S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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Ich habe mir erst überlegt es in das Eigenbau-Unterforum zu stellen, aber weil das von allgemeinerem Interesse sein dürfte da es in erster Linie Settingdesign und damit auch Kampagnenbau umfasst und damit auch für reine SLs nützlich sein dürfte: Five Elements of Commercially-Viable RPG Design

Ich hoffe es gibt hier niemanden dem ich erklären muss wer S. John Ross ist. (Für die Unwissenden nur die Bibliographie sowie die Schlagworte Risus, Encounter Critical, Pokethulhu und GURPS-Quellenbücher.)
Es handelt sich dabei um den Wiederaufguss eines alten legendären Artikels von ihm aus den 90ern, den Mister Ross schließlich aus diversen (in der Artikeleinleitung nachlesbaren) Gründen aus dem Verkehr gezogen hat.

Die 5 Elemente die ein kommerziell brauchbares Spiel braucht sind laut S. John Ross von mir kurz zusammengefasst folgende:
  • Cliché: Klischees sind wichtig, um eine Spielwelt schnell erfassbar zu machen und Lücken ohne viel aufhebens zu füllen.
  • Combat: Es muss Kämpfe und Möglichkeiten für Kämpfe in der Spielwelt geben. Hier wird auch die Systemseite angegangen und festgelegt dass es ein gutes, beeinflussbares Kampfsystem mit Möglichkeiten für Teamwork geben muss.
  • Fellowship: Gruppenbildung muss system- und settingseitig möglich und unterstützt sein. Im gleichen Atemzug muss es Möglichkeiten für Variation innerhalb der Gruppe geben, was erklärt warum Spiele in denen alle Charaktere sehr ähnlich sind (z.B. Pendragon mit seinem Fokus auf Ritter) so schlecht fahren.
  • Anarchy: Die Charaktere müssen frei handeln können; enge Korsette wie realistisch dargestellte militärische Hierarchien sind zu vermeiden. Im gleichen Atemzug muss systemseitig tactical infinity gegeben sein, die Möglichkeit außerhalb der Box der Regeln zu denken, zu taktieren und Probleme zu lösen (interessanterweise etwas, .
  • Enigma: Ein kommerziell taugliches Spiel braucht evokative und mysteriöses Geekfutter wie Magie oder Sci-Fi-Spielzeuge, sowie Dinge die erst einmal nur dem SL bekannt sind und die von den SCs entdeckt werden können.

Was denkt ihr dazu? Ist das eine gute Auflistung, fehlt noch etwas, oder ist etwas überflüssig?
Wie sehr deckt sich S. John Ross' Vision eines kommerziell brauchbaren Spiels mit der eines guten Spiels?
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Was denkt ihr dazu?

  • Anachy: Die Charaktere müssen frei handeln können; enge Korsette wie realistisch dargestellte militärische Hierarchien sind zu vermeiden. Was denkt ihr dazu? Ist das eine gute Auflistung, fehlt noch etwas, oder ist etwas überflüssig?
Für mich überhaupt kein Problem, im Gegenteil.

  • Enigma: Ein kommerziell taugliches Spiel braucht evokative und mysteriöses Geekfutter wie Magie oder Sci-Fi-Spielzeuge, sowie Dinge die erst einmal nur dem SL bekannt sind und die von den SCs entdeckt werden können.
Auch nicht zwingend. GURPS SpecOp dürfte ein gutes Beispiel sein - sogar für beide Punkte, daß das Fehlen jener einem interessanten Spiel nicht im Wege stehen.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Für mich überhaupt kein Problem, im Gegenteil.


Auch nicht zwingend. GURPS SpecOp dürfte ein gutes Beispiel sein - sogar für beide Punkte, daß das Fehlen jener einem interessanten Spiel nicht im Wege stehen.

Mag sein das das für dich kein Problem ist, aber kommerziell gesehen wird "Befehlsempfänger - Die Hirnabschaltung" garantiert kein Erfolg.
GURPS Spec Ops ist ein Sourcebook, und ich vermute mal eher wegen dem Gun/Miliaryporn erfolgreich. Im übrigen sind SpecOps nicht wirklich ein Paradebeispiel für eine rigide Hierarchie, wie sie im Militär z.B. bei Infanterieeinheiten üblich ist. Im Rahmen ihrer Mission haben die SpecOps einiges an Entscheidungsfreiheit, die Schütze Arsch im letzen Glied eben nicht hat.

