AW: Habt ihr schonmal "zuende" gespielt?!
blut_und_glas schrieb:
Die Geschichte war zu Ende?
Genau. Das passiert andauernd.
Ob bei einem One-Shot-Szenario, oder bei einer mehrjährigen Kampagne - irgendwann ist alles über die Charaktere erzählt, der große Hintergrundplot der Kampagne aufgelöst, das Böse für immer besiegt und alles wieder gut.
Ab einem solchen Punkt würde es nicht mehr dieselbe Geschichte sein. Man würde sich mir den Aufräumarbeiten am Ende des Hauptplots herumärgern, man hätte zwar enormen Status, aber die Kräfteverhältnisse sind so, daß es zu wenig akute Spannungen gäbe, um hier noch produktiv weiterzuspielen.
Oder bei Gruppen, die ein reines Zweckbündnis eingegangen sind, ist der der Grund für dieses Bündnis beseitigt und sie können ihre normalen Zwistigkeiten wieder aufleben lassen - die Gruppe fällt auseinander, weil der gemeinsame Gegner fehlt. Oder jeder Spieler-Charakter hat seinen letzten Klon verloren. Oder alle sind von einem Großen Alten vernichtet worden. Alle Engel sind geläutert worden. Die Rebellen haben auch den zweiten Todesstern zerstört. Der eine Ring wurde vernichtet. ...
Es gibt jede Menge Gründe, aus denen ein Szenario oder eine ganze Kampagne "fertig gespielt" sein kann.
Ein Szenario zu beenden ist eigentlich das normale, erwartete und erwünschte Ergebnis. Nichts Besonderes.
Eine Kampagne kann auf einen bestimmten Endpunkt ausgelegt sein, kann gänzlich ohne Endpunkt als Endloskampagne konzipiert sein, oder es kann eine Endloskampagne sein, bei der ein bestimmter Punkt erreicht ist, wo alle Spielenden der Meinung sind "besser als jetzt, wird es nicht werden - machen wir hier Schluß".
Natürlich kann eine Kampagne auch einfach "verkümmern". Da ist dann die Luft raus. Keinem macht es noch so richtig Spaß das Leiden zu verlängern. - Das würde ich aber nicht als "fertig gespielt" im Sinne von "einen (befriedigenden) Abschluß erreicht" ansehen, sondern als ein Abbrechen der Kampagne. Dazu gibt es auch jede Menge Gründe.
Beides ist beim Kampagnenspiel normal (tendenziell ist es so, daß eine sehr lang angelegte Kampagne eher mit einem Abbruch endet (z.B. weil die Spieler wichtiger SCs an einen anderen Ort umziehen, heiraten und Kinder kriegen, oder durch den Job nicht mehr jede Woche zwei Abende lang Zeit zum Rollenspielen haben - oder weil sie einfach die Visagen der anderen Mitspieler nach 10 Jahren Spiel mal für ein paar Jahre nicht mehr sehen wollen), als eine Kampagne, mit einem definierten Ende des Hauptplots (auch wenn da am Ende der Hauptplot anders ausgehen mag, als es der SL am Anfang geplant hatte - aber solange Sauron/der Imperator/die Rote Göttin/der Große Cthulhu am Ende besiegt sind, ist die Geschichte aus; Zeit für den Abspann, die Danksagungen, den Hinweis auf die DVD ...).
Ich habe mit den Jahren einige, durchaus unangenehme, Kampagnenabbrüche aus sehr unterschiedlichen Gründen erlebt. Ebenso äußerst erfreuliche Kampagnen, die - nicht vorher geplant - an einen Punkt kamen, wo alle die SCs in ihren wohlverdienten "Ruhestand" geschickt hatten. Und natürlich Kampagnen, die ihr Plotende erreicht hatten, welches zwar über mehrere Jahre hinweg erst erreicht werden konnte, aber dann schon ein für alle klares Ende der Geschichte dargestellt hat.
Das alles halte ich für völlig normal. Manchmal hat man Glück und eine Spielergruppe kann für lange Jahre zusammenbleiben und dabei eine lange Endloskampagne spielen. Wenn man Pech hat, dann bricht einem aber auch eine zeitlich begrenzte Kampagne nach der Hälfte ab.
Das alles sind Grundprobleme des Kampagnenspiels, die beim Spielen von One-Shots, kurzen Serien von Szenarien etc. eher weniger auftreten.
Gerade One-Shots sollen ja "fertig gespielt" werden. Daher fand ich die Frage nach dem Abenteuer in "Wart ihr schonmal in einem Abenteuer oder mit euren Charakteren "fertig"?" etwas seltsam.
Mit seinem Charakter kann man auch in laufenden, noch nicht beendeten Kampagnen fertig sein (in einem One-Shot-Szenario ist das wenig problematisch, da man danach meist sowieso einen anderen Charakter für ein anderes One-Shot haben wird, und oftmals der SC einfach tot, wahnsinnig, mutiert, seinen letzten Klon los oder anderweitig nicht zum Weiterspielen geeignet ist).
Anders als die Geschichte der Kampagne, kann aber die Geschichte eines Charakters schon vorher zuende erzählt sein. Dann ist alles gesagt, was diesen Charakter eine interessante Figur in der Gesamtgeschichte macht, und man kann ihn zurückziehen.
Das passiert öfter aus Spielbalancegründen (wenn es kaum noch echte Herausforderungen für SCs in der Welt zu bewältigen gibt - meist bei Endloskampagnen, da eine Kampagne mit einem definierten Ende meist vor dem Überpower-Stadium des SCs beendet ist), oder weil man endlich mal was anderes ausprobieren will (man hat jahrelang nur diesen Ritter gespielt, und jetzt möchte man mal zeigen, was man als Magier so drauf hat).
Überdruß mit dem eigenen Charakter würde ich aber nicht als "fertig" im Sinne von "dessen Geschichte wurde zuende erzählt" ansehen, sondern als "ich mag den einfach nicht mehr" - also als Abbruch des Spielens mit diesem Charakter.
Das passiert auch immer wieder, hat unterschiedliche Gründe und ist normaler Bestandteil des Rollenspielens.