ok, bin jetzt ca. 10 Stunden im Spiel und traue mir eine Voreinschätzung zu. Das wird jetzt etwas länger. Ich mache kein Review, wer sich für die Spielfeatures interessiert, findet im Netz genug als Tests getarnte "Inhaltsangaben".
Zur Technik.
Die Technik ist keine Katastrophe, aber wirkt schon drastisch runterskaliert und liegt von der Technik imho knapp unterhalb von Skyrim. In Skyrim wurde die Graphik auf die Konsole abgestimmt, deswesen wirkt dort alles unter Berücksichtigung der schwachen Technik stimmig.
Hier nicht, viele Texturen laden ständig nach, sind dann zuvor sehr schwammig oder bleiben gar so. Gräser und kl. Details (Kisten, Steine) fehlen größtenteils oder haben eine Sichtweite von einigen, wenigen Charakterlängen (ca 10 "Meter"). Das Licht und der Kontrast sind imho das Schlechteste an der Präsentation. Der Kontrast ist viel zu stark, das Licht ist kaum dynamisch, dann hat man da z.B. überall Bäume mit einer schwarzen und einer weißen Seite oder Gesichter weisen bis in die - eigentlich schattigen - Partien manchmal keine dunklen Stellen auf (und dadurch wirken sie natürlich käsig). Bis auf die deutlich miesen Haartexturen wirken die Charaktergesichter allerdings sehr gut, von der Mimik her zudem sehr überzeugend. Ich würde sagen, wer die Spielversionen (PC,PS4,XBO etc.) nicht direkt vergleicht, dem wird vieles irgendwann gar nicht mehr auffallen.
Die Ladezeiten sind akzeptabel, ich hatte noch keinen Gebietswechsel über ca. 30 Sek. Laden. Aber ich bin auch eher geduldig und mache in der Zeit was anderes (z.B. Kodexeinträge lesen, Kaffee holen ;D).
Auf der Pro-Seite von DA:I steht die größtenteils interessante Landschaftsarchitektur, die abwechslungsreiche Farbgebung und die immense Weitsicht, die liegt gefühlt auch über Skyrim (schätze aber, sie ist gleich). Man fühlt sich trotz der Texturmacken nicht wirklich eingeschränkt, weil die Welt an sich zum Erkunden einläd. Zudem muss in vielen Höhlen und Gebäuden gar nicht nachgeladen werden, das reißt mich z.B. in Skyrim JEDES MAL raus und deswegen läd man auch eher selten. Die Landschaften wirken nicht wirklich realistisch, alles ist typischerweise überskaliert und daher comichaft (ein Berg z.B. muss krass steil sein (45°+), damit er aussieht wie ein Berg, ohne 50 km Basislänge im Spiel einnehmen zu müssen). Ich hatte bislang kaum spürbare Framerateeinbrüche, selbst wenn der Bildschirm brennt. Das Spiel ist lange nicht so BUNT, wie es in den Trailern wirkt. Tatsächlich liegt die Farbgebung irgendwo zwischen DA:O und Baldurs Gate. Es bleibt also primär bei Braun und Goldtönen, was mir ja gut gefällt. Ein paar Models wurden z.B. aus DA:O recyclet, das erhöht den Wiedererkennunseffekt und wirk ausnahmsweise mal nicht faul. Ich muss dazu sagen, dass mir im PC-RPG Komposition wichtiger ist, als reine Technologie. Und hier kann DA:I imho punkten.
Quintessenz:
Wer sich nicht an hohen Texturauflösungen und dynamischem Licht aufgeilt und wem die Präsentation an sich wichtiger ist, der kann auch bei der PS3 zugreifen. Man muss sich aber klar sein, dass wenn man damals schon Immersionsprobleme in Spielen wie Might&Magic 6 oder Gothic hatte, der wird auch hier über die Graphik nicht hinwegsehen können. Wem aber damals schon in diesen Spielen die Augen aufgrund der Freiheit und Abwechslung übergingen, der wird sich auch hier nicht beschweren können.
Ich habe zudem den Eindruck durch andere Reviews, dass das Spiel durch die reduzierte Graphik mit die kürzesten Ladezeiten hat.
Zum Gameplay.
Um das einzuordnen, kurz aus welcher Richtung ich das betrachte:
Ich vergleiche RPGs mit den Ansprüchen, die ich DAMALS an meine ersten RPGs gestellt habe. Das mache ich, weil sie zum Teil bis heute die Spitze der entwicklung darstellen und zum anderen sich in den 15 Jahren so gut wie nichts getan hat.
