Nostalgie empfiehlt mir ein "fertigkeitsbasiertes" Fantasy-System

BoyScout

Dhampir
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Nach einigen Jahren D&D (Old School bis modern) drifte ich allmählich zu klassischen RPGs zurück und möchte mich gerne auf einen aktuelleren Stand bringen. Habe den Eindruck, dass es in dem Feld, das ich suche, nicht so viel aktuelles gibt.

Klassisch ist für mich ein System mit Attributen, Fertigkeiten, charakterbezogenen Aktionen, das wenig abstrakt ist (also semirealistisch, möglichst nichts, was die 4. Wand durchbricht wie geteiltes Spielleiten, retconning und ähnliches). Die Regeln sollten auch präzise sein, also nichts, wo man sich Aspekte selbst ausdenkt und dann irgendwie mit dem SL ausdiskutieren muss. Zudem suche ich etwas "bodenständiges", also es soll keine Halbgötter abbilden.

Wer sich darunter nix vorstellen kann, das wäre ungefähr das, was DSA 3 mal sein wollte.
Erschwerend aber kommt hinzu, dass es im Optimalfall settinglos (oder leicht adaptierbar) und modular sein solle (also leicht erweiterbar) sowie gut EDO-Fantasy abbilden sollte.


Die "großen" Alten Systeme sind mir meist viel zu kompliziert und/oder kaputt: RuneQuest, GURPS oder Midgard z.B. haben teilweise alle ihre Macken, über die ich auch nicht hinwegsehen kann (oder eingehen möchte). Andere ältere, aber etwas leichtere Systeme wie Aborea, Fantasy Age oder Savage Worlds (bezeichne ich durchaus als klassisch) haben mir dann etwas zu wenig Fleisch auf den Knochen, um die Sonderwünsche von Spielern über eine lange Kampagne zu erfüllen. Im Endeffekt suche ich einen Sweet spot an Komplexität.


Leider habe ich auch nicht mehr die Muße für andere Leute Regelsysteme zu testen. Als wir z. b. zuletzt mal tiefer in Mythras oder Arcane Codex - nur zwei Beispiele - eingetaucht waren, haben meine erfahrenen Mitspieler binnen weniger Spielabende unzählige Fehler und Regellücken gefunden. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass ein System gut funktioniert, nur weil es eine längere Geschichte hat.


Also hat sich in dem Bereich irgendwas getan, was man kennen sollte?
 
Wir haben mit Genesys von FFG/Edge Studio gute Erfahrungen gemacht. Das Regelsystem ist prinzipiell dasselbe wie bei FFGs Star Wars Spielen, falls du die kennst, nur halt etwas poliert. "Attribut, Fertigkeiten, charakterbezogene Aktionen, wenig abstrakt" trifft in jedem Fall zu. Es gehört zu den wenigen Systemen, mit denen ich gerne auch Fahrzeugaction spiele, weil es hier ohne große Sonderregeln auskommt.
Ein No Go wäre es, wenn dir Sonderfertigkeiten nicht zusagen: Man spezialisiert den Charakte nämlich nicht über Skills, sondern über Sonderfertigkeiten (Talents genannt).

Genesys bei Drivethru

Genesys Review 1

Genesys Review 2

Genesys Review 3

Mit dem Terrinoth-Settingbuch hast du dann dein Fantasy-System.

Und eh ich's vergesse: DSA 4 hat alles, was du willst... außer dem Sweet Spot. *duck weg*
 
Danke, habe mich etwas damit beschäftigt. Es scheint mir etwas zu verspielt zu sein mit seinem wilden Grundmechanismus. Erinnert mich irgendwie an Cortex+
Was mich etwas abschreckt ist, dass es wohl aus der Box raus nicht so einfach spielbar ist, man muss noch eine Menge Arbeit reinstecken, um ein Setting daran anzupassen (Skills, Waffen, Spells, equipment, alles selbst machen) und das Balancing muss man auch selbst machen. Man braucht dann wohl Zusatzmaterial wie Terrinoth. Allerdings habe ich schon ein Setting.

DSA4 (was ich gespielt habe) hat viele der Eigenschaften vom Grundsatz her, ich finde ich aber die Regeln zu amateurhaft geschrieben. Es ist auch einfach zu komplex und sowieso sehr an Aventurien gebunden.
Achja, aktuell ist es auch nicht ;-D
 
Wie sieht es denn mit Cepheus Engine aus? - Das kann nicht nur Traveller-artige Science-Fiction, sondern hat sich zu einem wirklich leistungsfähigen, vielseitigen generischen System gemausert, das leicht auf allerlei Genres und Settings anpaßbar ist.

