[Silvester 07/08] Frankfurt am Main

Grinsekind

Antonin Philippe Tesnos
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22. Juni 2005
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Fabian blickte von der Straße zur Tachonadel. Er begann langsam dieses Auto zu lieben. Zwar hatte er inzwischen eigentlich genügend Zeit gehabt es zu genießen, aber er empfand es jedes Mal als Genugtuung, wenn der Motor aufheulte. Wie hatte er nur die ganze Zeit ohne solche Autos leben können? Die Landschaft zischte rechts und links vorbei und hin und wieder wollte ein Auto überholt werden. Für den Maybach kein Problem.
„Frankfurt am Main“
Er las das Schild und ordnete sich rechts ein. Die Autobahn war fast leer, denn inzwischen war es 2 Uhr nachts. Immer noch verwundert, wie schnell Fabian die Wegstrecke Finstertal – Frankfurt zurückgelegt hatte, setzte er den Blinker und bog in die Ausfahrt ein. Eigentlich hatte er am Flughafen vorbeifahren wollen, aber sich nun anders entschieden. In Insiderkreisen munkelte man, dass Hamunaptra heute auflegen würde. Wenn das der Fall wäre gäbe es drei Dinge, die Fabian in Frankfurt erledigen konnte. Und vor der Arbeit kam bekanntlich immer das Vergnügen.

~

Das Stroboskop schoss seine Salven aus Blitzgewitter auf die tobende Menge ab. Gekreische erschall als Fabian den ersten Regler auf Hundert drehte. Das Gekreische kam nicht von der Anlage, sondern vom Publikum, denn der erste lärmende Beat des Abends aus DJ deSades Hand hatte das Licht der Welt erblickt. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht tippte Fabian dreimal schnell hintereinander auf den analogen Sampler und löste damit einen weiteren Effekt aus. Er hatte heute alles aufgefahren was im Bereich des Möglichen war. Namen wie Moog, Korg, Technics und Renoise versammelten sich auf dem großen Pult des musikalischen Exzesses. Und Fabian hatte vor jedes der einzelnen Schmuckstücke zu verwenden.
Er schob einen weiteren Regler nach oben und gab eine kurze Tastenkombination in den digitalen Synthesizer ein. Das wummernde Krachen steigerte sich langsam zu einer Kombination aus tiefen dumpfen Links-Rechts-Koordinationen. Ganz gemächlich lies Fabian die ganze Sache wachsen. Er hatte nicht vor den Club gleich einzureißen, dazu war später noch Zeit. Er hatte pünktlich um ein Uhr dreißig angefangen. Inzwischen hatten sich alle umarmt und ein gutes neues Jahr gewünscht, also konnte man sich wieder auf die Musik konzentrieren.
Er fand, dass er die ganze Sache gut hinbekommen hatte. Nicht nur das er gestern Hamunaptra erleben konnte und ein paar neue Kontakte geknüpft hatte, nein, er war auch in einem hervorragenden Hotel untergekommen, feierte jetzt wieder einmal DIE Party seines Lebens in DER Stadt des Technos, Frankfurt am Main und hatte morgen noch eine Menge Zeit die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen. Natürlich hatte er sich bereits erkundigt, aber jetzt galt es den persönlichen Kontakt herzustellen, um die Ware dann letztendlich auch zu bekommen.
Aber jetzt galt es erst einmal die Gehörgänge der Masse zu vergewaltigen. Fabian zog eine Platte mit geeignetem Calypso-Steeldrum-Sample heraus und legte sie auf. Er drehte sie solange zu Recht, bis er die Trommeln hören konnte, nickte dazu und schaltete dann ein paar Hebel um, drückte einen Knopf und lies das ganze ein weiteres Mal durchlaufen. Hektisch griff er nach einem Regler und schob ihn nach rechts. Die Steeldrums hämmerten durch die Kopfhörer und zufrieden nickte er ein weiteres Mal. Der Beat kroch leise aus den Lautsprechern und je weiter Fabian den Regler nach rechts schob, desto lauter wurde er. Eine weitere Tastenkombination am Laptop und ein Effekt war angeschalten. Die Beats überschlugen sich und brachen in sich zusammen, immer weiter und weiter.
Schnell zeichnete Fabian eine Sinuskurve auf dem digitalen Synthesizer ein, bog in zu Recht und lies ihn mit ein paar Tasten erklingen, nur um diese Audiospur zu loopen. Erneut zog er eine Platte heraus, dieses mal Slayer. Wiederum drehte er die Platte und blieb bei Piece by Piece stehen. Einige Tastendrücke und den Regler nach links geschoben und ein Gitarrensample aus dem Metalstück erklang.
Begeistert grinste er in die Menge und sah wie sie ausflippte. Das war das Leben, das war die Nacht, das war die Essenz von allem, verdammt noch mal das war Liebe!

