AW: Die seltsame Doppelmoral des Rollenspiels
Manchmal hat ein tief moralischer Mensch keine andere Wahl als zu töten oder auch zu morden und zu foltern. Manchmal ist extreme physische oder/und psychische Gewalt die einzige Möglichkeit, weitere Gewalt zu verhindern. Das ist sicher keine allgemeine Regel, aber in Extremsituationen kann man halt nur versuchen, das kleinere von mehreren Übeln zu wählen. Und manchmal erlebt man Situationen, in den man "das Böse" wählt, obwohl man andere Möglichkeiten hätte. Das ist der Stoff, aus dem Tragödien, Horror und all das andere düstere Zeug gemacht sind. Ich halte mich nicht für darüber erhaben, aus Liebe, Mitgefühl o.Ä. zum Mörder zu werden. Ich will nicht einmal ausschließen, dass ich nicht jemanden im Zorn erschlagen könnte, wenn ich mich hilflos und gedemütigt fühlen würde. Aus Bösem entsteht unweigerlich Böses - und jene, die versuchen, es aufzuhalten, stecken doch immer mittendrin. Sobald man weiss, dass etwas Schreckliches vor sich geht, ist es unmöglich, seine Unschuld zu bewahren.
Soweit zur Realität... im Rollenspiel habe ich ein paar "Gute", ein paar "Böse" und ne ganze Reihe "grauer" Charaktere gespielt. Und ich liebe es, Charaktere zu spielen, die gleichzeit sehr "gut" und sehr "böse" sind, z.B. eine Art Robin Hood, der von den Reichen stiehlt, den Armen gibt und seine Feinde auch nicht selten foltern, "als Strafe für ihre sündige Dekadenz". Wenn die Handlungen meines Charakters abwechselnd meinen Gerechtigkeitssinn befriedigen und mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen lassen, dann besitzt er genau die Dynamik, die ich mir wünsche. Ich finde auch Filme langweilig, in denen man nicht ab und zu denkt "Heilige Sch**ß*, was soll das denn jetzt?!?" - und umgekehrt finde ich so ziemlich Alles bedenklich, was nach Friede-Freude-Eierkuchen und makellosen Helden aussieht.
Ich habe bereits so ziemlich Alles im Spiel gehabt und ist auch bereits fast alles "Böse" von SCs (eigene oder von anderen Spielern aus meinen Gruppen) getan worden. Ausnahme sind eigtl nur Vergewaltigungen, die ich bisher nur von NSCs ausgehend im Spiel hatte, weil da irgendwie ne Hemmschwelle besteht, die noch nicht überwunden wurde. Allerdings sollte ich wohl dazu sagen, dass ich für gewöhnlich Horrorrollenspiel spiele und diese Themen auf den Tisch kommen, weil sie abartig sind und es wichtig ist, sich mit ihnen zu beschäftigen.
In hirnlosem Orkze Verdreschen hingegen liegt allerdings keine moralische oder moralkritische Tiefe... und das ist auch nicht die Art von Spiel, die ich erfüllend fände.