-Silver

Ansonsten brauchbare Liste; während das RPG nicht zwingend gut wird, so hat es doch alle Elemente, die sich in einem kommerziell erfolgreichen RPG finden, rein empirisch betrachtet.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Mag sein das das für dich kein Problem ist, aber kommerziell gesehen wird "Befehlsempfänger - Die Hirnabschaltung" garantiert kein Erfolg.
Was ich auch nie bestreiten würde. Deswegen auch extra die (übertriebene), aber wohl notwendige Kennzeichnung als (persönliche) Ansicht.

So hatte ich die Frage auch verstanden. Ansonsten wäre eine Diskussion relativ überflüssig. Dann sollte man einfach die kommerziell erfolgreichsten Rollenspiele mit diesen fünf Punkten abgleichen und wird feststellen - "Ja, sie treffen zu.".
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

GURPS zählt nicht...
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Ich geh das mal durch:


The value of cliché – the use of stock imagery and other familiar elements – is accessibility and mutual understanding. If the Game Master tells you the new campaign is to be set in the "Duchy of Crows" and concerns an evil priest gathering the Hill Ogres to his cause, that may sound a bit threadbare, but it also provides a reliable common ground. Everyone can jump right in (...)

Zugänglichkeit ist ein wichtiges Qualiätsmerkmal, das sich leicht durch Klischees bedienen lässt. Dazu also Zustimmung. Man bemerke, dass Ross hier Wert und Mittel durcheinanderbringt. Man will ein zugängliches Spiel und benutzt dafür Klischees. Wenn man Ross Argumentation folgt, hätte da Accessability stehen müssen.


Kommen wir zum Combat:

Nothing's very dramatic (or funny, or scary) without some kind of conflict, and RPGs thrive on every sort. But the specific value of combat depends as much on game-structure as the visceral appeal of a fight scene. In gameable terms, most forms of conflict are best defined as a single instant (sneaking past a guard, casting a healing spell) … we gain nothing by breaking the action down into its component steps, because the steps themselves are seldom infused with drama without forcing the issue. But in a fight – whether it's swordplay, a tavern brawl, a superhero slugfest or a psychic showdown – every swing of fist or sword, every blast of energy, is something dangerous and potentially important. That packs a fight with a series of choices and consequences, providing fertile ground for enjoyable game mechanics. What's more, it provides a stage on which the PCs can cooperate and act as a team. Only a few other kinds of action can rival this under the right conditions, and none can trump it with any consistency.

Ross sagt:

i) Nichts ist ohne Konflikte spannend.
ii) Rollenspiele brauchen daher Konflikte.

iii) Kampfszenen brauchen auch Spielmechanismen, um spannend zu sein.
iv) Andere Arten von Konflikten brauchen das nicht, weil es nichts bringt, sie in einzelne Schritte aufzudröseln.
v) Derartig in Abschnitte zerlegte Kämpfe sind besonders gut, weil sie eine Serie von Entscheidungen beinhalten.
vi) Andere Arten von Action funktionieren im Allgemeinen nicht so gut, wenn man sie derartig zerlegt.

Die Argumentation ist etwas verquer. Deshalb hab ich die mal auseinandergebaut. Es gibt zwei Werte, die anzustreben sind. Eine steht ganz am Anfang, die andere versteckt: Man braucht Konflikte und am besten Konflikte, die man als Serie von Entscheidungen regeln kann.

Da Kämpfe sich besonders gut so in Regeln fassen lassen, braucht man also Kämpfe. Auch hier wird also der zu erzielende Wert mit dem Mittel verwechselt.