1. Ich war seinerzeit von Baldurs Gate ziemlich angetan und messe alle Story-RPGs daran. Mir waren aber auch damals schon die Einschränkungen bewusst, die ich gerne behoben gesehen hätte. Da wären z.B. die für PC-Spiele unbrauchbaren AD&D Regeln oder größtenteils fehlende Synchronisation.
2. Mit Neverwinter Nights begann für mich der Abstieg von BioWare. Das Spiel sah optisch nicht nur aus wie Scheiße, es war auch in der szenischen und dramatischen Präsentation eine Katastrophe und zu allem Unglück auch noch linear. Lediglich das 3.5 Regelwerk war ok, durch das 5 sekunden Schnellrasten (Vance Magie, F*ck it) funktionierte aber auch dieses Gameplay nicht mit D&D.
3. Dragon Age: Origins habe ich wegen der Charaktere und der Dialoge, Entscheidungen und des Sounds wegen sehr geschätzt. Alles andere war NOCH SCHLIMMER als in NWN. Das Spiel war ein EINZIGES Schlauchlevel. Die nicht vorhandene Tiefe der Spielwelt war so stark reduziert, dass sie außer der Hauptstory NICHTS getragen hat. Das Kampfystem hatte bis auf die Magier-Zauber keinen spürbaren Impact im Gameplay und von der Spielzeit war es unglaublich gestreckt (die Tiefen Wege, uaaaaargh!!). So gut wie nichts, was ich an BG schätze, war übrig geblieben bis auf ein ähnliches Design.
4. DAII habe ich wegen dieser Enttäuschung ausgelassen.
Zu DA:I
Ich bin positiv überrascht. Ich kann viele Hate-Reviews gar nicht nachvollziehen. Viele Mängel scheinen mir willkürlich rausgegriffen und extrem hochgepusht zu sein, um das Spiel abwerten zu können. Da wird dem Spiel das Genick gebrochen, weil man als Weltretter Widder jagen muss. SO WHAT?!
Das Spiel wirkt trotz einiger weniger, deutlicher Design-Schnellschüsse - vermutlich aufgrund engen Zeitplanes - durchaus vollständig und auch eigenständig. Wer hier den Tod von Bioware sieht und den Verlust von BaldursGate Anspruch nachtrauert, der hat BG definitiv nicht mit OFFENEN AUGEN gespielt. Meines Erachtens ist das Spiel eher ein Sich-langsam-wieder-aufrappeln.
Das erste Mal fiel mir das auf, als ich das Menü und die Titelmusik länger im Hintergrund liefen ließ und aus der Küche zurückkam, weil ich dachte: hä? hat da gerade jemand den BaldursGate Soundtrack angemacht?
Seitdem suche ich alle Details heraus, an denen man das alte BioWare erkennen kann. Und die sind da, zu Hauf! Offenkundig für alle Möchtegern-Spielejournalisten. Wir haben hier eine große Landkarte mit frei besuchbaren, abgegrenzten Regionen, die nicht mitleveln(!). Wir haben Story-Intermezzos in separaten Kleinarealen. Man kann Container "highlighten", damit man sie nicht in der 3D Welt übersieht, danke. Wir haben regelmäßige und unterhaltsame Party-Banter (Streits). Wir haben eine offene Welt, die an einer konfliktreichen Story entlanggeführt wird. Man spielt von vornherein einen Global-Player, der aber ständig nach Ringen, Schuhen, Blumen oder ähnlichem Suche muss, das ist zwar seltsam, war aber SCHON IMMER SO und verhindert Durchhänger. Als Ausgleich gibt es mehrstufige Nebenquests, die etwas (etwas!) gehaltvoller sind. Die Begleiter haben viel zu erzählen, ich kann hier keinen Rückschritt im Vergleich zu DA:O oder BG sehen. Die Spielwelt bekommt Atmosphäre so gut wie nur über die Texte, die es ÜBERALL zu finden gibt. Betritt man ein bewohntes Areal, erklingen Hintergrundgeräusche von Stadt und Dorftreiben, Athkatla ick' hör dir rufen. Das Design ist stark an D&D angelehnt (was gut ist).
