AW: Handwerk und Berufe in Rollenspielen
Ein Faires system wäre eins, wo jede Fähigkeit einem Abenteuer ihren nutzen bringen kann.
Und dann müßte nur noch sichergestellt werden, daß in JEDEM Abenteuer auch JEDE noch so abwegige Fähigkeit tatsächlich nutzbringend eingesetzt werden kann.
Wenn man also ein 40er-Jahre-Detektiv-Abenteuer in Los Angeles spielt, dann müßte sichergestellt werden, daß Pflugschar Schärfen, Gerade Furche Ziehen, Sich Über Das Wetter Beklagen, und jede Menge mehr Fertigkeiten des guten Landmann-Charakters hier NUTZBRINGEND eingesetzt werden können. - Wäre das "fair"?
Nein.
Das wäre BESCHEUERT!
Wo es also keinen "Richtigen" und keinen "Falschen" weg gibt seinen Charakter zu bauen.
Das ist eine völlig abwegige "Gleichmacherei"-Sicht aus der "Ich bin OK. Du bist OK"-Schule.
Und da kommen dann Charaktere heraus, die völlig UNPASSEND für die jeweiligen Settings, die jeweiligen Abenteuer sind.
Wer Sindbads Siebzehnte Reise spielt und mit einem Kameldungsammler-Charakter ankommt, wo klar ist, daß die Kampagne um Seefahrt, Kämpfen, Magische Monster, Räuber, Piraten, Harte Kerle gehen wird, der hat definitiv den FALSCHEN Charakter erschaffen (und will vermutlich seine Mitspieler verärgern, indem er die Kampagnenrandbedingungen einfach ignoriert und drauf besteht seinen nichts zur Gruppenüberlebensfähigkeit auf diesem gefährlichen(!) Abenteuer beitragenden Nieten-Charakter zu spielen).
Oh, ja. - Man kann sehr wohl VÖLLIG FALSCHE Charaktere bauen. Und das machen mit schöner Regelmäßigkeit die Spieler, die egozentrische Arschlöcher sind, denen die anderen Spieler und das GEMEINSAME Spiel scheißegal sind, sondern die lieber ihren Egotrip mittels des abenteuer-untauglichsten Pflegefall-Charakters auf Kosten der Nerven der Mitspieler und des Spielleiters ausleben wollen.
Das hat mit "Fairness" des jeweiligen Rollenspiels nichts zu tun.
Wer sich in einem Maschinengewehre&Moneten-Cop&FBI-Setting der 30er-Jahre einen Obstverkäufer-Charakter baut, der kommt mit dem Obstmesser zum Tommygun-Bleigewitter. - So etwas ist einfach vom Spieler eine BLÖDHEIT!
Besser wäre ein System mit einer "Bauernklasse", die sich zwar an dem Berufszweig Bauer orientiert, diesen aber Wertetechnisch so ausstattet, dass er als auf der Regelschiene Effektiver Charakter darsteht.
WOFÜR "effektiv"? - Für die Piratenkampagne, bei der die Spieler nur sporadisch mal auf drögen Felseninseln ihren Fuß an Land setzen? Da stinkt der "Effektive Bauer" dermaßen ab. - Für die Hofintrigen-Kampagne in der Hauptstadt des Imperiums? Das stinkt der "Effektive Bauer", dessen soziale Fertigkeiten sich im Schweinehüten erschöpfen, dermaßen ab.
Effektiv ist IMMER nur mit der Beantwortung der Frage "Für WAS FÜR EINE Kampagne?" eine sinnvolle Aussage. - Ansonsten ist es Unfug über einen "effektiven Charakter" zu sprechen, der an ALLEM vorbei entworfen wurde, was in der Kampagne notwendigerweise gefragt werden wird.
Durchaus ein CHarakter dem man wertetechnisch den Farmer abkauft, aber gleichzeitig ein Charakter den ich beim ersten Lesen schon in die Nähere Auswahl für "Würde ich Spielen" aufgenommen habe.
Würde ich Spielen, wenn ich meinen Mitspielern die Kampagne versauen möchte. - Das trifft es doch eher.
Bei HeroWars/HeroQuest sind - wie gesagt - die Berufe ENORM wichtig, doch wird davon ausgegangen, daß die Leute, die die HAUPTFIGUREN einer epischen Heldengeschichte sein sollen, eben NICHT ihren öden Berufsalltag 1:1 in alle prächtigen Hartwurstigkeit ausspielen wollen, sondern daß sie einen GRUND dafür haben, weshalb sie über die Grenzen ihres Alltags hinaus gegangen sind und sich - zusammen mit gleichermaßen aus ihrem alten Leben fortgeschrittenen Charakteren - zu NEUEN Dingen zugewandt haben.
Der Beruf liefert nur das Fundament für einen interessanten Charakter. Aber ein öder, blöder Odelbauer ist halt so uninteressant, daß er im Normalfall noch nicht einmal besondere Spielwerte braucht, weil er zum Kolorit der Spielwelt gehört.
Wer solche Charaktere spielen will, der will Charaktere, die ihre Persönlichkeit und ihre herausragende Rolle (nämlich daß sie von einem Spieler gespielt werden!) soweit verleugnen und in den Hintergrund treten lassen, daß sie geradezu selbst zum Hintergrund werden. - Bloß nichts Spannendes, nichts Aufregendes, lieber langweilige, sich stets wiederholende Handlungen vollführen, da man bei diesen weniger Risiko eingehen muß und das Scheitern auch nicht so schlimm ist.
Das sind NIETEN.
Die sind sogar in ihrer Spielwelt NIETEN, nicht nur aus Sicht einer interessanten Rollenspielhandlung.
Diese Art von NULLNUMMER-Charakteren ist etwas, worauf man wirklich in JEDEM Rollenspiel verzichten kann. Ob das die flauschigen Jammerengel mit Kuschel-Sucht und verweinten Augen bei den Chroniken der Engel sind, ob das die Leute sind, die mit ihrer Pflugschar (samt Ochsengespann) zum Schwertduell der Fechtmeister antreten, ob das die anämischen, linkischen Lustknaben sind, die im Wikingerschiff auf Beutezug ins drachenverseuchte Eismeer fahren. - Alles nur Mittel von Spielern es sich mit ihren Mitspielern zu verderben, den Mitspielern auf die Nerven zu gehen, und nur ja nicht irgendwie am gemeinsamen Rollenspiel teilnehmen zu müssen.