An sich ist gegen die Argumentation allerdings nichts zu sagen, wenn man "action" als die Handlung von Figuren versteht. In der Tat scheint kein anderer Handlungsmodus von Figuren so interessant zerlegbar zu sein. Eine Alternative ist nun "action" als Handlung auf der fiktiven Leinwand aufzufassen. Setzt man Spielmechanismen ein, diese zu zerlegen, kann man zu sehr guten Ergebnissen für "any kind of action" in Ross' Sinne kommen. Man bedenke hier z.B. Polaris.


Betrachten wir noch das Enigma:

The quality of enigma is – inevitably – the most elusive of these elements. In literal terms, it means any quality of the game-world that the Game Master is presumed to understand on a level the players never can. In many worlds, this means magic. In others, it may mean an alien society freshly met from another galaxy, or the labyrinthine mysteries of conspiratorial politics. Beyond the enduring appeal of a mystery, this is a quiet, foundational tool for the Game Master, who can exploit this consensual "shadow zone" as a spawning ground for scenarios that play fun even if they wouldn't otherwise make sense, and a place where plot-threads can vanish if they become distracting instead of exciting. From within the enigma the GM can pluck both questions and answers, making adventure design and campaign management less of a chore. The benefits to a game's appeal are vast, because any RPG that eases a GM's stage-fright (and opens up his creative latitude) is an RPG built to please.

Ein Spiel braucht nach Ross Dinge, die nur dem SL bekannt sind. Das können z.B. Magie, Mysterien oder Raumschiffe sein.

Skyrocks Paraphrase ist daher schlicht sinnentstellend. Die könnte man so lesen, dass ein Rollenspiel den gewissen Geek Service bräuchte, um kommerziell erfolgreich zu sein. Das mag auch zutreffen, aber Ross ist hier doch tiefsinniger.

Warum braucht man nun sowas? Als Brustätte für Szenarien, die anderenfalls keinen Sinn machen würden, und als Möglichkeit uninteressant gewordene Szenarien verschwinden zu lassen.

Das ist, wie ich glaube, originell und originär bei Ross. Auch hier findet sich die bekannte Verdrehung von Ziel und Mittel. Ich bin mir nicht sicher, ob es zur Erreichung andere Mittel gibt. Das wäre vielleicht ein würdiger Untersuchungsgegenstand, auch wenn man dazu wohl dieses "most elusive element" zunächst besser fassen müsste.


Fellowship und Anarchy sind soweit klar durchdacht und auch schlagend, sofern man die Prämissen teilt. Hier dürfte aber gelten, was Ross selbst als Antwort auf Skyrocks letzte Frage sagt:

These elements aren't keys to quality ... a game can be crummy with them and excellent without them. They are, though, a useful window into the appeal of RPGs as games, into the conventions of RPGs as a fictional medium, and into the considerations that make the design of a game world a beast distinct from other kinds of world design.

Ross hat hier übrigens Unrecht. Die von ihm genannten Merkmale sind, wie ich gezeigt habe, größtenteils Schlüssel zur Erreichung von Qualität, aber nicht die gesuchte Qualität selber.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

1of3:
Ja, bei Enigma habe ich was reininterpretiert was so nicht direkt drinsteht. (Wobei ich schon glaube dass die Frage "Geekfutter J/N" einen großen Unterschied in der kommerziellen Verwertbarkeit und Verbreitung einer Spielwelt macht, auch ganz ohne Enigmaeffekt.)
Ich sollte solche Texte nicht aufsetzen ehe ich mich nach der Arbeit hingelegt habe...

Mich würde übrigens geradeeben bei dir interessieren was du zum Punkt tactical infinity denkst. Zumal dieser Punkt ausgerechnet vom Risus-Macher kommt, bei dessen breiten Konfliktsystem eigentlich alles regeltechnisch statt außerhalb der Box abgewickelt werden könnte, und es einer der verbreiteten Kritikpunkte an 4E ist dass das sehr weitgehend wegfällt.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Warum braucht man nun sowas? Als Brustätte für Szenarien, die anderenfalls keinen Sinn machen würden, und als Möglichkeit uninteressant gewordene Szenarien verschwinden zu lassen.

