Initiativbewerbung

"Du hattest das Thema auf den Tisch gebracht, Helena. Ich denke, ich habe bereits zu Beginn deutlich gemacht, dass ich den 'kainitischen Fluch' für nicht wahrscheinlich halte. Ich halte es da ganz im Sinne unserer Ahnen."

Was spannend war. Da die Ahnen der Camarilla keine andere Legende auf den Tisch gebracht hatten. Und das geschah Meistern des Tricksens und Betrügens? Das war allerdings ein Gedanke, den Anna sehr geflissentlich nicht laut aussprach. Die Camarilla hätte ihren eigenen Entstehungsmythos gegen den des Sabbats einführen sollen. Dann wären sie wahrscheinlich wesentlich effektiver im Unterdrücken der Gerüchte gewesen, als sie es jetzt waren. Ein ziemlicher schnitzer, den sie sich da gleistet hatten und inzwischen wahrscheinlich bereuten. Die Vampire stammten von Menschen ab und Menschen strebten danach irgend etwas glauben zu können. es war ihnen ein Bedürfnis.. Sicher, es gab immer Ausnahmen, doch das Gro war davon betroffen.

Naja, wenn man an nichts glauben wollte, dann musste man es nicht, aber was sollte es. Natürlich stammten alle Vampire von Menschen ab, keiner wurde als Vampir geboren, aber es ging um den Ursprung und Helena kannte noch ein paar andere Vorstellungen als die von Kain, aber diese wurden dann auch gleich wieder von denen, die an irgendwas glaubten verworfen und geächtet.

"Ja, sicher, ich merke auch immer, daß es keiner wirklich hören will, also belassen wir es dabei", sagte sie. "Ich finde es einfach nur interessant. Vielleicht werde ich mal ein wenig in meinen Büchern über andere Möglichkeiten spekulieren."

"Selbst das dürfte kein ganz ungefährlicher Ort für derartige Spekulationen sein. Es sei denn, man ließe sie abnicken und sie würden einem gestattet - damit man aufkommende Gerüchte dieser Art, die mal Menschen zu Ohren kommen mit Hilfe dieser Bücher erklären könnte."

So ganz dumm war Anna nicht. In zwei, dreihundert Jahren würde sie mit Helena unter Umständen ein offenes Gespräch über diese Thematik führen. Wenn sie bis dahin etwas wie tiefes Vertrauen zwischen den Frauen entwickelt hatte und ihre Wege sich nicht trennten oder nicht ganz so positiv aus fielen..

Und welchem Vampir vertraute ein Tremere wirklich?

"Ich habe festgestellt, das mögen die oberen sogar, denn dann fühlen sie sich sicherer, daß keiner uns entdeckt", erwiderte Helena. "Und ich kann mit Ideen spielen und mir damit Freiraum schaffen, es ist leichter, als direkt an der Maskerade zu schreiben. Hast du wirklich genau gelesen, dann wirst du merken, vieles ist schon sehr genau, teilweise nur Namen vertauscht."

Sie zuckte die Schultern.

"In der Kunst läßt einem die Camarilla ziemlich viel Freiraum."

Anna sah die Toreador an.

Oh, sie war in der Verführung. Es wäre anna ein leichtes eine beliebige Passage aus einem der gelesenen Bücher zu nehmen und sie Helena zu rezitieren. Aber was hätte das gebracht? ausser, das Anna mit ihrer Fähigkeit geprahlt hätte und der anderen einen durchaus nicht unwichtigen Hinweis über sich gegeben hätte? Würde die Ahnin dafür wohlmeinend loben? Wohl kaum.

"So ist es wohl." Normaler Weise war es nicht an einem Neugeborenen, das Gespräch mit einem häher gestellten zu beenden, aber Helena handhabte vieles anders. Und höfliches Nachfragen war immer gestattet. "Wenn du erlaubst und nicht noch etwas erörtern möchtest, ich habe noch ein gewissen Lernpensum für diese Nacht, dass leider mit dem Verstreichen der Nacht allein nicht kleiner wird. Auch wenn unsere Unterhaltung etwas ist, was ich sehr wohl genieße, möchte ich doch nicht Herrn Grimm berichten müssen, warum ich mein Pensum nicht erfüllt habe."

Helena grinste.

"Ja, da hast du Recht, wenn er sich beklagt, sag ihm du hast Gut-Wetter gemacht, nach dem ganzen Porzellan, das er zerdeppert hat", sagte sie dann. "Viel Spass beim lernen."

Anna nickte leicht. "Ich werde wohl eher andere Worte dafür finden, wenn ich davon berichten sollte. Mir liegt wenig daran, meinen Ahn zu brüskieren. Ich danke dir, Helena." Anna stand auf und neigte leicht ihren Kopf zum Dank für das Gespräch und als Ehrbezeugung für die Frau.

Helena grüßte zurück und sah Anna dann hinterher. Wie gut, daß sie nicht bei den Tremere gelandet war.