AW: Maddrax Reloaded: Wie es dazu kam...
Das würde ich übrigens gerne noch mal aufgreifen, nachdem ich einen Moment drüber nachgedacht habe. Ich kann mir ein "Savage Maddrax" viel besser vorstellen als ein "HeroQuest Maddrax".
Ich auch. - Sonst hätte ich ja auch nicht mit einer Savage Maddrax Conversion begonnen, sondern hätte Maddrax-typische Schlüsselworte für Herkunft, Beruf, Glaube etc. gesammelt.
Das liegt aber auch ganz einfach daran, daß Savage Worlds als Regelsystem für "pulpige" Settings GEDACHT ist. - Es zeichnet mit groben Pinselstrichen die Charaktere. Diese sind durch die Regelmechanismen, die speziell für die WICHTIGEN Charaktere (Wild Cards) gelten, deutlich kompetenter als die Normalos. Und das SW-Grundregelwerk gibt ja auch gleich Hinweise, wie man an eine Erschließung eines beliebigen Settings für das Spiel mit Savage Worlds herangehen kann.
HeroQuest sieht in seinen beiden Regelausprägungen "HeroWars" (das ist ja auch auf Deutsch herausgekommen) und "HeroQuest" zunächst einmal KEINE Adaption anderer Settings als Glorantha vor. - Daß viele Leute TROTZDEM eine Adaption vorgenommen haben und noch vornehmen, liegt daran, daß der Regelkern so knapp und einfach und SETTINGUNSPEZIFISCH ist. (HQ-Regelkern ist - längst nicht nur nach meinem eigenen Dafürhalten, sondern von eigentlich allen anderen HQ-Conversion-Schaffenden geteilt -
DIESE 8-SEITIGE ZUSAMMENFASSUNG HIER.)
Ausgehend vom HQ-Regelkern müßte man eben eine ganze Reihe spezifischer Schlüsselworte für die Welt von Maddrax definieren, die ganzen Magiebezüge streichen und durch (wesentlich vereinfachte) PSI-Schlüsselworte ersetzen, und die Seite mit den Beispiel-Widerständen auf Maddrax-bezogene Beispiele anpassen. Fertig. - Aber ANDERS!
Je länger ich drüber nachdenke, halte ich "HeroQuest" sogar für das regeltechnisch (in der konkreten Ausprägung) gänzlich ungeeignete System - und zwar aus den folgenden Gründen:
"Ungeeignet" für WAS?
Für die Zielsetzung Romanleser zum Rollenspiel zu bringen? - Vielleicht. - Aber Romanleser dürften mit der 100-Worte-Charaktererschaffung VIEL eher zurecht kommen, als mit einer "rollenspielüblichen" mit Charakterbastelpunkten.
Wenn Du die Kriterien nach denen auswählst, die (zufälligerweise) von DEINEM Regelansatz alle erfüllt sind (worüber man sich noch streiten kann...), dann ist klar, daß hier LEICHT ein gänzlich anderer Regelansatz als "ungeeignet" eingeschätzt werden kann.
Doch nach meinen Erfahrungen mit HQ in Glorantha, in anderen Fantasy-Settings, und in MODERNEN/Sci-Fi-Settings (Babylon 5) kann HQ genau das, was in einer Romanreihe wichtig ist, unterstützen: Kompetente Charakter von Bestand, unterschiedliche Detaillierungsgrade der Szenen, je nach Wichtigkeit, längerfristige Motivationen/Konstellationen (Staffeln im Fernsehen, Zyklen im Heftroman). - Das geht bestens.
Ich stimme aber mit Dir überein, daß HQ tatsächlich NICHT das "pulpige" Maddrax-Heftroman-Gefühl übermitteln wird, sondern ein sich anders anfühlendes Spiel dabei herauskommt.
- HQ erfordert 20-seitige Würfel. [...]
- HQ modelliert nicht die Realität von Maddrax. HQ ist darauf ausgelegt, nahezu beliebig epische Geschichten zu erzählen,[...]
