AW: Hand aufs Herz: Wer spielt Selbsterstellte Rollenspiele?
Ich spiele solche selbstentwickelten Rollenspiele zumeist NICHT, weil sie vom Regelsystem her wirklich erstaunlich oft (öfter als es sein müßte) grottig sind (aus unterschiedlichen Gründen - der häufigste ist, daß einfach ein dem Autor bekanntes Regelsystem völlig ohne auf die Settingbedürfnisse und -besonderheiten zu achten, in einer abgespeckten, meist nicht mehr funktionstüchtigen, oder auch ungekürzt noch nie funktionstüchtigen Form, verwurstet wurde).
Auch nicht selten: Die Themen der Settings sind für mich einfach uninteressant. - "Zu speziell" trifft es nicht einmal, sondern oft einfach UNORIGINELL, oder extrem ENG AUSGERICHTET, so daß kein Wiederspielwert zu erwarten ist. One-Trick-Ponies, die eine EINZIGE Idee schmalspurig verfolgen, locken mich zumeist nicht hinterm Ofen hervor, daß ich mich damit so befasse, daß ich eine eigene Runde starten könnte, daß ich meine Spieler rekrutiere und ihnen von dem betreffenden Rollenspiel so erzähle, daß sie darauf neugierig sind. - Die meisten selbstentwickelten Rollenspiel-Settings sind halt für mich uninteressant. Dabei fallen in meinem Interesse gleich ganze Bereiche heraus: Die WoD-Klon-Settings mit "darquer" Ausrichtung, die NDE-Settings mit Depri im Tank, Cyberpunk, weil dieses Genre mit den Achtzigern tot ist, usw. - "Zu speziell" trifft es nicht. Zu UNINTERESSANT und zu UNORIGINELL trifft es eher.
Nachdem das allermeiste an hier (oder in anderen Foren) vorgestellte Selbstentwickelte mich wenig bis gar nicht begeistern kann, es überhaupt mal spielen zu wollen, sind doch ab und zu für meine eigenen Vorhaben interessante Ideen drin, die ich gerne klaue, rausziehe und in meine eigenen, nur für den Hausgebrauch entwickelte Vorhaben einbaue.
Was müßte ein Selbstentwickeltes Rollenspiel aufweisen, damit ich es tatsächlich SPIELEN würde?
Zum einen müßte das Setting ansprechend sein. Nicht zu "darque", mehr an Rollenspiel zur Unterhaltung orientiert, nichts, was es anderswo schon um Klassen besser und auch besser durchdacht gäbe.
Zum anderen müßte es ein FUNKTIONIERENDES Regelsystem aufweisen und nicht eine zusammengeschusterte an allen Ecken und Enden wackelnde Fehlkonstruktion. Ich verstehe einfach nicht, wie solche Rollenspiel-Selbst-Entwickler nur ihre EIGENEN Rollenspiele SPIELEN können. Die müssen eigentlich ständig von ihren eigenen Regeln abweichen oder BESCHEISSEN. Und ein Regelsystem, das nur dann funktioniert, wenn mir der Autor daneben steht und mir sagt, wann ich wie welche Regeln zu verbiegen habe, das taugt einfach nichts. - Bei vielen Settings, die an sich nicht mal so übel wären, hätte es wirklich geholfen eine Risus-Version oder eine zu einem anderen, einfachen, gängigen Regelsystem, das wenigstens das leistet, was es soll, zu erstellen, statt ein "neues" Regelsystem zu entwickeln, das so voller Macken steckt, daß es schon in der Papierform "abstürzt".
Zwischenstand meiner persönlichen Kriterien für ein gutes "Selbstgebrautes":
Setting interessant und BEGEISTERND präsentiert. Regelsystem funktional und VERSTÄNDLICH präsentiert.
Aber da fehlt noch was. Was WICHTIGES.
Die meisten (eigentlich so gut wie alle!) selbstentwickelten Rollenspiele sollten eigentlich NICHT mit dem Anspruch an die Öffentlichkeit gehen, daß sie von ANDEREN als der Gruppe des Entwicklers gespielt werden können. - Denn um mit dem, was hier an Material veröffentlicht wird, tatsächlich als EXTERNER, der nicht das Ganze selbst geschrieben und somit auch alles im Kopf hat, wirklich etwas an SPIELRUNDEN VORZUBEREITEN da reichen die Angaben hinten und vorne nicht aus.
Die meisten Selbstentwickelten Rollenspiele werden ganz offensichtlich NICHT IN DER ABSICHT erstellt, für die Zielgruppe "dem Entwickler völlig fremde Spielleiter" tauglich zu sein.
Daher finde ich diese Umfrage auch sehr interessant, weil mein Eindruck der ist, daß der Löwenanteil (pseudorational: gefühlte 95%) der Selbstentwickelten Rollenspiele nicht einmal eine einzige KLARE für einen fremden Spielleiter HILFREICHE Einführung und Vorbereitungsunterstützung anbieten.
