Liebe Freunde, Pathfinderspieler und sonstige Rollenspieler!
Wer sich bereits über in diesem Monat auf Deutsch startenden
Abenteuerpfad „Der Zorn der Gerechten“ informiert hat, weiß, dass es unser erster "Legendärer AP" ist. Die dazu nötigen Zusatzregeln befinden sich in den
Ausbauregeln V, welche sinnigerweise den Untertitel „Legenden“ tragen. Dieser Band erscheint parallel zum ersten Teil des Abenteuerpfades, was diesen Monat der Fall sein soll.
- Also eigentlich die Gelegenheit, ein wenig über den neuen Hardcoverband zu plaudern!
An dieser Stelle möchte ich deshalb mit mehreren Vorurteilen aufräumen, über das ich in letzter Zeit bezüglich der Legendenregeln gestolpert bin:
Da wäre zum einen, dass manche die Legendenregeln mit Regeln für den epischen Bereich, also den Stufenbereich 21+ verwechseln oder zumindest vergleichen und sie dann abwerten, weil sie nicht ihren Erwartungen entsprechen (nämlich den epischen Bereich zu repräsentieren).
Zum anderen wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die
ABR V: Legenden ausschließlich für den Abenteuerpfad „Der Zorn der Gerechten“ geeignet wären und ansonsten niemand sie brauchen würde, der nicht diesen AP spielt.
Beides falsch!
Als Übersetzer des Bandes bin ich natürlich voreingenommen. Als Spieler und Übersetzer kann ich nur sagen, dass es im Schnitt pro Jahr etwa zwei bis drei Produkte gibt, auf deren Übersetzung ich mich wirklich freue, weil dabei der kleine Nerd in mir etwas zum Jubeln bekommt.
Das heißt nun nicht, dass die restlichen Produkte bei mir keine Begeisterung wecken, aber es gibt nun einmal Bände, bei denen sich diese Begeisterung erst im Laufe der Bearbeitung zeigt, und dann gibt es solche, da wirft man einen Blick drauf und denkt nur noch: „Eh, boah! Geil!“
Bei mir haben im Laufe der letzten Jahre die
Expertenregeln diese Reaktion ausgelöst, die
Ausbauregeln II: Kampf, die
Ausbauregeln IV: Kampagnen, der
Königsmacher-AP und nun wieder die
Ausbauregeln V: Legenden.
Die Legendenregeln sind ein optionales Regelsystem, welches Charakteren ermöglicht, neben ihren Klassenstufen noch Legendenstufen zu erlangen. Die Progression ist auf zehn Legendenstufen ausgelegt, aber nicht erfahrungspunkteabhängig. Stattdessen muss man zum Erlangen von Legendenstufen legendäre Taten vollbringen. Was eine legendäre Tat ist, bestimmt letztendlich der Spielleiter und kann durchaus von Charakter zu Charakter variieren, da manche legendären Ziele Teil des individuellen Hintergrundes sein können.
Die Legendenregeln sind keine Epischen Regeln. Man kann sie von Beginn an nutzen und nicht erst im Bereich Stufe 20+. Wie alle zusätzlichen Regeln erfordern sie natürlich von Spielern und Spielleitern zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Wer bei Pathfinder in den epischen Bereich, also Stufe 21+, vorrücken will, dem stehen im Grunde zwei Möglichkeiten offen: Er kann seine Klasse weiterberechnen - d.h. z.B. beim Kämpfer, dass er weiterhin +1 auf seinen GAB bekommt und die anderen Klassenmerkmale mit der bekannten Regelmäßigkeit besser werden -, es gibt aber keine offiziellen neuen Fähigkeiten. Oder er kann Stufen in anderen Klassen und Prestigeklassen wählen, deren Voraussetzungen er erfüllt.
Wenn dagegen ein Charakter zur Legende wird – d.h. er seine erste Legendenstufe erlangt -, sollte auch dies mit besonderen Umständen verbunden sein. Vielleicht erfährt er, dass er sich in seinem Stammbaum ein mächtiges höheres Wesen – so Halbgott und aufwärts – verewigt hat, vielleicht gelingt ihm das Unmögliche und er bezwingt einen für ihn eigentlich unbezwingbaren Gegner, dass ihn Barden in ihren Liedern verewigen, oder vielleicht gehört er auch einem seltsamen Klan dudelsackspielender, röcketragender, in den Hochlanden lebender Barbaren an und muss nach einem vielleicht verlorenen Kampf feststellen, dass er unerwartet doch noch (oder wieder) unter den Lebenden weilt. Welchen Ansatz der SL für die Legendenwerdung wählt, liegt ganz bei ihm, die ABR V nennen aber mehrere Möglichkeiten und auch Kampagnenideen.