Das mit den W20 ist ausschließlich ein Verfügbarkeitsargument, welches aber nicht MEINEM Kriterium einer ADÄQUATEN Umsetzung des Romangefühls ins Rollenspiel im Wege steht. Dein Ziel, nicht mein Ziel.
Daß HQ nicht die Setting-Realität von Maddrax modelliert, DAS ist das KRITISCHE AUSSCHLUSSKRITERIUM!
Verwendet man HQ vor dem Maddrax-Hintergrund, so wird man spätestens bei den ersten ausgedehnten Szenen (mit Extended Contests) merken, wie ANDERS die Konfliktstrukturen in HQ aussehen und auch GEDACHT sind. - In HQ sollen die Charaktere durch Einbringen ihrer Loyalität zu ihrem Stamm, durch Einbringen ihres Hasses auf die Gegner, durch Anrufen ihrer Götter, durch ihre von ihrer Geliebten rituell geflochtenen Zöpfe usw. HARTE REGELSYSTEMRELEVANTE VORTEILE in einem Konflikt ziehen können. Daher sind die resultierenden Konflikt-Szenen immer SEHR PERSÖNLICH für die einzelnen Charaktere. Es steht immer abseits von der reinen Auseinandersetzung (egal welche Ebene, ob Diskussion, Wettlauf, Ringkampf, Zureiten, ...) auch anderes auf dem Spiel. Und prinzipiell ALLES kann in einen Konflikt eingebracht werden. Es kann auch prinzipiell ALLES VERLETZT werden (Ansehen sinkt, Vertrauen in die eigene Fähigkeit ist angeknackst, eine Beziehung wird belastet, ein potentielles Reittier für immer unreitbar, ...).
Diese Art Geschichten passieren auf Glorantha. - Diese Art Geschichten passieren auch in der klassischen Antike (Argonauten, Herkules, Perikles, etc. aber auch Aeneas, Romulus und Remus, etc.). - Und diese Art "überlebensgroßer" Geschichten passieren auch bei Babylon 5 (dort nicht nur, aber gerade die Ebene des großen MORALISCHEN Konflikts zwischen "Who are you" und "What do you want" ist für HQ bestens geeignet).
Nur, in der Welt von Maddrax wird nicht dieses "epische Kraftsüppchen" gekocht, sondern eher bodenständige Küche.
Und das bilden pulpige und/oder cinematische Regelsysteme leichter den Ton der Romane treffend ab, als dies HeroQuest tun wird.
Man KANN aber MX-Quest spielen. Man muß sich nur klar machen, daß es sich dann anders als in den Romanen anfühlen wird, weil das Regelsystem als "Filter" dessen, was in Konflikten Erfolg bringen wird, andere Dinge in den Vordergrund des Spiels rückt.
Aber - so auch meine Feststellung in eigenen Runden - HQ eignet sich HERVORRAGEND für Rollenspielneulinge mit literarischen Neigungen. Die merken sofort, was sie alles mit ihrer Charakterbeschreibung tun können und reizen dies - so meine Erfahrung - auch voll aus.
ABER: Ich hatte HQ ja nur aufgeführt, um einen GÄNZLICH ANDEREN ANSATZ für einen Regelmechanismus vorzustellen.
MX:R verwendet einen "konservativen" Ansatz. - Ein Ergebnis aus der langen Geschichte unterschiedlicher Rollenspielsysteme seit Anfang der 70er. MX:R enthält keinen wirklich innovativen Aspekt. Muß ja auch nicht! - Jedenfalls nicht, wenn es das leistet, was es soll.
WAS es denn leisten soll, da gehen die ERWARTUNGEN etwas auseinander.
Deine Erwartungen führten zu Deinen Entwurfsentscheidungen:
Das sind m.E. so kleine Nebenbedingungen, die man auch im Auge behalten muss. Daher habe ich für mich die folgenden Regeln bei der Modellierung der Maddrax-Regeln festgelegt:
- Es werden ausschließlich W6 verwendet (die sollte es in jedem Haushalt geben).
- Es werden nach Möglichkeit nur einfachste Additionen verwendet (geringe Einstiegshürde).
