Kampf und Gewalt der Kern jedes Rollenspiels?

Niedertracht schrieb:
Wenn man sich die leidigen Diskussionen zu dieser Thematik noch einmal ins Gedächtnis ruft, ist das mit Sicherheit eine Ansicht, die von einer ganzen Reihe von Rollenspielern nicht geteilt wird. Daß solche Leute ein "Den Zwölfen zum Gruße" dann für stimmungsvolles Rollenspiel halten, ist ja erst einmal ein ganz anderes Problem.
Richtig, es gibt auch eine ganze Reihe von Rollenspielern die die LARP-Haltung nicht teilt.
 
Kampf und Gewalt sind nicht der Kern des Rollenspiels, genauso wenig wie in den literarischen Vorlagen. Selbst in Literaturgenres mit recht viel Gewalt, wie etwa den klassischen Sagen, stehen die Kämpfe meist nicht im Mittelpunkt. Jeder kennt den Ariadnefaden, das Labyrinth und den Minotauros, alles faszinierende Aspekte dieser Geschichte. Niemanden interessiert (oder erinnert sich) wie der Kampf zwischen Theseus und dem Minotauros im Einzelnen verlief, es handelt sich nicht um den Höhepunkt der Geschichte, nicht um das, was in Erinnerung bleibt, nicht um die Moral der Geschichte etc. (Theseus hat halt gewonnen, aber das war eh schon vorher klar). So sind Kämpfe in einigen Genres wie eben bei griechischen Mythen oder moderner Fantasy oder Sword&Sorcery mehr oder weniger wichtig, aber selbst da sind sie nicht der "Kern" (nun, bei Sword&Sorcery vielleicht) und in anderen Genres wie etwa Urban Horror können sie auch eher unwichtig, selten und Randerscheinungen sein.
Und wenn man nur von einem Kampf zum nächsten hetzt, wie es etwa in manchen DnD-Abenteuern gerne mal der Fall ist, verlieren sie schnell jede Bedeutung, irgendwann fühlt man sich wie bei einem MMO, es geht nur noch um Loot, und da sollte im Rollenspiel schon etwas mehr drin sein.
Wie so oft im Leben gilt, umso häufiger Kämpfe sind, desto schwieriger ist es sie erinnerungswürdig zu gestalten und sie müssen eben nicht der Hauptfokus, der Kern, sein.
 
Jetzt müsste es nur noch stimmen, dass die Literatur die Vorlage für Rollenspiel wäre, was aber nicht der Fall ist. Sagen und Phantastikromane sind nur eine von mehreren Inspirationsquellen für den Hintergrund des Rollenspiels. Ansonsten bewegt sich Rollenspiel im konkreten Spiel inhaltlich meist irgendwo zwischen taktischem Brettspiel (ohne Brett), Abenteuer-Simulation und Mystery/Whodunit-Ratespiel.
 
Vorlage ist vielleicht nicht das beste Wort, aber ich bezog mich auf die bisherigen Aussagen, die auf Erzählkunst und Literaturgenres eingingen.
Vor 30 Jahren als es quasi nur DnD gab und Rollenspiel weitgehend mit Dungeoncrawling und Zufallsbegegnungen gleichzusetzen war, konnte man Kampf sicherlich als zentrales Element des Rollenspiels bezeichnen. Heute ist DnD nicht mehr allein und auch wenn der Kampf immer noch einen zentralen Bestandteil so ziemlich aller Rollenspielregelwerke einnimmt, ist der Kampf nur noch einer von vielen möglichen Bestandteilen des Spiels, muss nicht von besonderer Bedeutung sein und kann sogar ganz fehlen. Es ist also schwerlich der "Kern jeden Rollenspiels". Wenn ich (heutzutage) leite, ist der Kampf meist nicht das zentrale Element des Spiels - das hängt natürlich vom System, Setting, dem, was ich mit der Gruppe ausmache und dem, was die Gruppe macht, ab. Ich könnte mir auch gut eine Kampagne völlig ohne Kämpfe vorstellen, hatte ich aber noch nicht (Abenteuer ohne Kämpfe allerdings schon). Wenn ich Ars Magica, V:tR oder meinetwegen Cthulhu spiele und nur von einem Kampf zum nächsten renne, kotzt mich das schnell an, vielleicht ähnlich wie es Zornhau gehen mag, wenn er BoL spielt und es wird nur gelabert ohne das geringste Blutvergießen.
 
