins Spiel kommen können.

Schaut es euch mal an. Eure Meinung interessiert mich dazu sehr.

Krozz via Ludus Mechanicus schrieb:
Spieleerfinder oder Game Designer, was bin ich?

September 26, 2009

Game Designer ist schon ein komischer Berufstitel. Vielleicht wird man später einmal Creative Director… hmm, auch nicht besser. Meine Mutter kann mit beiden Begriffen nichts anfangen, wie wahrscheinlich der überwiegende Teil der Bevölkerung auch. Wie sieht es denn mit Spieleerfinder aus? Ja, das verstehen die meisten sofort, aber so will doch keiner seinen Beruf benennen.
Deutschland hat eine ganz besondere Stellung in der Welt, wenn es um Spiele geht. Damit meine ich weniger die 6.684.462 Mitglieder des DFB und die 178.396 Fußballmannschaften, die jede Woche gewertete Spiele durchführen. Deutschland besitzt relativ wenige erfolgreiche Entwicklerstudios, die internationale Titel auf den Markt bringen. Obwohl das Land eine Menge Videospieler hat, die Ausbildung gut ist und eine optimale Infrastruktur, wie PC und DSL-Verbreitung anbietet. Trotzdem sind es die Amerikaner, Franzosen oder Engländer, die Top-Spiele entwickeln und nicht deutsche Firmen (oder deutsche Muttergesellschaften). Das Geld wird zwar hier für Videospiele ausgegeben, fließt aber eher den Entwicklern im Ausland in die Tasche.
Naja, vielleicht haben die Deutschen keine Ahnung von Spielen oder Spaß im Allgemeinen. Man hört doch öfter so etwas über die Deutschen… Aber was war denn mit Goethe, Schiller, Fröbel und den anderen Denkern unserer Nation? Hatten die nicht schon die Bedeutung des Spiels erkannt? In keinem Land der Welt werden so viele Gesellschaftsspiele entwickelt, wie in Deutschland. Die größte Fachmesse und die größte Publikumsmesse für klassische Spiele finden in diesem Land statt (Spielwarenmesse in Nürnberg und SPIEL in Essen*).
Aber die traditionellen Spieleverlage trauen sich nicht an die Videospieler heran. Keine Vertriebswege in den Elektronikhandel. Na und, verkauft die Spiele doch im SPIELwarenhandel! Schlechter als die sogenannten Games-Publisher kann man es kaum machen. Denn der geht erst einmal von einem Media-Produkt aus, so wie die anderen CDs, DVDs oder Videokassetten (gibt es noch!). Da wird alles auf ein Release-Datum geplant. Marketing findet klassisch nur vor dem Verkauf statt, etwas PR in den Zeitschriften und hier und da mal eine Anzeige oder gar ein Fernsehclip. Sobald das Produkt im Markt ist, kann man in der ersten Woche sehen, was für ein tolles Spiel man tatsächlich produziert hat und wie es sich weiter verkaufen wird. Jetzt ist das Budget unantastbar und es wird kein Cent mehr für das Spiel ausgegeben (Klar, Multiplayer kommt noch. Wir bringen ganz flott nen Patch dazu!). Bei Brett- oder Kartenspielen kommt es schon einmal vor, dass das Spiel sich erst ab dem dritten oder vierten Jahr so richtig gut verkauft. So lange dauert die Mund-zu-Mund Propaganda für den Massenmarkt. Warum auch nicht, das Spiel ist in der Zeit nicht schlechter geworden. Gut, dass sich Videospiele nicht mehr ausschließlich über die Grafik verkaufen, sondern langsam Inhalte zählen. So kann ich auch nach Jahren noch behaupten, dass ich gerne Warcraft3 spiele, ohne schief angesehen zu werden.
Hoppla, ich bin völlig vom Thema abgekommen: Deutschland hat Probleme mit Videospielen. Ich denke, dass liegt an zwei Punkten. Video = Fernsehen, und Fernsehen = ganz schlecht! Spiele sind für die Erziehung da und wir wissen alle, dass das Fernsehen unsere Kinder nicht erziehen soll! Und zweitens sind Videospiele immer Ballerspiele (waren sie oft in den Anfängen). Und Kriegsspiele sind ganz gewiss nichts für einen Deutschen, denn wir wissen ja, wohin das führt (“Never mention the war!“). Ich finde es sehr wichtig, dass wir unserer Rolle im Zweiten Weltkrieg bewusst sind und wir das niemals vergessen. Aber deshalb die erfolgreichste Unterhaltungsindustrie komplett zu ignorieren, halte ich für falsch. Die Politik muss sich nach der Stimmung der Mehrheit richten, also waren Kriegs- und Killerspiele ganz klar zu verbieten – zumindest solange, bis irgendwo eine Zeitung schrieb „Videospiele größer als Hollywood!“. Da wachte der eine oder andere Politiker auf und fragte sich „Und wo sind wir?“. Schon bei der Filmindustrie haben wir es durch Finanzmodelle oder was auch immer geschafft uns vom internationalen Markt nur noch eine Nische zu ergattern. Ähnliches passiert uns mit der Videospielindustrie. Schade eigentlich…
Wenn es schon die Politik und die Publisher nicht schaffen, alte Strukturen einzureißen und optimale Synergien zu suchen, dann sollten wir Game Designer es tun. Die traditionellen Spieleautoren oder Redakteure haben ein sehr gutes Erfahrungspotential, was Spiele angeht. Sie haben so viele Spiele gespielt und dabei intuitiv analysiert, dass sie Spielprozesse kennen und sehr genau bestimmten Zielgruppen zuordnen können. Sie können schnell entwickeln, denn sie arbeiten mit Papier und Schere, ohne aufwendige Grafiken oder Programmcode. Rasch eine gute Idee in einen Prototyp verwandeln und testen. So gelangt man am schnellsten zu einem unterhaltsamen Spielfluss (oder: Gameplay mit Flow-Experience).
Die Video Game Designer haben dafür eine bessere Übersicht und genauere Prozessdefinitionen. Sie haben gelernt, welche Arten von Spaß es gibt und welche Spielmechaniken diese unterstützen. Sie kennen die wiederkehrenden Muster (Game Design Patterns) und fügen diese, wie bei einem Legobausatz, in die Spielstruktur ein. Alles ist technische Theorie und von dem Werkzeugkasten bestimmt. Was das Werkzeug, wie der Level-Editor, nicht hergibt, kann ich nicht machen. Leider geht damit auch die Kreativität den Bach runter und Entwicklungsprozesse dauern lange.
Einer der freundlichsten Menschen, die ich je getroffen habe, war mein Freund Paul Randles. Ich erinnere mich oft an den Tag, als er mir seine neue Visitenkarte zeigte: „Hey, check this out! I changed my title from Game Designer to Games Inventor. I think your expression „Spieleerfinder“ is so much cooler!“.
Bist du Game Designer oder Spieleerfinder? Schon mal mit dem anderen gesprochen?
* 22. bis 25 Oktober in Essen: www.internationalespieltage.de – nicht lange überlegen, hingehen (am Donnerstag)!
 