- Die Zahlen bleiben alle in einem sehr engen Bereich, der trotzdem sowohl Anfänger als auch die Haupthelden modellieren kann.
Absolut legitime Randbedingungen, wenn man bestimmte Zielsetzungen verfolgt.
Als solche auch durchaus gelungen:
- W6 ist der einzige wirklich leicht verfügbare Würfel. Verfügbarkeitsprobleme für Spielmaterialien kann man so leicht minimieren.
- Die "einfachsten Additionen" sind zwar schon durchgehalten, jedoch gerade bei der Waffenliste für mich einfach zuviel. Hier überlagert der Wunsch nach "Sci-Fi-Crunchigkeit" das Streben nach Einfachheit. Ich sehe hier einen (kleinen!) Bruch in der Detailtiefe, den man hätte vermeiden sollen.
- Die Zahlen im engen Wertebereich, bzw. die Attribute nur als Bonus, nicht als "Zwischenwert", der dann doch nur in einem Bonus endet (wie in vielen Rollenspielen ja aus mir unerfindlichen Gründen üblich), finde ich gut gelöst.
Somit ist Dein Ansatz Deinen eigenen Erwartungen an ein Maddrax-Rollenspiel nahegekommen. - Und es wäre ja auch wirklich verwunderlich, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.
Das mal als eine Designentscheidung, die dazu dienen soll, das Spiel zugänglich zu halten.
Die "Zugänglichkeit" sehe ich aber bei einer ganzen Reihe an DEUTLICH unterschiedlichen Regelmechanismen ebenfalls (und oft sogar in stärkerem Maße als in der MX:R-Umsetzung) gegeben.
Man MUSS ja Anfänger im Rollenspiel nicht mit alten Mechanismen kommen, die innerhalb der Rollenspielerkreise als gegeben und bekannt überhaupt nicht mehr in ihrer Andersartigkeit, als man es z.B. bei gängigen Brettspielen kennt, wahrgenommen werden.
So könnte man z.B. "brettspielige" Komponenten einführen - ob im Kampf oder bei Verfolgungsjagden ist egal: Einfach ein liniertes Blatt Papier nehmen und dann mit Pöppeln (ja, hier greift das Verfügbarkeitsargument, aber wer eine Spielesammlung hat, der kann sich hier leicht behelfen - ansonsten mit Bonbons oder Viagra-Tabletten) darauf "in Bewegung" die Dynamik von Kämpfen, Verfolgungen oder auch von Diskussionen und flammenden Reden abbilden. - Dieser Ansatz, daß man würfelt und einen Spielstein zieht, wäre bestimmt wesentlich leichter vermittelbar als würfeln, addieren, Zielwerterreichung prüfen.
Prinzipiell gibt es hier zwei Zielbereiche, in denen wir zu einem gewissen Teil aneinander vorbei argumentieren:
der eine Bereich ist
"Maddrax-Rollenspiel als Einsteigerrollenspiel für Romanleser" und der andere Bereich ist
"Maddrax-Rollenspiel als stimmige Abbildung des Heftromangefühls der MX-Romane".
Diese Bereiche überlappen nur zum Teil.
Eine einfache, bereits erprobtermaßen anfängertaugliche Einsteigerrollenspiel-Lösung wäre z.B. MX-Risus:
Klischees gibt es in MX zuhauf. Und somit finden sich schnell in die den MX-Lesern bestens bekannte Spielwelt passende Klischees und man kann sofort losspielen. - Ob das aber FÜR MICH und meine Erwartungen an eine Abbildung des Heftromangefühls GUT GENUG ist, bezweifele ich.
Maddrax kann man auch mit dem Cinematic Unisystem spielen. Das ist nicht ganz so leichtgewichtig wie manche anderen Regelsysteme (aber immer noch leichter als das "normale" Unisystem), doch bietet es an den Stellen, wo das MX-Setting INTERESSANT wird, die Möglichkeit MEHR DETAILS zu verwenden, und dort, wo es unwichtiger und uninteressanter wird, weniger Details (wie eben im Buffy-RPG oder dem Angel-RPG). - Anfängertauglich ist das aber nicht gerade. Die vielen Entscheidungen, die allein zur selbstvorgenommenen Charaktererschaffung nötig sind, werden einem Totalanfänger im Rollenspiel schon Schwierigkeiten bereiten.