Das ist, wie ich glaube, originell und originär bei Ross. Auch hier findet sich die bekannte Verdrehung von Ziel und Mittel. Ich bin mir nicht sicher, ob es zur Erreichung andere Mittel gibt. Das wäre vielleicht ein würdiger Untersuchungsgegenstand, auch wenn man dazu wohl dieses "most elusive element" zunächst besser fassen müsste.

Der Gedanke ist verführerisch, aber braucht man wirklich eine magischen Hut, aus dem man Szenarien hervorzaubern und darin verschwinden lassen kann? Bzw. braucht jedes Setting diesen?

Ich möchte den Wert des Konzeptes "Enigma" nicht in Frage stellen, jedoch würde ich das Erfolgsgeheimnis simpler entschlüsseln:
1. Neugierde ist ein der stärksten Motivationen, die Rollenspiel bedienen kann.
2. Ein Enigma schafft Interpretationsspielraum, um die Welt den eigenen Bedürftnissen anzupassen, ohne diese zu verlassen.

Eine Frage, die ich mir immer wieder stelle ist: Muss ein SL das Enigma eigentlich durchschauen?
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Wie würdet Ihr denn D&D 4E in diesen im Original-Artikel oder im Eingangsbeitrag aufgeführten Punkten plaziert sehen?
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Solange es noch kein Kampagnensetting zu 4E gibt kann man sich wohl nur auf Einzelpunkte beschränken, da sich der Artikel in erster Linie mit Weltenbau befasst. Und ehe ich 4E nicht selbst gelesen und gespielt habe führe ich keine Analyse davon durch.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Ich schieße gerne mal aus der Hüfte...

Cliché: Klischees sind wichtig, um eine Spielwelt schnell erfassbar zu machen und Lücken ohne viel aufhebens zu füllen.
=> 4E bietet mit den Klassen ohnehin Klischees. Diese werden sich auch in den D&D-Spielwelten nicht so krass unterscheiden. Es ist vielmehr bei D&D doch so, daß sich die Spielwelt biegen wird, um die Existenz mindestens der Grundklassen zu erlauben. - Somit: Klischees sind vorhanden.
=> Die Rollen im Dungeon-Crawl-S.W.A.T.-Team sind zusätzlich zu den Klassen funktionsbasierte Klischees, die auch völlig unabhängig von der Spielwelt greifen. Ein Controller wird in den Forgotten Realms ebenso ein Controller sein, wie in Eberron.


Combat: Es muss Kämpfe und Möglichkeiten für Kämpfe in der Spielwelt geben. Hier wird auch die Systemseite angegangen und festgelegt dass es ein gutes, beeinflussbares Kampfsystem mit Möglichkeiten für Teamwork geben muss.
=> 4E ist gerade um das TEAMWORK herum gestaltet worden. Die Rollen des S.W.A.T.-Teams sollen genau das optimieren (oder erzwingen - je nach Lesart).
=> 4E ist ausgesprochen kampforientiert und das Ausspielen von Kampfszenen nimmt in der Spielzeit den größten Teil ein.

Fellowship: Gruppenbildung muss system- und settingseitig möglich und unterstützt sein. Im gleichen Atemzug muss es Möglichkeiten für Variation innerhalb der Gruppe geben,...
=> Gruppenbildung ist in 4E ein MUSS. Eine Gruppe, der wichtige Special Weapons fehlen, wird kaum einen Kampf überstehen. Somit sind Nischen schon vorgefertigt, die klar zum Ausfüllen einladen (oder zwingen - wiederum je nach Lesart).
=> Variation innerhalb der Gruppen ist durch die Rollen im taktischen Kampfteam gegeben. ANDERE Variation ist nicht so stark unterstützt. Eine Klasse kann ihre S.W.A.T.-Team-Rolle erfüllen und dabei noch leichte Varianten ihrer Klasse ausfüllen, aber mehr ist nicht vorgesehen.