Mir wurde bei DA:I wieder mal klar, wie wichtig mir Spielflow ist. Ich habe kein Problem, ein Level von Contra4 auf maximaler Schwierigkeit 120 Mal zu probieren. Wenn ich aber daran denke, 15 min in Skyrim nur geradeaus latschen zu müssen, mich aber vorher noch 20 minuten mühselig mit Nahrung, Munition uns Ausrüstung auszustatten, dazu vorher 10 Minuten lang drei Läden und 4 Schmieden abzuklappern mit 30 Ladescreens, dann falle ich sofort ins Langeweilekoma. DA:I HAT Spielflow und liegt näher an GTA als an Skyrim. Fast alles, was man tut, wirkt sich direkt auf die Stärke der Party aus. Und man hat IMMER etwas zu tun. Das Spiel simuliert keine Open-World, sondern präsentiert "Situationen". Und das kontinuierlich. Zu dieser Präsentation passt kein Inventar aufräumen oder Nahrung suchen oder Items einlagern. Fast alle Optionen kann man direkt aus dem Menü nutzen oder zumindest in der eigenen Basis. Das Kampfgameplay ist 1000 Mal besser im Vergleich zu DA:O, auf dem es aufbaut. Die Spezialmanöver bewirken hier diesmal wirklich etwas und sind trotz unabhängiger Skilltress außerordentlich kombinierfähig! Es gibt wieder eine Taktikansicht (von oben drauf), die aber sehr umständlich zu bedienen ist und definitiv NICHT zum ausschließlichen Gebrauch gedacht ist. Am Flüssigsten spielt es sich aus der 3rd. Person-Sicht mit gelegentlichem Aktivieren der Taktikansicht, um bestimmte Einzelgegner rauszugreifen. Wenn man das Spiel auf schwierig spielt, dann muss man auch schon mal ein Auge auf das Umfeld haben.
Was macht es nicht gut:
Man soll das Spielgefühl bekommen, diese Inquisition aufzubauen, das klappt aber nicht allzu gut und das hat zwei bestimmte Gründe:
1. Die Spielwelt ist nicht dynamisch. Es gibt keinen Zeitablauf, keinen Tag/Nach Rhythmus (shame on you!) oder irgendetwas, was die Spielwelt eigenständig agieren lassen würde. Es scheint auch keine Quests mit Zeitlimit zu geben (so wie in Baldurs Gate). Es gibt vereinzelt Mobs und Monster, die sich gegenseitig bekämpfen, aber die breiten sich nicht aus und respawnen einfach in der Nähe (Pflanzen, sogar ERZE, wachsen auch wieder nach, was ich allerdings gut finde, das man hier zum Craften und experimentieren wirklich angehalten wird).
2. Alle Aufbaubemühungen wirken sich AUSSCHLIEßLICH persönlich aus. Alle Akquirierungen werden nicht quantifiziert (also "wie viele Truppen habe ich?"). Beispiele: 1.Ich erledige meinen Auftrag, um Pferde für die Inquisition zu besorgen. Resultat: ICH bekomme ein Pferd. 2. Ich befreie Bauernhöfe vor Banditen, damit diese Nahrung für die Inquisition liefern können. Resultat: ICH bekomme XP und Gold. 3. Ich lasse einen Trupp eine Ruine nach Artefakten für die Inquisition durchsuchen. Resultat: ICH bekomme ein Item.
Sorry BioWare, so funktioniert das nicht mit dem Lehensmanagement.
Quintessenz:
Das Spiel hat ohne Widerspruch sehr viele Mängel, aber wirkt im Vergleich zu den beiden Dragon Age Vorgängern tatsächlich wie der Versuch einer Weiterentwicklung von Baldurs Gate. Man fühlt sich auch wie in BG an einer sehr großzügigen Leine geführt und ständig passiert irgendetwas (gescriptetes) was die Bindung zu den eigenen Leuten stärker werden lässt. Die Charaktere und der Plot stehen so stark im Mittelpunkt, das alles andere (inklusive unglaubwürdiges Spielweltverhalten) nur Nebensache ist. Man hat sich BEWUSST nicht darum bemüht. BioWare hat durch einen einfachen, aber dramatischen, storytechnischen Schnitt, die Welt auf einmal interessant und vielschichtiger gemacht.
Wer sich nicht aus der Spielwelt reißen lässt, weil ein "belagertes Dorf" z.B. voll von flanierenden Passanten ist, den wird das auch in DA:I nicht stören. Man muss sich beim Gamepay und der Präsentation klar machen, dass wir hier ein RPG haben, deren Entwickler, wie die der meisten anderen RPGs (Skyrim eingeschlossen), seit den Neunzigern in Sachen Spielweltdynamik quasi keine Weiterentwicklungen erzielen konnten. Mit anderen Worten: MEHR können wir seit RPG-Legenden wie Ultima Underworld oder Gothic NICHT ERWARTEN. Aber unter dem Gesichtspunkt dieses niedrigen Anspruches sehe ich nicht ein, warum man DA:I dafür härter abstrafen sollte, als den übrigen Rotz. Es macht das, was es will gut, besser als noch als das krude DA:O und das ist immerhin schonmal ein Fortschritt vom Rückschritt.