In puncto Fantasy gibt es einige Varianten, wie etwa "Sword of Cepheus", das tatsächlich richtig gut funktioniert.

Einziger Haken, aus meiner Sicht, wäre, daß man keine "zero to hero"-Entwicklung hat, sondern über die Lifepath-Generierung die SCs schon etwas gesetzter und damit auch erfahrener sind.

Muß es denn eine D&D-artige "zero-to-hero"-Steigerung aufweisen?
 
@zornhaus: uuuh, das ist super spannend. Tolle Idee!

Ein "entschärftes" Traveller mit Sandbox gameplay würde den Ton vermutlich treffen. Aber ich wusste nicht, dass es mittlerweile eine Fantasyversion davon gibt und die scheint auch einige Anpassungen zu haben.

Cepheus habe ich bis jetzt ignoriert, weil meine Mitspieler zu sehr an der Traveller-Marke hängen. Aber wir waren von der miserablen Qualität von New Traveller (Mongoose) zuletzt dermaßen enttäuscht, dass wir generell davon abgerückt waren.


Hast du Praxiserfahrung mit SoC ?
Bin mitterweile vorsichtig, worin ich die Zeit investiere. Habe mir Reviews angesehen und das Reference Document durchgescrollt. Habe die Texte im Detail zwar (noch) nicht studiert, aber wenn man schon Beispiele für Target Numbers liest, wie "12+: Casting the most powerful spells known to mortals!", man also als gut ausgebildeter 10%+ Wahrscheinlichkeit hat, sowas zu casten (ich weiß, dass Magie dort drawbacks haben kann), dann kommen halt sofort Zweifel an den Designfähigkeiten der Autoren auf.

p.S:
Es soll bitte auf keinen Fall Zero-to-Hero sein. Aber Steigerungen sollte es schon geben.
 
Also ich habe jetzt erst nur Reviews und das Reference Document zur Beurteilung und das hier ist jetzt keine Rezi, sondern nur der Eindruck von ein paar Stunden lesen.
Ich beschränke mich hier auf die Gegenargumente, denn Jubelarien gibt es ja genug darüber im Internet. Wenn man die möchte, findet man die. Also das könnte sich jetzt sehr negativ lesen, aber ich möchte vorweg sagen, dass mir einige Dinge gut gefallen, die aus Cepheus'/Classic Travellers "Haha-du-bist-tot,looser"- Spielregeln einige Spaßbremsen gut rausfiltern (es gibt sogar Bennies!). Auch der Umfang an Monstern, Spells und Charaktertraits (!) ist beeindruckend. Auch finde ich sehr gut, dass man mit XP und nicht mit ingame Zeit (ich hasse es!) seinen Charakter steigern kann.

Das Spiel basiert ja wohl auf Cepheus Light. Das lässt leider viel zu Wünschen übrig.
Habe oft gelesen, der Kampf wäre taktisch. Aber ähnlich wie auch Traveller sind die Kampfregeln spielerisch sehr auf den defensiven Spieler ausgerichtet. Der Angreifer bekommt außer Charge scheinbar nicht viel zum Taktieren (und das ist ein No-Brainer). Ich vermisse auch grundsätzliche Spieloptionen für den Kampf wie z.B. parting shots (könnte man mit Overwatch umsetzen?!). Auch diese Albernheit, dass Reach-Waffen auch in Cepheus +1 auf Ini geben (Fernwaffen aber komischerweise nicht) ärgern mich.

Nur beim ersten Überfliegen habe ich diverse Schreibfehler gefunden. Ich vermute, es ist voll davon, da Reviewer auch schon mal ein oder zwei gefunden haben.

Es wirkt sehr lückenhaft, das ist ja leider oft die Übersetzung davon was Designer euphemistisch "light" nennen. Lückenhaft ist ein Spiel für mich meist dann, wenn es beim Bezug auf Regeln, die es selbst verwendet, Fragen aufwirft. z.B. gibt es die Regel "unskilled penalty", aber es ist nicht definiert, welcher Skilll unskilled nutzbar ist. Gut, die Arbeit kann man dem Autoren noch abnehmen. Dann gibt es aber z.B. "wilderness encounter throws", nur scheint es keine Regeln dafür zu geben, da wirds dann schon schwieriger.
Es sind manchmal auch ganz grundsätzliche Lücken wie vollständige Regeln fürs Klettern, die auch in ein "light" Regelwerk gehören (ich brauche keinen Absatz in dem nur steht, dass man mit Klettern klettern kann und das man das dann einfach manchmal etwas schwerer macht). Leider gibt es auch nichts zum generellen Crafting (außer Magic Items).

