„Es war ein Septembermorgen, noch nicht sieben Uhr, nach einem trüben Tag. Dichter, nieseliger Nebel lag tief über der großen Stadt, schmutzige Wolken schwebten trist über den schmutzigen Straßen. Die Laternen längs des »Strands« waren nur diffuse Lichtflecken, die einen schwachen, runden Glimmerkreis auf das nasse Pflaster darunter warfen. Das gelbe Licht der Schaufenster strömte in die dicke, dampfende Luft und versickerte über der verkehrsreichen Fahrbahn. Ich empfand etwas Unheimliches und Geisterhaftes in diesem endlosen Vorübergleiten von Gesichtern, die ab und an von den Lichtbündeln gestreift wurden – traurige und frohe Gesichter waren es, abgehärmte und glückliche. Sie glitten aus dem Dunkel ins Licht und wieder zurück ins Dunkel.“
(aus
Im Zeichen der Vier von Arthur Conan Doyle)
Der nachstehende Beitrag lag seit 2010 auf unserer Festplatte und ist noch deutlich älter. Er entstammt dem Materialfundes der Ende der Achtzigerjahre geplanten deutschen Ausgabe des Cthulhu-Rollenspiels, dem wir auch zwei der Abenteuer in Wenn das Tier erwacht verdanken. Wir haben die Angaben, die für die Cthulhu-Spielzeit (Zwanzigerjahre) gedacht sind, entfernt; es fand zudem eine leichte redaktionelle Bearbeitung statt. Die mit den Glühbirnen markierten Erklärungstexte sowie die Bebilderung sind von uns. Der Name des Autors ist in den vergangenen zwanzig oder so Jahren leider verlorengegangen; wenn er sich meldet, tragen wir das gern nach.
Im neunzehnten Jahrhundert ist der Begriff Transport synonym mit dem Pferd und den auf dessen Zugkraft basierenden Fahrzeugen. In praktisch jedem Zweig des Verkehrswesens sind die Pferde unentbehrlich. Sie ziehen die 7.400 gemeldeten Hansoms, die knapp 4.000 Four-Wheeler, die stets überfüllten Omnibusse und die Straßenbahn. An den Seitenwegen sind spezielle Tränken angebracht, an denen die Pferde nach Bedarf ihren Durst stillen können. Doch mit dem Jahrhundertwechsel wendet sich das Blatt im Verkehrswesen. Die Pferde werden langsam von mit Benzinmotoren betriebenen Cabs verdrängt, und bei Ausbruch des ersten Weltkrieges dominieren die 7.260 gemeldeten Motorcabs die Straßen, und nur 232 einsame Hansoms und 1159 Four-Wheeler erinnern an das zu viktorianischen Zeiten vorherrschende Straßenbild.
Weiter unten geben wir gelegentlich Preise in britischer Währung an. Das Britische Pfund (Pound) entspricht etwa 20 Mark. Es existieren folgende Unterteilungen: 4 Farthings = 1 Penny (Mz. Pence), 12 Pence = 1 Shilling, 2 Shillings = 1 Florin, 5 Shillings = 1 Crown, 20 Shillings = 1 Pound oder 1 Sovereign, 21 Shillings = 1 Guinea (Gold). Weitere Informationen zur britischen Währung geben wir unter
England 1880 und das Geld.
Droschken (Cabs)
Die Reichen besitzen ihre eigenen, dekorativen Kutschen, und die Armen nutzen die günstigeren Omnibusse oder gehen zu Fuß, so dass es vor allem Vertreter des aufkommenden Mittelstandes, Angehörige der Oberklasse ohne eigene Kutsche und Nicht-Ansässige sind, die zu den Kunden der Cabmen gehören. Je nach Anzahl der Reisenden, Schwere des Gepäcks und Eiligkeit der Reise fällt die Wahl auf eine der zwei unterschiedlichen Arten von Pferdedroschken, die gegen Ende der viktorianischen Ära ihre größte Verbreitung genießen.