Anarchy: Die Charaktere müssen frei handeln können; enge Korsette wie realistisch dargestellte militärische Hierarchien sind zu vermeiden. Im gleichen Atemzug muss systemseitig tactical infinity gegeben sein, die Möglichkeit außerhalb der Box der Regeln zu denken, zu taktieren und Probleme zu lösen
=> Die Charaktere haben die freie Wahl zwischen den Möglichkeiten, die ihren Charakteren zur Verfügung stehen. Sie sind nicht organisatorisch in ein "Korsett" gezwungen, aber man könnte die engen Nischen des 4E-S.W.A.T.-Teams so empfinden. In diese MÜSSEN die Charaktere passen. - Innerhalb dieser Nischen-Funktion können die Charaktere aber frei handeln, jedoch kann es sein, daß sie dabei sinnloserweise ihre limitierten Powers verbrauchen. Somit besteht auf dem Papier eine freie Wahl der Handlungen, effektiv im Spiel ist diese Wahl aber außerordentlich eingeschränkt (ich habe von Spielern auch schon "Man kann hier ja nichts anderes machen..." gehört).
=> "tactical infinity" ist nicht by-the-book gegeben. Es bestehen aber gerade mit den Skill-Challenges mehr Möglichkeiten sehr unterschiedlich und durch kreatives Mitdenken auf die nötigen Erfolge zu kommen. - Außerdem sind die Grundmechanismen der 4E sehr einfach zu verstehen und somit bei ungewohnten, aber von Spieler frei entschiedenen Handlungen leicht anzuwenden, selbst wenn sie außerhalb der "Box" der Grundregeln liegen sollten (z.B. am Kronleuchter schwingen).


Enigma: Ein kommerziell taugliches Spiel braucht ... Dinge die erst einmal nur dem SL bekannt sind und die von den SCs entdeckt werden können.
=> Zunächst einmal werden das die Fertig-Abenteuer sein. - Aber dieser Punkt bezieht sich aus 4E-Sicht am stärksten auf die Spielwelt. Hier könnte es welche geben, die KEINE Überraschungen für die Spieler bieten, oder aber der Spielleiter kennt (wie oft üblich) mehr von der Spielwelt als die Spieler und diese können nach und nach (mit jedem Abenteuer) mehr entdecken.

Unterm Strich hat die 4E meiner Ansicht nach also ganz gut bei diesen Punkten abgeschnitten, auch ohne daß ein Setting dafür schon komplett vorliegen haben müßte. - Man weiß bei D&D auch so gut genug, wie man damit Fantasy spielt.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

1of3:
Mich würde übrigens geradeeben bei dir interessieren was du zum Punkt tactical infinity denkst. Zumal dieser Punkt ausgerechnet vom Risus-Macher kommt, bei dessen breiten Konfliktsystem eigentlich alles regeltechnisch statt außerhalb der Box abgewickelt werden könnte, und es einer der verbreiteten Kritikpunkte an 4E ist dass das sehr weitgehend wegfällt.

Nach nochmaligem Überlegen bin ich mir nicht sicher, ob Ross das sagt wonach es sich anhört, nämlich nach jenem hofratsche Fehlschluss, dass zu einer Unbegrenztheit der Fiktion auch eine Unbegrenztheit bei den Mechanismen gehören möchte.

Das kann er eigentlich nicht meinen, denn kommerzieller Erfolg scheint sich bei Rollenspielen auch darauf aufzubauen, dass möglichst viel ganz spezieller Regelkrams verkauft werden kann. Man schaue sich hier D&D, SR und auch die WoD an. Würde die breite Masse hingegen das alles gar nicht haben, sondern selbst aus dem Unendlichen ihre Mechanismen ganz situativ hernehmen wollen, würde sich das Zeug schlicht nicht verkaufen.

Da müsst ich nochmal drüber nachenken.



Um diesem besagten Fehlschluss allerdings generell nochmal auf die Spur zu kommen, bietet es sich an, sich einmal zwei Beispiel solcher taktischer Freiheit herzunehmen.

- Teilnehmer1: Ah, ich ne Idee! Wir verstecken das Schiff über dem Pol des Planeten. Das könnte ihre Sensoren verwirren.
- Teilnehmer2: Jo, alles klar. Machen wir nen Abzug von -2 auf die Sensorenprobe.