Daran erkennt man übrigens die wenigen guten - eventuell sogar spielenswerten - Selbstentwickelten Rollenspiele: Sie besitzen Spielleiter-Kapitel, die auch praktischen Nutzen haben und einem Spielleiter zeigen, WIE er denn überhaupt für dieses Spiel eine Spielsitzung vorbereiten soll.
Standard ist doch leider: Verschrobenes, schmalspuriges, unoriginelles Setting, LIEBLOS hingeschrieben (erkennbar an grauenhafter Rechtschreibung, die einen Leser abschreckt), untaugliches, überkompliziertes oder bis zur Unbrauchbarkeit lückenhaftes Regelsystem, das garantiert NIE "by the book" auch nur eine Minute funktionieren wird, ohne daß der Spielleiter BESCHEISSEN muß, und das ganze so dargeboten, daß man als externer Spielleiter nicht einmal einen Eindruck bekommt, was man denn eigentlich spielen soll, wie man an eine Abenteuervorbereitung herangehen soll, auf was man beim Leiten dieses Rollenspiels achten sollte usw.
Das finde ich gerade deshalb so deprimierend, weil man doch als Selbstentwickler von Rollenspielen garantiert JEDE MENGE anderer Spiele gelesen UND gespielt haben wird. Und daher müßte man doch die MINDESTQUALITÄTEN von spieltauglichen Rollenspielen KENNEN.
Ich habe aber den Eindruck, daß dies eben nicht der Fall ist. - Selbstentwickler, die in ihrem stillen Kämmerlein für ihre Freundin, ihren besten Kumpel und die paar anderen Dauer-Mit-Zocker eine Eigenentwicklung machen, müssen sich ja auch NICHT DEM VERGLEICH aussetzen.
Aber wer z.B. HIER sein Selbstentwickeltes Rollenspiel präsentiert,der WEISS ja - er kann es hier im Forum ja offen sehen - mit was für anderen Projekten er seines in die kritische Öffentlichkeit stellt. Wer in solch einem Umfeld dann NUR LOB erwartet, der hätte sich mal anschauen sollen, FÜR WAS denn so tatsächlich Lob ausgeteilt wird.
Ich finde es ja oftmals schade, daß die Selbstentwickler dann auch noch so außerordentlich "beratungsresistent" sind. - Wenn hier wenigstens MEHRHEITLICH eine Motivation durch Feedback einfach BESSER zu werden und ein BESSERES Selbstentwickelts zu erschaffen zu erkennen wäre, dann wäre schon eher die Chance, daß mal ein SPIELINTERESSANTES Rollenspiel dabei heraus kommt.
Aber: Auch bei den absolut professionell aufgemachten, kostenlos erhältlichen Rollenspielen zum Download, angefangen von Risus über Fate usw. bis hin zu kompletten Fassungen kommerzieller Rollenspiele wie OA ist halt über 90% unausgegorenes Zeug, das mir MEINE Zeit zum Spielrundenvorbereiten in diesen Rollenspielen verschwendet erscheinen läßt.
Dabei kann man von kostenlosen, verdammt guten Beispielen wie Risus jede Menge LERNEN.
Aktuell löst jedenfalls der Begriff "Selbstentwickeltes Rollenspiel" einen deutlich NEGATIVES Bauchgefühl aus.
Im Papier- und Karton-Modellbau-Hobby gibt es auch viele, die selbstentwickelte Bausätze vorstellen. - Da ist bei WEITEM nicht so viel Ausschuß dabei, wie bei den selbstentwickelten Rollenspielen. - Das mag daran liegen, daß das Entwerfen, Zeichnen, Ausmessen von Papier-Bastelbögen eine gewisse "handwerkliche Grundkompetenz" erfordert, damit ÜBERHAUPT ein Bastelbogen erkennbar und nutzbar wird. - Im Rollenspielhobby wäre die Grundkompetenz zum einen KLARE, FEHLERFREIE Sprache zu verwenden, ein Dokument sauber strukturieren zu können, die Inhalte zu beherrschen, ein funktionales Regelsystem verwenden zu können, und einfach viele andere Produkte (ob kommerzielle oder kostenlose) anderer Entwickler zu KENNEN. Leider meint - natürlich überspitzt - jeder, der eine Folge Buchstaben in einen Editor hacken kann, gleich das notwendige Handwerkszeug für ein Selbstentwickeltes Rollenspiel zu besitzen. - Tut er ja auch. Nur ist das dann NICHT SPIELENSWERT. Wie die meisten eben.
Ich bin einfach für Bereitschaft das HANDEWERKLICHE im Rollenspiel-Entwickeln zu pflegen.