Hi Leute,
zur Multiplen Persönlichkeitsstörung: seit einigen Jahren heißt sie in Fachkreisen "Dissoziative Identitätsstörung", hat etwas erweiterte Kriterien (verschiedene Bewusstseinszustände reichen, komplett ausgebildete Persönlichkeiten sind nicht mehr nötig).
In der ICD-10 findet sich noch der alte Begriff, unter F44 (da sind auch paar andere, dezentere Störungen beschrieben in der Rubrik - also für Malk-Charakterbastler)
http://icd.web.med.uni-muenchen.de/ALL/F40-F48.html
In der FSM:
http://www.behavenet.com/capsules/disorders/dsm4TRclassification.htm#Dissociative
(hier auf Englisch unter dem Begriff "Dissociative Identity Disorder")
Hier noch weitere Infos
http://www.dissoc.de/issd/issd10.htm
http://www.lptw.de/vortraege2002/u_gast.html
die Karl-May-Stiftung vermutet, dass Karl May an dieser Störung litt:
http://www.karl-may-stiftung.de/did2.html
Zu der Frage, existiert Dissoziative Identitätsstörung (DIS), ist es eine Modeerscheinung oder wie oder was?
Das Phänomen wurde, damals noch unter einem anderen Namen, schon in den 20er Jahren von Janet beschrieben - am Fallbeispiel eines Mannes mit 5 Persönlichkeiten.
Wieder verstärkt ins Interesse der Wissenschaft rückte DIS in den 70er Jahren. In den 90er Jahren entstand eine Gegenbewegung, die nach wie vor aktuell ist und davon ausgeht, DIS gibt es nicht. Die Psychofritzen sind sich nach wie vor nicht einig, ob es das gibt oder nicht, und die Diskussion verläuft beiderseits eher polemisch als ruhig (sowie bei den Leuten mit DIS-Diagnose).
Polemisch ist die Diskussion insofern, als dass
- einige in der Pro-Dis-Fraktion davon ausgehen, dass die Anti-DIS-Fraktion von Kinderfickern durchsetzt sei. Hierbei verweisen sie darauf, dass eines der Gründungsmitglieder der FMSF (false memory syndrome foundation), die bei der Anti-Fraktion am heftigsten wettert, ein rechtskräftig verurteilter Kinderschänder war/ist und einige deren Mitglieder in ähnlichen Prozessen stecken.
Allerdings fegt die pro-Dis-Fraktion seriösere Vertreter der Gegenseite als die FMSF, oftmals einfach vom Tisch, ohne sich deren Argumente und Untersuchungsergebnisse auch nur mit dem A... anzugucken.
- Die FMSF wiederum geht davon aus, dass es DIS nicht geben kann, weil es keine verdrängten Traumata geben kann, warum auch immer. Die Beweisführung ist hierbei sehr schwammig.
- Seriösere Verfechter der Anti-Fraktion gehen davon aus, dass DIS-Fälle entweder Schauspielereien sind, um sich interessant zu machen, oder Leute, die eigentlich ganz andere Störungen haben, aber fehldiagnostiziert werden.
Wem das noch nicht reicht: einfach FMSF in Google eingeben.
Beide Seiten neigen dazu, nur Werke ihrer Seite zu zitieren. Manche Psychiater behaupten, niemals einen DIS-Fall bei sich gehabt zu haben (logischerweise weil es die nicht gibt), während andere überall DIS-Fälle sehen. Leider kenne ich kein Buch, das einfach relativ neutral den Stand der Diskussion niederschreibt.
Im Übrigen, falls ich demnächst mal nen Malk spielen sollte, suche ich mir sowas raus wie heftige Migräne. Die kann auch zu Hallus führen, und ist etwas bodenständiger und leichter zu spielen. Wenn man bei einem allabendlichen Wurf nach dem Aufstehen einen Patzer hat, wars das erst mal mit Lustig für den Tag.
Generell, bei den neurologischen Störungen gibts so einiges Interessantes, und das wurde auch nicht immer von psychostörungen unterschieden (siehe auch Epilepsie als Geistesstörung im Regelwerk). Gute Anregungen zu wirklich interessanten (wenn auch tragischen) Störungen liefern die Bücher mit Fallstudien des Neurologen Oliver Sacks ("Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte", "Eine Anthropologin auf dem Mars" usw.). Und bei Neuro-Stress braucht man kein seltsames autobiographisches Erlebnis (höchstens nen Sturz vom Pferd wenn überhaupt).
Gruß
Sangria