- Teilnehmer1: Oh, die haben Antriebsgas austreten? Ich will mit den Banapopasern das Gas entzünden, um eine Explosion auszulösen. Das könnte sie am Sprungtor vorbeitreiben und dann haben wir sie.
- Teilnehmer2: OK. Banapopaser sind dazu eigentlich nicht gemacht. Würfel doch einmal eine Probe auf Waffensysteme, ob du das manuell so eingestellt bekommst und dann mach einen Trefferwurf. Bei nehm Fehler laufen die Banapopaser heiß.

So läuft das wohl normalerweise. Jemand hat eine Idee, wie bestimmte Umstände in der Fiktion ihm nützen können. Dann gibts entweder gleich einen Bonus (bzw. direkt Erfolg) oder eine Komplikation auf die normale Prozedur.

Inwiefern unterscheidet sich dies jetzt prozedural von zum einen subjektiver Belohnung und zum anderen kodifizierten Regeln für solche Komplikationen?

Das erste ist im Endeffekt wie Primetime Adventures: "Was? Überm Pol verstecken? Genial. Hier, kriegst Fanpost."

Das zweite lässt sich als festgelegter Mechanismus schreiben: Ein Spieler kann ein Komplikation ansagen. Er macht einen Wurf eine passende Fähigkeit. Schlägt dieser Fehl, wird das ganze Vorhaben abgebrochen. Benutztes Equipment fällt für angemessene Zeit aus oder wird zerstört.

Prozedurell tut sich das jeweils nicht. Wie unterscheiden sich diese Vorgänge aber jeweils in der Wahrnehmung von Teilnehmer1, der sie initiiert? Nehmen wir erstmal den zweiten Fall. Wenn es diese geschriebene Regel gibt, ist Teilnehmer1 ganz klar, was passieren könnte. Er wird sie auf Grund von taktischen Überlegungen entweder einsetzen oder eben nicht.

Im Fall der "taktischen Unendlichkeit" bedarf Teilnehmer1 der Zustimmung seiner Mitspieler, um dies zu versuchen. Selbst wenn sich die Prozedur wie man sowas handhaben kann, in der Runde schon längt in dieser Weise eingeschliffen hat. Hier ist kommt also weniger eine taktische Überlegung zum Tragen als vielmehr die Frage, ob der gewünschte Ablauf der Fiktion in der Runde vermittelbar ist. Im Falle, dass ein starker Spielleiter über so etwas entscheidet, speziell die Frage, ob dieser Ablauf ihm vermittelbar ist.


Wie ist es mit dem Pol-Versteck? Bei Primetime Adventures denkt sich Teilnehmer1 vielleicht nichts dabei oder er findet dies cool / stilvoll / angebracht / was auch immer.

Teilnehmer1 in dem ursprünglichen Beispiel hat sich wohl etwas Anderes gedacht, nämlich: "Ich könnte noch einen Bonus brauchen und versteck dann halt mal das Schiff über dem Pol. Vielleicht hilft das!" Auch dies läuft nicht aus taktischen Überlegungen heraus, zumindest nicht aus solchen, die etwas mit der Fiktion zu tun hätten, wie so oft vorgegeben wird.

Auch hier läuft das Taktieren auf der sozialen Ebene. Es besteht nämlich den Ablauf den Mitspielern so beizubringen, dass sie Boni springen lassen. Analoges ginge auch bei Primetime Adventures. Vielleicht bekommt man den Trekkie ja dazu Fanpost rauszuhauen, wenn man das Riker-Manöver nachstellt?


Wir erkennen: Diese taktische Unendlichkeit hat mit der Fiktion eigentlich nichts zu tun. Tatsächlich lässt sie sich in einem Fall, bei diesen Komplikationen nämlich, sogar durch harte Taktik ersetzen. Die taktische Unendlickeit kommt nicht aus der Fiktion, sondern aus der sozialen Dynamik der Gruppe. Oder um es mit Herrn S. aus B. zu sagen: Das ist Gruppenkuscheln.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Dieser Post zeigt ziemlich deutlich, wie sinnlos es ist, über einen Ausdruck wie "Tactical Infinity" zu reden, ohne den Hintergrund des taktischen Elementes in Rollenspielen zu kennen und/oder zu verstehen.
Dann wüßte man nämlich, daß die Beschreibung einer taktischen Methode an einen neutralen Spielleiter, der dann nach seinem Wissen und seinem gesunden Menschenverstand über Erfolg oder Mißerfolg entscheidet, nun wirklich nichts ist, das man mit neo-rollenspieltheoretischem Geschwurbel erklären muß.