~

Die Hände in den Hosentaschen vergraben stampfte Fabian durch die Mischung aus Schnee, Schlamm und Erde. Er befand sich irgendwo nahe Offenhausens, auf einem Parkplatz hinter einer kleinen Kneipe. Sein Bekannter hatte ihm gesagt, dass er hier den Man treffen würde, der ihm das geben konnte, was er wollte. Aufmerksam beobachtete Fabian die Schatten um ihn herum und stieg über einen großen Haufen Schnee, unter dem sich wohl irgendetwas verbarg.
„Hey!“
Schnell drehte sich der Brujah um und um ein Haar wäre er in dem Schlick ausgerutscht. Er blickte dem Erzeuger des Geräusches entgegen. Eine recht kleine Gestalt eingehüllt in einen weiten Regenmantel. Das Gesicht konnte man nicht erkennen, aber die Stimme war eindeutig männlich. Das tiefe Gekrächze ertönte erneut:
„Bist du Mayer?“
Fabian nickte und wartete bis die Gestalt auf ihn zugekommen war. Einige Meter vor dem DJ blieb sie stehen. Scheinbar war eine Waffe auf ihn gerichtet, zumindest sprach die Ausbeulung des Mantels dafür.
„Verscheißer mich nicht, klar? Wo ist Daniel?“
Fabian hob abwehrend die Hände.
„Der hatte keine Lust mitzukommen, vor allem weil seine Frau gerade die ganze Zeit kotzt, und wegen dem Wetter.“
Ein grunzen aus der Richtung des Bewaffneten.
„Gut, aber wenn du mich verarschst, dann reiß ich dir die Eier ab, klar? Komm mit!“
Die kleine Gestalt drehte sich um und ging auf einen Verschlag zu, unter dem sie vor dem prasselnden Regen sicher waren.
„Du willst also was besonderes, hat Daniel gemeint, hä?“
„Jup, und er hat gesagt, du wärst der Mann, der’s mir besorgen kann.“
Ein breites Grinsen kam zum Vorschein.
„Keine Witze klar?! Ich kann den Dreck nicht austehen!“
„Klar.“
„Also, Daniel hat mir schon gesagt, was du willst, aber ich schau mir die Kunden immer an. Und hey, du bist mir nicht sympathisch, also warum lässt du nicht gleich ein wenig Kohle rüberwandern, dann redet es sich leichter.“
Fabian nickte und zog einen Bündel Scheine aus der Jackentasche.
„Hier, aber nicht gleich alles für Süßigkeiten ausgeben…“
Wieder das breite Grinsen.
„Ich sagte keine Witze, Arschloch.“
Kam es abwesend von dem Kerl. Eifrig fuhren seine Finger durch das Bündel.
„Passt, die Ware kannst du in einem Monat abholen. Und wehe ich seh einen Grünen, dann reiß ich dir die Eier ab, klar?“
Fabian nickte. Der Typ schien diesen Spruch zu lieben. Konnte ihm egal sein, er hatte was er wollte und wenn der komische Kauz sein Wort nicht hielt, wurden ihm eben die Eier abgerissen. Ein grinsen zeigte sich auf Fabians Gesicht.
“Was ist so komisch, hä? Und jetzt verpiss dich.“
Ein letztes Nicken und dann verschwand Fabian wieder dorthin, wo er hergekommen war. Er hatte noch eine ganze Fahrt vor sich, zurück nach Finstertal.
 
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