Dann gibts natürlich typische Inkonsistenzen. Wenn z.b. geschrieben steht, es gäbe kein mühseliges Encumbrance-System, sondern nur "Item No. = STR", und dann später im Buch Dinge stehen wie, dass 3 Spellfoki zusammen 1 Encumbrancepunkt sind. Gnah!

Was mich zudem oft an "light" Regelwerken stört ist, wenn sie aus ihrer eigenen "Leichtigkeit" kein Spiel mit interessanten Entscheidungen machen können. Das sieht man ganz schön an der Waffenliste, die nur "Schaden / eine handvoll tags / Preis" kennt. Die Tags sind im Prinzip der Schlüssel, um das Spiel interessant zu machen, nur wird das nicht richtig genutzt, wenn dann in der Liste mit lediglich ~20 Waffen Einträge verschwendet werden. Da gibt es das Cutlass mit 3D /10GP und das Sword mit 3D/10 GP, spannend. Oder es gibt die einhändige Club mit 1D Schaden / 1GP und den einhändigen (??) Staff mit 2D / 1GP. Super, dann nehmen wir doch einfach niemals die Club und gut ist.

Auch wurde mir in Reviews Handel versprochen (gehört ja irgendwie zum Sandboxspiel), aber kommt im Reference Document nicht vor. Vermutlich könnte man das wohl aus Cepheus importieren (dann müsste man aber die Modifier auf den Light Mechanismus ummodeln und auch die Creditpreise irgendwie alle umrechnen in Fantasygold... uff!).

Das Magiesystem ergeht sich leider viel in misery porn, bei jeder routinemäßigen Zauberei ist der SC potentiell bzw. sehr wahrscheinlich verdammt/kaputt/unspielbar. Die Rückschläge fallen so hart aus, dass sie jedem Spieler signalisieren "bitte benutze mich auf keinen Fall". Ich weiß, dass es Sword&Sorcery sein will, aber generell sehe ich nicht den Spaß darin.

Es sind auch sehr sehr.. sehr viele Elemente direkt aus D&D geklaut (es gibt sogar Ankhegs und Darkmantles, come OOON!), das Dungeoneering ist auch sehr D&D-ig mit locked doors, 10 min. turns etc.), was für mich das Sword&Sorcery Feeling irgendwie nicht aufkommen lässt. Wenn man halt schon klaut, dann muss man sich auch an der Vorlage messen lassen.

Also man müsste vermutlich einiges an Hausregelarbeit reinstecken, um das rund zu bekommen, vielleicht auch weniger als in anderen sogenannten "light" Systemen. Aber genrell ist das immer schade, wenn jemand Geld für sein RPG haben will. Irgendwie hab ich den Eindruck bekommen, dass man hier eine große Chance auf ein vollständiges travellerartiges Sandbox-Spiel in einer Fantasywelt meilenweit - ABER bewusst und zielgerichtet - verpasst hat.
 
Also ich habe jetzt erst nur Reviews und das Reference Document zur Beurteilung und das hier ist jetzt keine Rezi, sondern nur der Eindruck von ein paar Stunden lesen.
Ich beschränke mich hier auf die Gegenargumente, denn Jubelarien gibt es ja genug darüber im Internet. Wenn man die möchte, findet man die. Also das könnte sich jetzt sehr negativ lesen, aber ich möchte vorweg sagen, dass mir einige Dinge gut gefallen, die aus Cepheus'/Classic Travellers "Haha-du-bist-tot,looser"- Spielregeln einige Spaßbremsen gut rausfiltern (es gibt sogar Bennies!). Auch der Umfang an Monstern, Spells und Charaktertraits (!) ist beeindruckend. Auch finde ich sehr gut, dass man mit XP und nicht mit ingame Zeit (ich hasse es!) seinen Charakter steigern kann.

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Also man müsste vermutlich einiges an Hausregelarbeit reinstecken, um das rund zu bekommen, vielleicht auch weniger als in anderen sogenannten "light" Systemen. Aber genrell ist das immer schade, wenn jemand Geld für sein RPG haben will. Irgendwie hab ich den Eindruck bekommen, dass man hier eine große Chance auf ein vollständiges travellerartiges Sandbox-Spiel in einer Fantasywelt meilenweit - ABER bewusst und zielgerichtet - verpasst hat.
Die Szene um Cepheus Engine ist voll von vielen kleinen, spannenden Produkten mit einer sehr positiven Community. Wie bei vielen anderen Reviews ist es da üblich (und das machst Du ja auch vor), dass man Spiele bespricht (ob positiv oder negativ), die man selbst noch nie gespielt hat. Vielelicht ist man da einfach freundlich untereinander, deswegen die Lobeshymnen im Netz.