(Und ob die anzulegenden Maßstäbe dabei klassisch aus den persönlichen Erfahrungen auf dem Gefechtsfeld stammen oder wie bei uns aus HK-Actionstreifen oder so etwas, ist dabei kein wirklich relevanter Unterschied.)
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Die Praxis zeigt, dass "gesunder Menschenverstand" nichts ist, was in zwei Rollenspielgruppen in der gleichen Weise vorkommt. Da die Erwartungen da so grundlegend unterschiedlich sind, bringt es nichts (außer man spielt immer mit den gleichen Hanseln) irgendwelche taktischen Entscheidungen daran festzumachen.

"Tactical infinty" ist sicherlich bei jedem Rollenspiel möglich (auch und gerade bei würfellosen), die Frage ist nur, ob die taktischen Optionen nun durch Spielmechanismen (wichtiger: allen Spielern bekannte Spielmechanismen) unterfüttert sind. Ich denke das versucht Ross unter der Überschrift "Combat" auszudrücken, wenn auch (wie schon von 1of3 gesagt) etwas verquer.
we gain nothing by breaking the action down into its component steps, because the steps themselves are seldom infused with drama without forcing the issue. But in a fight � whether it's swordplay, a tavern brawl, a superhero slugfest or a psychic showdown � every swing of fist or sword, every blast of energy, is something dangerous and potentially important. That packs a fight with a series of choices and consequences, providing fertile ground for enjoyable game mechanics.
Das dies nicht den Tatsachen entspricht (besonders der Punkt über die Entscheidungen und Konsequenzen) wurde ja schon ausführlich erörtert (witzigerweise hat sich der Hofrat in seiner Argumentation bezüglich Regeln/refereeing um exakt 180° gedreht, sofern es um die 4e geht)
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Die Praxis zeigt, dass "gesunder Menschenverstand" nichts ist, was in zwei Rollenspielgruppen in der gleichen Weise vorkommt.
Er kommt in manchen vor. Und in anderen nicht. Wie gesagt funktioniert es bei Planspielen in anderen Bereichen auch. (GMV wird im Englischen übrigens als Common Sense bezeichnet, was Nutzen und Dilemma gleichermaßen erklärt.)

"Tactical infinty" ist sicherlich bei jedem Rollenspiel möglich (auch und gerade bei würfellosen), die Frage ist nur, ob die taktischen Optionen nun durch Spielmechanismen (wichtiger: allen Spielern bekannte Spielmechanismen) unterfüttert sind. Ich denke das versucht Ross unter der Überschrift "Combat" auszudrücken, wenn auch (wie schon von 1of3 gesagt) etwas verquer.
Ich denke, wenn er das hätte tun wollen, hätte er die Tactical Infinity unter "Combat" geschrieben.
Unter Combat steht eigentlich nur: Kämpfe sollten detailliert ausgebreitet werden, weil im Gegensatz zu anderen Konfliktformen jeder Schritt spannend und bedeutsam ist und weil Kämpfe die beste Gelegenheit für Teamwork bilden.

Tactical Infinity hingegen bedeutet einfach: Du kannst alles ausprobieren. Egal ob im Kampf oder sonstwo. Sonstwo sogar meistens eher als im Kampf.
Beschränkt nur durch hintergrundgefilterten GMV, und das ist der Knackpunkt. Denn dann kommen wieder Leute an, die rumunken "Soso, da kann ich auch bei D&D ausprobieren, ne Atombombe zu bauen, hähä" und auf diese Weise brilliant unter Beweis stellen, daß Common Sense eben doch nicht so common ist.
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Ich denke, wenn er das hätte tun wollen, hätte er die Tactical Infinity unter "Combat" geschrieben.
Unter Combat steht eigentlich nur: Kämpfe sollten detailliert ausgebreitet werden, weil im Gegensatz zu anderen Konfliktformen jeder Schritt spannend und bedeutsam ist und weil Kämpfe die beste Gelegenheit für Teamwork bilden.
Was einfach nicht richtig, bzw. zu bequem ist.