AW: Spieleerfinder oder Game Designer?

Hui, hoher Besuch. Cool! Ansonsten find ich den Text ebenso treffend wie unterhaltsam. Trotzdem für Meister Krozz und den Rest vielleicht noch ein wertvoller Link, der das Game Design mit Rollenspiel verknüpft: Die Design Pattern. Eine aktualisierte Version findet sich seit ein paar Wochen hier.
 
AW: Spieleerfinder oder Game Designer?

Ich schneide mal das heraus, was mich sehr anmacht:

In keinem Land der Welt werden so viele Gesellschaftsspiele entwickelt, wie in Deutschland. Die größte Fachmesse und die größte Publikumsmesse für klassische Spiele finden in diesem Land statt (Spielwarenmesse in Nürnberg und SPIEL in Essen*).
[Anm: Bei Videospielen] Da wird alles auf ein Release-Datum geplant. Marketing findet klassisch nur vor dem Verkauf statt, etwas PR in den Zeitschriften und hier und da mal eine Anzeige oder gar ein Fernsehclip. Sobald das Produkt im Markt ist, kann man in der ersten Woche sehen, was für ein tolles Spiel man tatsächlich produziert hat und wie es sich weiter verkaufen wird. Jetzt ist das Budget unantastbar und es wird kein Cent mehr für das Spiel ausgegeben (Klar, Multiplayer kommt noch. Wir bringen ganz flott nen Patch dazu!). Bei Brett- oder Kartenspielen kommt es schon einmal vor, dass das Spiel sich erst ab dem dritten oder vierten Jahr so richtig gut verkauft. So lange dauert die Mund-zu-Mund Propaganda für den Massenmarkt.
Die traditionellen Spieleautoren oder Redakteure haben ein sehr gutes Erfahrungspotential, was Spiele angeht. Sie haben so viele Spiele gespielt und dabei intuitiv analysiert, dass sie Spielprozesse kennen und sehr genau bestimmten Zielgruppen zuordnen können. Sie können schnell entwickeln, denn sie arbeiten mit Papier und Schere, ohne aufwendige Grafiken oder Programmcode. Rasch eine gute Idee in einen Prototyp verwandeln und testen. So gelangt man am schnellsten zu einem unterhaltsamen Spielfluss (oder: Gameplay mit Flow-Experience).
Ich sehe hier einen ganzheitlichen Spielemarkt. Einen deutschen Spielestandort, der sehr schlagkräftig sein kann. Wieso gibt es eine SPIEL und eine GAMESCOM, beide widmen sich dem Spielen und trotzdem gibt es kaum Berührungspunkte? Wieso gibt es Spielerfinder und Game Designer bzw warum sind das im Selbstverständnis zwei verschiedene Seiten?