Andererseits ist die Charaktererschaffung in MX:R von Spielern, die das Regelwerk nur einmal durchgelesen haben, auch nicht gerade flott vonstatten gegangen - und das waren durchaus rollenspielerfahrene Spieler in meiner Testrunde. - Mehr Optionen (Vorteile/Nachteile/Fertigkeiten/Berufe) bedeuten stets auch mehr NOTWENDIGE Entscheidungen. Und damit GENAUERES Lesen, Überlegen und Prüfen, was man denn nun an eigenem Charakterbild wie in diesem Regelsystem abbilden kann bzw. (bei Anfängern) was man denn überhaupt ALLES MACHEN KANN.
Hinsichtlich der Zugänglichkeit sehe ich bei MX:R etwas gemischten Erfolg.
W6-Verwendung, einfache Mechanismen usw. ist ja ganz in Ordnung. Aber mehr (notwendige) Auswahl stellt IMMER eine Anfängerhürde dar. Bei den Waffen und der sonstigen Ausrüstung dasselbe Problem.
Daß es auch anders geht, zeigt Risus. Dort geht man davon aus, daß man alles an Utensilien, welche zu einem bestimmten Klischee gehören, auch dabei hat. Das umgeht das Nachlesen bzw. Nachfragen "Warum gibt denn Lederrüstung eigentlich KEINEN Schutzfaktor? - Wozu soll die denn irgendjemand tragen?"
Um Mißverständnissen vorzubeugen:
Ich finde MX:R im aktuellen veröffentlichten(!) Zustand schon ganz gut gelungen.
Ich bin mir aber SICHER, daß es bei öffentlicher Entwicklung unter Beteiligung einer größeren Gruppe hilfsbereiter, engagierter Rollenspieler (z.B. in diesem Forum
) deutlich an Qualität gewonnen hätte.
Die "Entwicklungsgeschichte" von Funky Colts hat mir jedenfalls gezeigt, wie positiv sich ein Rollenspiel durch z.T. SEHR kontroversen Input unterschiedlicher Kritiker/Testspieler entwickeln kann. - Das hätte meiner Meinung nach MX:R eben auch gut getan.
Wenn man sich manche der in diversen Foren laufenden Threads zu "Selbstentwickelten Rollenspielen" anschaut, dann finden sich gewisse Fragen, die man sich stets und ÖFTER, d.h. mit dem Schritt zurück von der Staffelei, daß man mal sein Bild als GANZES sehen kann, stellen sollte. - Oft ist der Autor eines solchen Vorhabens aber mit der Nase sehr nah an der Materie und das Gesamtbild nimmt er nicht so wahr, wie ein Unbeteiligter dies kann. - Das Nachhaken der Kritiker/Helfer sorgt für ein regelmäßiges Umrühren der "kreativen Suppe", auf daß nichts anbrennt oder verklumpt.
Daher halte ICH sehr viel von öffentlichen Entwicklungsprozessen, da sie das Werk an sich nur verbessern können - und sei es dadurch, daß der Autor bei bestimmten Entwurfsentscheidungen einfach sagt: "ich mach' das so, weil es MIR besser gefällt". Das ist mehr Einblick in das Warum eines Regelelements, als man es bei den nichtöffentlich entwickelten Rollenspielen bekommt. Man VERSTEHT als Leser/Spieler/Spielleiter den Grund für eine bestimmte Regel (und kann ggf. so viel leichter eigene Vorlieben als Hausregeln einbauen ohne gleich alles zum "Getriebeschaden" zu bewegen).
Ich bin auf MEHR FEEDBACK von anderen Blutschwertern (und anderer Foren Mitglieder) gespannt. - Gerade Skyrocks berühmt-berüchtigtes "Skalpell" würde ich gerne mal auf MX:R angewandt sehen.