Ja, man kann alles probieren, dass ist der Kern von tactical infinity. Damit ist der Punkt "Anarchy" in jedem Rollenspiel (nicht nur den erfolgreichen) gegeben. Ross macht einige Anmerkungen über die Einschränkungen, welche das Setting für diese Entscheidungen geben kann, aber letztlich sind das nur negative Konsequenzen für bestimmte Handlungsweisen, probieren kann man es trotzdem. Und deshalb glaube ich nicht wirklich dran. Vielfältige Lösungen für Probleme sind eigentlich nichts, was man einfach so "abschaffen" kann (zumindest nicht ohne
sich radikal vom Rollenspiel zu entfernen)- selbst in einer reinen Militärkampagne in welcher die SC nur Befehlsempfänger sind (oder halt in SR oder Vampire), haben die Spieler Entscheidungsfreiheit, wie sie den "Einsatz" angehen. Natürlich gibt es Einschränkungen bei dem was "realistisch" (wie ich dieses Wort hasse) in dem Setting möglich ist und was nicht, aber das ist etwas, was der SL entscheidet.

Ob das, was Ross (etwas ungeschickt) unter seiner Definition von "Combat" ausdrückt, gegeben ist, ist eine ganz andere Frage. Jeder Vorgang kann theoretisch in eine Reihe von Sub-Vorgängen aufgespalten werden, um die Spannung, den Detailgrad, die Möglichkeiten für Taktik und Teamwork etc. zu erhöhen.
Allerdings handeln die meisten klassischen Rollenspiele allen nicht-Kampf Kram mit einem Wurf ab oder schieben ihn in eine generelle "Erweiterter Wurf"-Schublade, der die Entscheidungen der Spieler bezüglich Taktik, Details etc. vollkommen außen vor lässt. Andere Spiele haben nicht einmal Mechanismen für diese Vorgänge und verlassen sich auf ein einfaches "her-erzählen" des Vorgangs durch die Spieler (mit anderen Worten: sie setzen einen gewissen Detailgrad und ein bestimmtes Vorwissen von den Spielern voraus).

Was GMV/CS angeht: das ist (auch im Englischen :rolleyes:) der praktische Umgang mit konkreten Situationen, nicht das raten/philosophieren darüber, was denn nun (innerhalb der Spielwelt) "wahr" ist und Gültigkeit besitzt. Deswegen halte ich es für faktisch falsch, die Entscheidungen des SLs als GMV zu bezeichnen.

Natürlich können mit ein wenig guesswork (und nach einigen Sitzungen) sich auch bei unbekannten SLs auf deren Spielweise einstellen (bzw. das was der SL macht, wird zu GMV für die Gruppe), aber das ist nichts was man einfach so voraussetzen sollte (daher auch: Warum harte Regeln für "Kernbereiche" des Spiels wichtig für die Gruppenbildung sind).
 
AW: S. John Ross: "5 Elements of Commercially Viable RPG Design"

Was einfach nicht richtig, bzw. zu bequem ist.
Wieso?

Jeder Vorgang kann theoretisch in eine Reihe von Sub-Vorgängen aufgespalten werden, um die Spannung, den Detailgrad, die Möglichkeiten für Taktik und Teamwork etc. zu erhöhen.
Bei welchem kommerziell erfolgreichen Rollenspiel geschieht das denn für irgend etwas anderes als Kampf?

Was GMV/CS angeht: das ist (auch im Englischen :rolleyes:) der praktische Umgang mit konkreten Situationen, nicht das raten/philosophieren darüber, was denn nun (innerhalb der Spielwelt) "wahr" ist und Gültigkeit besitzt.
Darüber braucht man auch nicht zu raten oder zu philosophieren. Das weiß man einfach, wenn man mit dem Setting vertraut ist.
Verwirrung entsteht durch "Spielstile" oder ähnlichen Schnickschnack.
 
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