Ich bin ja der Ansicht, dass gerade Mystery und/oder Horror gehörig an Spektakel verliert, wenn man damit beginnt, Kämpfe zum Kern eines solchen Spiels zu machen. Sobald man Big Evil visualisieren und töten kann, ist die Mystery und der Horror ganz schnell den Bach runter.
 
Mal abgesehen davon, dass dem Film andere Mittel zur Verfügng stehen als dem Rollenspiel und HJs Aussage auf mich den Eindruck macht, eine eher grobe Verallgemeinerung zu sein, kann ich mich nicht erinnern, dass in Alien (Teil 1) irgendein Alien getötet wird (der Facehugger stirbt von selbst, nachdem er das Ei gelegt hat, und sowas).
 
Bei "Alien" hatte ich dieses Empfinden überhaupt nicht.

Meinst Du jetzt den Film ? Also in Teil 1 hatte ich echt Angst... im zweiten dann waren die Aliens nur noch Gegner. Ich fand beide Filme gut, aber sehr verschieden. Während teil 1 noch Richtung Horror ging war der zweite Teil eher ein SF-Actionspektakel für mich.

Aber zurück zum Thema:
Zusammenfassend kann man wohl einfach sagen das Gewalt bei vielen Rollenspielen im Mittelpunkt steht... aber nicht bei allen. Was jedes Rollenspiel braucht sind meiner Meinung nach Dramatik, Hindernisse und Konflikte. Aber es gibt keine Regel die Festlegt das diese Dinge immer physischer Natur sein müssen. Soziale Konflikte oder einfach auch nur Wettkämpfe können durchaus ebenso spannende Stilmittel sein. Gewalt hat allerdings den Vorteil das es uns allgemein leichter fällt einen Kampf in Regeln zu fassen, als ein Gespräch. Und es gibt noch einen Vorteil: Soziale Konflikte und vielleicht auch Wettkämpfe haben wir bisweilen schon in der Realität. An Kämpfen hingegen sind (zum Glück) heutzutage nur die wenigsten Menschen in Deutschland beteiligt. Insofern gibt uns das Rollenspiel hier mal die Möglichkeit Dinge zu tun, die wir sonst nicht wollen bzw dürfen. Und das (meist) ohne schlechtes Gewissen.

Ich gehe mal davon das den meisten durchaus bewußt ist das Gewalt normalerweise keine Lösung ist und wir im Alltag versuchen solche Situationen zu umgehen oder zu entschärfen. Im Rollenspiel jedoch darf man sich mal "austoben". Das gilt übrigens nicht nur für Gewalt. Im echten Leben würden wir auch nicht versuchen einen Immobilienhai auszurauben... im Leverage RPG z.B. hingegen schon ;)

Und noch eins (auch wenns nicht zum Thema gehört): FROHE WEIHNACHTEN ! :D
 
Mal abgesehen davon, dass dem Film andere Mittel zur Verfügng stehen als dem Rollenspiel und HJs Aussage auf mich den Eindruck macht, eine eher grobe Verallgemeinerung zu sein, kann ich mich nicht erinnern, dass in Alien (Teil 1) irgendein Alien getötet wird (der Facehugger stirbt von selbst, nachdem er das Ei gelegt hat, und sowas).
Es wurde visualisiert und hätte getötet werden können.

Und inwiefern sollte eine Visualisierung durch ein Bild in einem Quellenbuch eine andere Wirkung haben, als auf das Bild auf einer Leinwand, wenn wir uns über den "Horror"-Effekt unterhalten? Jacks Argument war doch, daß die Visualisierung und die Möglichkeit des Tötens diesem "Horror"-Effekt (bei ihm) ziemlich abträglich ist. Ich habe lediglich ein Beispiel genannt, bei dem dies nicht der Fall gewesen ist.
 