Der zweirädrige
Hansom ist eine leichte, schnelle Kutsche, die zwei, maximal drei Personen aufnehmen kann und eine Geschwindigkeit von 24 km/h erreicht. Der Prototyp stammt aus dem Jahre 1836 und ist nach seinem Erfinder Joseph A. Hansom benannt; was man allerdings tatsächlich auf den Straßen sieht, ist ein von Joseph Chapman gänzlich umgestalteter Typus. Der Kutscher sitzt auf einem hoch angelegten Kutschbock an der Rückseite des Verdecks, um das Fahrzeug auszubalancieren. Die Zügel werden über den nach vorne hin offenen Fahrgastraum hinweg geführt. Der Nachteil dieser Konstruktion ist, dass der Kutscher nunmehr nur die Ohren seines Pferdes zu Gesicht bekommt, und dies auch nur, weil der Sitz in über zwei Meter Höhe angebracht ist. Zudem, da der Fahrgastraum nach vorne hin offen ist, sind die Insassen nur bedingt vor Regen, Schnee und sonstigen Dingen, die aus dem Himmel fallen mögen, geschützt. Eine in der Decke des Fahrgastraumes angebrachte Klappe ermöglicht es, dem Kutscher während der Fahrt etwaige Wünsche zukommen zu lassen. Schon Sherlock Holmes hat den Hansom zu seinem bevorzugten Transportmittel erkoren, und wer alleine oder in kleiner Gesellschaft reist und in kurzer Zeit kleinere Strecken zurücklegen möchte, wird kaum ein geeigneteres Fortbewegungsmittel finden.
Im schwerfälligeren, vierrädrigen Clarence oder Four-Wheeler, im Volksmund besser als
Growler bekannt (der Titel stammt vom ohrenbetäubenden Geräusch, den die Kutsche macht, wenn sie über den Makadam braust), finden vier Reisende Platz. Falls nötig, kann sich ein fünfter den knapp bemessenen Platz auf der Sitzbank mit dem Kutscher teilen. Der Kutschbock ist an der Vorderseite des Vehikels angebracht und der Fahrgastraum ist zu allen Seiten geschlossen. Größere Reisegesellschaften, vor allem wenn sie schweres Gepäck bei sich tragen, sollten den Four-Wheeler als Transportmittel vorziehen.
Der Begriff
Makadam bezeichnet eine spezielle Bauweise von Straßen, bei der drei Schichten mit jeweils unterschiedlich großen, gebrochenen und gut verdichteten Gesteinskörnungen den Straßenoberbau bilden. Das Verfahren ist seit dem frühen neunzehnten Jahrhundert in Gebrauch.
Beide Droschkentypen sind Einspänner und Fahrten werden nach demselben Tarifsystem entgolten, wobei zwischen Fahrten nach Zeit und Fahrten nach Entfernung unterschieden wird.
Fahrten nach Entfernung. Eine einfache Droschkenfahrt bis 3,2 km kostet 1s, jede darüberhinaus zurückgelegte Meile, oder ein Teil derselben, erhöht den Fahrpreis um je 6d. Falls mehr als zwei Personen mitfahren, so zahlt jede zusätzliche Person 6d für die gesamte Fahrt. Sperriges Gepäck, das außen am Wagen angebracht werden muss, wird mit 2d pro Gepäckstück verrechnet. Der Kutscher ist nicht dazu verpflichtet, Fahrten über mehr als 10 Kilometer anzutreten. Außerhalb einer Entfernung von 6 km von Charing Cross (dem Zentrum des Droschkenbezirks) kostet jede angefangene Meile 1s. Falls man auf der Fahrt anhalten läßt, beläuft sich das Wartegeld je Viertelstunde auf 6d für vierrädrige und 8d für zweirädrige Droschken.
Zeitfahrten. Der Fahrpreis für die erste Stunde oder einen Teil derselben beträgt 2s für vierrädrige Droschken, 2s 6d für Hansoms; für jede weiter Viertelstunde entsprechend 6d und 8d. Über den 6 Kilometer-Radius um Charing Cross hinaus kostet jede Droschkenfahrt 2s 6d und jede zusätzliche Viertelstunde 8d. Der Kutscher braucht sich für mehr als eine volle Stunde nicht mieten zu lassen, und zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens ist er überhaupt nicht dazu verpflichtet, sich auf Zeit zu verdingen.
Für Ausflüge, die eher sozialen Zwecken dienlich sind, ist die
Fly zu favorisieren, die in vielen der Londoner Parks als alleiniges Transportmittel zugelassen ist. Die Fahrten sind vergleichsweise teurer und müssen vorbestellt werden bei der Coupé & Dunlop Brougham Company, 14 Regent Street, S.W. Die Kosten für einen Einspänner belaufen sich auf 7s 6d für die ersten zwei Stunden, jede weitere Stunde 3s 6d. Hin- und Rückfahrt zum Theater: 9s 6d. Die Tarife für Zweispänner betragen nicht ganz das doppelte, im geringsten Fall aber 15s.
Der Beitrag
Londoner Transportmittel erschien zuerst auf
Midgard-1880.
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