Deutschland war schon immer ein sehr bedeutsames Land für Spiele. German Boardagmes sind ein Qualitätsbegriff in anderen Ländern. Ich bin der Meinung deutsche Computerspiele können es ebenso sein. Es fehlt uns nur manchmal der Blick fürs Ganze. Ich bin der festen Meinung, dass man hier Vieles verzahnen kann und sollte. So kann Deutschland auch in Zukunft Spielestandort Nummer 1 sein.
 
AW: Spieleerfinder oder Game Designer?

Meine Meinung: Deutschland ist zu konservativ, um sich von traditionellen Konzepten zu lösen. Das mag im Hinblick auf Computerspiele negativ wirken, aber eigentlich ziehe ich die aktuelle Situation einer mehr computerlastigen vor.

Ich habe absolut kein Problem damit, daß es wenig bekannte deutschte Game Designer (oder entsprechende Companies) gibt, denn ich bevorzuge Spiele, die man "face to face" spielt. Klar, ich spiele auch WoW und Solo-Computerspiele, aber sie sind eben nur ein Zeitvertreib, wenn sich persönlich-kommunikative Spiele auf Grund von Terminschwierigkeiten nicht verwirklichen lassen.

Meine Meinung nach ist Spieleerfinder das "Prädikat", daß es eher anzustreben gilt. Eine Verzahnung wäre nett, aber die Gefahr der Trivialisierung droht. Brettspiele zeichnen sich durch eine (auch während des Spieles nötige) Komplexität aus, die im internationalen Vergleich zu hoch für den "Durchschnitts-"Computerspieler ist. Mag herabwürdigend klingen, ist aber aus meiner Sicht so.

Und leider hat sich in den vergangenen Jahren heraus kristallisiert, daß es nur um Profit geht. Ein Spiel ist erfolgreich auf dem Brettspielsektor? Oh ja, dann schieben wir mal schnell ne billig und schlecht entwickelte Computerspiel-Version nach, um vom Hype zu profitieren, ohne (qualitativ nötige) hohe Entwicklungskosten in Kauf nehmen zu müssen. Vice versa funktioniert das natürlich (siehe auch World Of Warcraft) fast genauso gut... und qualitativ ebenso fragwürdig.

Der internationale Markt ist da nicht so anspruchsvoll, das haben Absatzstudien ergeben (sorry, hab grad keinen Link zur Hand). Der deutsche Markt ist in dieser Beziehung allerdings sehr verwöhnt (gerade auch das beweist die Wahrnehmung der Qualität von erwähnten german boardgames), daher sehe ich auch in der näheren Zukunft keine gemeinsame Basis und erfreue mich weiterhin an guten deutschen Brettspielen, die den Rohling nicht wert sind, auf dem ihre Computerspiel-Pendants veröffentlicht werden...

Edit: Fehlerkorrektur
 
AW: Spieleerfinder oder Game Designer?

Der internationale Markt ist da nicht so anspruchsvoll, das haben Absatzstudien ergeben (sorry, hab grad keinen Link zur Hand). Der deutsche Markt ist in dieser Beziehung allerdings sehr verwöhnt (gerade auch das beweist die Wahrnehmung der Qualität von erwähnten german boardgames), daher sehe ich auch in der näheren Zukunft keine gemeinsame Basis und erfreue mich weiterhin an guten deutschen Brettspielen, die den Rohling nicht wert sind, auf dem ihre Computerspiel-Pendants veröffentlicht werden...
Es gibt die RPC, die Computergames und Brettspielen auf einer Veranstaltung eine gemeinsame Plattform bietet. Mittlerweile gibt es dort sogar einen gemeinsamen Fantasy Award für Produkte dieser Märkte.

Sowas sind für mich Punkte, die es erstmal braucht, um so eine beispielhafte Zusammenarbeit wie die von dtp Entertainment und Ulisses Spiele (und Fanpro und Chromatrix) erstmal zu ermöglichen.

Und vielleicht fügt auch das neue Projekt des Ludus Mechanikus wieder ein weiteres Steinchen in dieses Mosaik ein.
 
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