Zu Deinem Beitrag: immer gut und richtig ist, dass man bei Fehlern möglichst herablassend ist und die eigene Meinung zu Designentscheidungen zum Maß aller Dinge erklärt, während man ein freies SRD völlig zerpflückt.

Ich habe Sword of Cepheus in kleinen Kampagnen geleitet und sogar Testrunden auf Cons angeboten. So wie Du schreibst, wird das Spiel nichts für Dich sein können und ich kann genau an dieser Tatsache nichts Schlechtes finden. So ist es nämlich ein Spiel geworden, dass ich sehr gerne spiele und leite.

Ich leite übrigens seit ein paar Jahren eine Cepheus Light Kampagne, die mir und den anderen Spielern unheimlich viel Freude macht.
 
gern geschehen. Ich hab Traveller lange genug gespielt, um mich schnell in Cepheus einlesen zu können.
Die Kompatibilität der 2d6 Spiele untereinander ist in jedem Fall ein unschlagbarer Vorteil (bzw. vergleichbar mit OSR), so dass man etwaige Regellücken sicher selbstständig schließen könnte.

Nur habe ich eine große Auswahl an RPGs, in die man selbst Arbeit ohne Ende reinstecken könnte. Die Zeit würde ich jedoch lieber in die Kampagne und Spielwelt stecken. Etwas vollständiges, in sich geschlossenes bevorzuge ich daher in jedem Fall.

ERPS ist auch eine gute Idee, das in jedem Fall in das Feld passt. Habe da schon ewig nicht mehr dran gedacht. Ein Mitspieler/-SL hat auf Basis von ERPS ein eigenes System entwickelt, das in meinem Umfeld auch intensiv gespielt wird, daher wurde ERPS immer lange beiseite geschoben. Ich habe großen Respekt für die Arbeit, da kein kommerzieller Gedanke dahinter steht und es trotzdem vielen Verlagsrollenspielen in Nichts nachsteht.
 
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Ich finde es halt nice. Magie ist vielleicht etwas schwach. Aber ich mag das Prioritätensystem. Das vernetzte Skillsystem ist geil. Das 2W10 System fühlt sich ausgewogen an. Das Initiative System hat so coole kniffe wie das reduzieren der Initiative für Meter bewegt anstatt es in Handlungen zu gliedern.
 
Fall das Thema noch jemanden interessiert:

über weitere Empfehlungen zu Honor + Intrique sowie H.A.R.P. kam ich zu Novus 2e

Das RPG stammt von Tim Dugger, der auch HARP geschrieben und seinerzeit wohl auch wichtige Beiträge zu Rolemaster geleistet hat. Jetzt ist Rolemaster so ziemlich vollständig an mir vorbeigegangen. Mittlerweile ist der wohl eine Onemanshow mit einem Selbstverlag (Firehawk Games).

Jetzt ist Novus aber ein Spiel von 2012 und die 2e von 2022 !
Es ist aber auch ein semi-simulationistisches, skillbasiertes und bodenständiges Fantasysystem und das ist für mich der Punkt, an dem es spannend wird. Das heißt nämlich, dass es SOWOHL klassischen Designlinien folgt als auch ohne den Ballast von bekannten Marken auskommt, es also von Grund auf neu geschrieben ist. Und ein e-Zine hat es auch. Und da fallen mir jetzt spontan nicht sehr viele klassisches RPGs ein aus den letzten 10 Jahren.
Es ist etwas mehr als ein Heartbreaker, zwar ist es ein Sammelsurium aus bekannten Elementen vermischt mit etwas aktuellerem Erzählgedöns (z.B. Fatepoints - ähnlich Bennies), aber es ist professionell produziert, sauberes Layout, PDF mit Lesezeichen und beim Regeltext merkt man auch, dass der meistens weiß, was er tut.

Es wäre sehr schwierig jemanden davon zu überzeugen, dass sich ein Blick da rein lohnt, aber ich habe schon ein paar Ansätze gefunden, dir mir gut gefallen und ich noch nicht gesehen habe und andere Dinge, die in ihrer Mischung gut zu meinem Spielstil passen könnten.

Der andere Vorteil ist, dass man durch die kleine Community als Spieler/Kunde auch selbst wichtige Beiträge leisten könnte, wenn man will.

Ich plane mittelfristig einen Test-Oneshot zu basteln, mal schauen, wie gut sich das System dann schlägt. Wenn sich das gut entwickelt, dann poste ich darüber bestimmt nochmal was im Forum (sofern ich dran denke).
 
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