„Ehrlich gesagt gar nichts und alles.“, antwortete die Tremere zu nächst ziemlich nichts sagend. "Ich wurde protestantisch erzogen. Später beschäftigte ich mich mit anderen Religionen, auch solchen, die man vielleicht als 'naturnah' bezeichnen könnte oder 'ursprünglich' manches davon mag auch eher neuzeitlich sein. Glaube ist etwas, was nie bewiesen kann. Wir sind wohl ein Teil der Welt, der zu zeigen scheint, dass nicht alles eindeutig mit Wissenschaft erklärbar ist, ähnlich wie die Magier oder die Feen. Es gibt mehr in dieser Welt.
Aber gehen wir erst mal vom christlichen Gott und dieser Religion aus. Es gibt so viele unterschiedliche Arten, wie man allein diese Religion interpretieren und Leben kann. Welches davon soll die richtige sein? Die, die Kirche predigt? Wenn ja, welche Kirche denn genau? Ich halte sämtliche Möglichkeiten, sämtliche Religionen für Möglichkeiten mit gewissen Wahrscheinlichkeiten. Ich kann nicht sagen, dass eine davon zu trifft und eine andere nicht. Manches mag ich eher glauben als anderes, für wahrscheinlicher halten.
Wenn es einen Gott gibt und ich dem Christentum folge, dann ist Jesus Christus für die Schuld der Sünder gestorben um sie zu sühnen. Wäre es dann nicht ein Frevel und eine Schmälerung seiner Tat, wenn ich glaubte, der Tod Gottes Sohns hätte nicht die versprochene Wirkung? Wenn es so ist, dann glaube ich durchaus an einen Tag des jüngsten Gerichtes. Allerdings werden wir dort nicht von irgend einer fremden Instanz gewogen und für gut oder schlecht befunden. Vielmehr stelle ich mir dieses Gericht als etwas vor, wo man sich selbst und seine Taten erkennt. Wissen darüber erlangt, warum man wie in einer bestimmten Situation gehandelt und wie es dazu gekommen ist. Wenn ich diesem Glauben folge, habe ich wenig wirkliche Wahl. Zu einem bestimmten Zeitpunkt bin ich ich mit meiner Summe an Erfahrungen. Komme ich in eine Situation, werde ich immer auf Grund meiner Erfahrungen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt gesammelt habe, auf einen bestimmte Art und Weise handeln, ebenso wie auch meine Gegenüber. Fünf Minuten später können sich meine Erfahrungen schon verändert haben und ich würde in der gleichen Situation mit meinem Mehr an Erfahrung unter Umständen anders handeln. In so fern ginge es beim jüngsten Gericht nie um Schuld, sondern immer nur um Erkenntnis.
Wenn ich dem Wort folge, das du verwendest, dann würde demnach unser Ursprung im alten Testament liegen, im Fluch des ersten Brudermörders, wenn ich richtig informiert bin. Wenn dem so ist und wenn es ein Fluch der Art 'und deine Kinder und Kindeskinder' ist, warum wird der 'Fluch' dann mit jeder Generation 'schwächer'? Warum wird das Blut dünner? Wie ist das zu erklären? Wie wäre diese Hypothese mit meiner anderen Hypothese von Glauben vereinbar? Und warum werden zum Teil zu mindest verhältnismäßig unschuldige Opfer dieses Fluches ohne etwas dagegen tun zu können und werden der ewigen Verdammnis anheim gegeben?. Und wenn Selbstmord eine Sünde sein soll, warum soll es für uns dann das richtigere sein den endgültigen Tod zu wählen, weil wir 'verfluchte' sind? Der eine oder andere von uns mag es sich ausgesucht haben, aber viele von uns hatten keine Wahl oder nur eine angebliche. Ist das, was uns belebt, eine Art Dämon? Eine Art Essenz, die mit jeder Weitergabe verdünnt wird und an Kraft verliert? Warum reagieren wir manchmal auf das, was wir 'wahren Glauben' bei Menschen nennen?Und das religionsübergreifend, wenn ich recht informiert bin. Ich kann es dir nicht beantworten. Und ich suche auch nicht nach einer endgültigen Antwort. Ich habe mich für das Leben entschieden. Dieses Leben, was ich jetzt habe, mit all seinen Konsequenzen, seinen guten und seinen schlechten Seiten. Aber ausgesucht habe ich es mir nicht. Ich weigere mich lediglich wegen ein paar Widrigkeiten auf zu geben.
Eine andere Theorie in Bezug auf Glauben, der ich eine recht große Wahrscheinlichkeit einräume, ist die Sicht der Welt und des Lebens als eine Art fast Kreislauf. Nur statt einen echten Kreis zu bilden, einer fortwährenden Wiederkehr des immer gleichen, denke ich, dass es sich eher um eine Spirale handelt., eine Spirale der Entwicklung, auf der Ereignisse einander ähneln, wiederholt werden, aber doch nicht völlig gleich sind, sondern sich weiter entwickeln hin zu etwas Neuem. In Bezug auf so eine Spirale stünden wir vielleicht etwas am Rand oder im Abseits, weil wir länger überdauern als so manches andere. Aber das tut ein Stein auch, oder nicht? Auch Bäume können weitaus älter werden als Menschen. Warum sollten wir also zwingend ausserhalb der Spirale stehen, nur weil wir einen längeren Lebenszyklus haben als wir mit unserem menschlichen Verständnis erfassen können? Glaube ich an die Hölle? Auch die ist möglich. Dämonen, oder wenigstens etwas, was wir als solche bezeichnen, gibt es recht sicher. Nur endgültig definieren kann ich sie dir nicht gut. Ich brauche keine endgültige Wahrheit oder Gewissheit, was diese Dinge angeht. Es wäre verflucht langweilig oder könnte gar deprimierend sein."