AW: Sehne spannen
spannen eines bogens in 30 sekunden - halte ich für realistisch. habe selber jahrelang recurve-blank-bogrn geschossen. bogen vom rücken. sehne abwickeln. sehne einhängen und den bogen biegen bis das andere ende einharkt werden kann. dann bogen in die hand nehmen (dabei die bogenhand durch die halteschlaufe) und pfeil auflegen - da sind 30 sekunden echt realistisch.
Einhängen der Sehne bei einem typischen englischen Langbogen: ca. 3 Sekunden. Warum? Der englischen Langbogen hat die ungespannte Sehne durch ein Loch im Hornaufsatz des oberen Wurfarmes bereits eingehängt. Für das eigentliche "Scharfstellen" schiebt man die obere Sehnenschlaufe nur noch in die dafür vorgesehene Kerbe im Hornaufsatz hoch. Das geht mit einer Hand und selbst bei Bögen mit 70 Pfund noch wirklich schnell. (Und man sollte eh nie mit einem Bogen schießen, bei dem man selbst nicht einmal die Sehne aufziehen kann - somit ist das auch bei Kriegsbögen, die übrigens nicht mal mehr als 40 Pfund Zug brauchen, um Kettenhemden zu durchschlagen, kein Problem. Die hohen Zuggewichte kamen von den schwereren "Zuladungen", eben den Pfeilen mit höherem Metallanteil, wie den panzerbrechenden Spitzen. Die fliegen bei 40 Pfund nicht einmal halbsoweit wie bei 80 Pfund.)
Zudem: man kann problemlos einen traditionell gefertigten Langbogen stundenlang aufgespannt lassen. Wenn wir schießen, so ist das oft in Sätzen von 3 - 4 Stunden am Stück. Das hält ein Bogen, der ja - vor allem bei Kriegsbögen - eh "Verbrauchsmaterial" ist, locker aus. Die besonders schnellen Kriegsbögen der englischen Langbogenschützen wurden auch stets sehr schnell auf und wieder abgespannt, mußten aber während einer Schlacht auch längere Zeit gespannt aushalten können. Jedoch war der Verschleiß bei diesen Bögen bekanntermaßen ziemlich hoch.
Selbst wenn ich Sehne und Spannschnur aus der Gürteltasche pfriemeln müßte (bei einem Langbogen nicht nach englischer Bauart), ist 30 Sekunden eine ziemlich hoch gegriffene Zeit. Da kann man noch gemütlich einen Tee nebendran trinken.
Als nächstes dauert das Ziehen eines langen Rapiers aus der Scheide dann auch 30 Sekunden, oder?
Realismus stinkt.
Aber wenn etwas entgegen jeglicher praktischer Erfahrung so geregelt wird, daß sich einem die Haare sträuben, dann sollte man mal überlegen, ob die Regelmacher hier nicht wirklich zu weit weg von jeglicher physikalischer Grundlage liegen.
Klar muß ein Kampfsystem nicht realistisch sein, aber wenn aufgrund krasser Abweichungen von praktischen Zeiten für das Aufspannen eines Bogens nun ein Spieler sich x Kampfrunden lang aufgrund der murksigen, uninformierten Regeln ohne aktive Teilnahme am Kampfgeschehen zum "aussetzen" gezwungen sieht, dann stimmt halt mit dem Regelwerk etwas nicht. Das gehört auf eine die aktive Spielerteilnahme (bei allen Balance-Gründen, die ein Kampfsystem zu berücksichtigen haben mag) besser berücksichtigende Grundlage gestellt.
Schwertziehen geht schneller als einen Bogen aufzuspannen. Bogen aufspannen geht schneller, als einen Gambeson anzulegen. Bogen aufspannen dauert schlimmstenfalls so lange, wie sich die Schuhe oder den Hosenlatz zuzubinden.
Wer es besonders genau nehmen will, der könnte natürlich unterschiedliche Aufspannzeiten für unterschiedliche Bogenarten aufstellen: am schnellsten der englische Langbogen mit der bereits am Bogen bereitgehaltenen Sehne, am langsamsten umständlich zu spannende Recurve-Bögen. Dann könnte man noch unterscheiden, ob man den Bogen am Boden oder zu Pferde aufspannen können möchte, etc. - Und dann wird es langsam zu aufwendig, als daß es noch sinnvoll wäre.