Ich habe HJs Beitrag auch nicht geliked, weil ich nur seinem ersten Satz voll zustimmen würde, der zweite verallgemeinert meiner Meinung nach zu stark. Ansonsten soll hier glaube ich nicht der Horror im Allgemeinen analysiert werden, das führt zu weit vom Thema weg.
Dein letzter Beitrag hat zum Beispiel einen starken Horror-Effekt auf mich, wer will sowas schon erklären?
 
Das war meine originelle Art zu sagen, dass ich den Beitrag scheiße fand. Und dass ich tierisch genervt bin. Ich geh dann mal und hoffe, dass sich meine Stimmung hebt, wenn ich einen Weihnachtsmann verprügele. Irgendwie muss ich ja meine Aggressionen abbauen, wenns schon kaum Kämpfe in meinen Abenteuern gibt.
 
Huh?
Man könnte doch einfach festhalten das es unterschiedliche Arten von Horrorfilmen gibt.
Eine wo man das Grauen nicht dargestellt bekommt, und eine wo man das Grauen sehr genau sieht.
Vielleicht auch noch ein paar wo das Grauen so etwas mehr Blinker mäßig ist, mal direkt da, mal gar nicht und manchmal nur so Pseudo da (man glaubt das es da ist, aber dann ist da doch nichts).
 
Ich hatte nicht das Gefühl, dass in Teil 1 irgend jemand irgendwann in der Lage gewesen wäre, das Alien zu töten. Da war schon ziemliche Ohnmacht angesagt.

Aber egal, ab Teil 2 wich der Horroreffekt ohnehin dem Splatter. Und das dank der Möglichkeit, die Viecher zu töten.
 
Aber egal, ab Teil 2 wich der Horroreffekt ohnehin dem Splatter. Und das dank der Möglichkeit, die Viecher zu töten.

Nunja ... das aber vor allem deswegen, weils gut ausgestattete Marines waren. Und die hätten wesentlich mehr reingeknallt, hätten sie ihre Uran-Granaten nutzen dürfen. So war die Masse an Aliens schon ein Problem.
Teil 3 war wiederum wie Teil 1 ... gottverlassener Ort, keine Möglichkeiten und absolut tödlich das Tier. Ich find Teil 4 war ein gesunder Mix aus Horror und Splatter (bis zum doofen Ende).
 
Und die hätten wesentlich mehr reingeknallt, hätten sie ihre Uran-Granaten nutzen dürfen. So war die Masse an Aliens schon ein Problem.

Aber waren sie noch ein mysteriöses Horrorproblem? Auch nicht signifikant mehr, als die Bugs bei Starship Troopers, find ich so.

"There is no terror in the bang, only in the anticipation of it."- Alfred Hitchcock

Und ich finde, da hat der Hitchcock recht. Je weniger man über einen Feind weiß, um so mehr Lücken muss die menschliche Vorstellungskraft ausschmücken. Das tut sie meist dramatischer, als es tatsächlich ist. Ahnungslosigkeit brütet mehr Horror und Mystery aus, als es eine direkte Konfrontation je könnte.
 
Ob Mystery oder Metzeln - in beiden Fällen geht es darum, etwas zu erleben, was einem im Alltag nicht passiert. Das ist der Kern des Rollenspiels. Daß Kämpfe häufiger sind als Horrorgeschichten à la Hitchcock oder Lovecraft liegt zum Teil daran, daß man für ersteres weniger Übung/Begabung für das Erzählen benötigt als für letzteres, damit es Spaß macht.
 
Ich würde das Pferd eher von der anderen Seite aufziehen: der Anspruch der Teilnehmer ist (viel) geringer.

Während man bei einem Horror-/Mystery-Plot erwartet, daß man es vor Spannung kaum aushalten kann, reicht es bei einem Kampf, daß dieser schon stattfindet, um vielen Spieler ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Daß die Beschreibung dieser Kämpfe dann nicht selten mit solch einfallsreichen Formulierungen wie "Du triffst ihn am Arm. Er blutet leicht.", "Daniel, dein Schuß verfehlt dein Ziel. So Julia du bist dran." oder "Der Ork trifft dich. Zieh dir mal 15 Lebenspunkte ab. So wer ist jetzt dran? Hm, achja. Der zweite Ork." abgehandelt werden, wird dann gar nicht als so lahm wahrgenommen, wie es auf einen Unbeteiligten wirkt.
 
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