Im Moment der Legendenwerdung wählt der Charakter einen von mehreren Legendenpfaden aus, welcher seine Vorlieben widerspiegelt. Er könnte sich für den Pfad des Streiters (offensiver Krieger), des Wächters (Verteidiger), des Marschalls (Anführer), des Erzmagiers (arkaner Zauberkundiger), des Hierophanten (göttlicher Zauberkundiger) oder des Tricksters (Fertigkeitsspezialist) entscheiden. Es gibt sogar die Möglichkeit, zwei Pfaden anzugehören und deren Fähigkeiten zu mischen. Im Laufe seiner Legendenkarriere erhält der Charakter Zugang zu den Fähigkeiten einer Legende – es gibt eine generelle Progression für Legenden und eine Pfadprogression. So wählt er abwechselnd zwischen Pfadfähigkeiten und Legendären Talenten. Pfadfähigkeiten sind mit dem Thema, also dem jeweiligen Legendenpfad, verbundene Fähigkeiten, während Legendäre Talente verbesserte Versionen existenter Talente sind – um ein bestimmtes Legendäres Talent wählen zu können, muss man das entsprechende Grundtalent besitzen.
Ein wichtiger Mechanismus der Legendenregeln ist die Legendenkraft, dabei handelt es sich um einen Punktevorrat, mit dem ein Charakter verschiedene Legendenfähigkeiten antreiben kann. So könnte er u.a. Legendenkraft nutzen, um auf einen Wurf einen Zusatzwürfel zu erhalten.
Für Zauberkundige und solche, die es werden wollen, gibt es Legendäre Zauber. Dabei handelt es sich um die Option, Zauber mittels Legendenkraft weiter aufzupumpen und so stärkere Effekte zu erzielen – natürlich aber muss dem Zauberkundigen dazu auch die Legendäre Version des Zaubers bekannt sein.
Und schlussendlich gibt es neben Legendären Ausrüstungsgegenständen auch noch Legendäre Monster, damit legendären Helden auch bloß nicht die Arbeit ausgeht – Spielleiter wissen: Man kann niemals genug Monster haben!
Doch zurück zu meiner Ausgangsargumentation: Die Legendenregeln sind keine Epischen Regeln – sie kommen ihnen aber doch nahe. Eine Legendenstufe zählt wie eine ½ normale Stufe, wenn es darum geht, den HG eines Charakters zu berechnen, dasselbe gilt bei Monstern hinsichtlich Herausforderungsgrad und Legendengrad: Ein Monster mit HG 6 und LG 2 hat im Ergebnis einen HG von 6 + (2:2) = 7. Da ein Charakter theoretisch 10 Legendenstufen erlangen kann und dann eigentlich vom Machtgrad her irgendwo bei den minderen Halbgöttern rangiert, ist es möglich, da er auf einen persönlichen HG von 25 kommt, was durchaus episch ist. Der Abenteuerpfad „Der Zorn der Gerechten“ nutzt dieses Konzept, um die SC mit wirklich fetten Gegnern zu konfrontieren, aber auch in den Bänden der nächsten Abenteuerpfade, die Paizo veröffentlicht hat, tauchen Gegner mit Legendenkraft auf. Man kann also nicht behaupten, dass die ABR V allein auf den aktuellen AP ausgelegt wären.
Womit ich bei meinem zweiten Punkt wäre: Die ABR V sprechen nicht nur Spieler des Abenteuerpfades „Der Zorn der Gerechten“ an!
Meine heimische, vom Konzept her an „Königsmacher-meets-Game of Thrones“ angelehnte Kampagne ist auf mich als SL und einen Spieler zusammengeschrumpft. Das Wahre Leben hat mit beiden Fäusten zugeschlagen und die anderen quasi aus dem Spiel genommen (nein, keine Angst, sie leben noch, sind aber anderweitig in der Pflicht). Eigentlich haben wir mit KM#1 noch nicht einmal richtig losgelegt und dort steht Arn der Waldläufer ganz allein mit Stufe 4 und seinem Wolf mitten in der Wildnis. – Wenigstens muss ich mir keine Sorgen machen, er könnte sich verlaufen und verhungern und verdursten, ist ja schließlich ein Waldläufer… Dennoch habe ich mir den Kopf zerbrochen, was ich nun mache. Ok, die Gegner von KM#1 dürften für einen einzelnen Charakter der 4. Stufe zum Teil durchaus noch machbar sein, doch irgendwann wird die Aktionsökonomie allein schon gegen ihn sein – sprich viele Werhasen sind des Jägers Tod oder so… Jetzt könnte ich ihm ein paar NSC-Begleiter mitgeben. Ich könnte auch die Gegner generell anpassen. Oder ich gebe ihm Gelegenheit, zu einer wahren Legende zu werden! Dies ist nämlich ein weiterer, unterschätzter Ansatz der Legendenregeln: Man kann sie nutzen, wenn die Gruppe nicht die optimale Masse von 4 Spielern erreicht! In diesem Fall gleicht die zusätzliche Zähigkeit einer Legende das Problem mit der Aktionsökonomie teilweise aus – denken müssen die Spieler aber trotzdem noch.
Einen Ansatz zur Legendenwerdung habe ich auch – da ich neue Regeln immer zuerst mit NSC ausprobiere, habe ich einen legendären NSC in Arns Hintergrund platziert – der war nämlich zu Beginn seiner Karriere Knappe eines mächtigen Ritters und hat mit diesem einen Eulenbären zur Strecke gebracht, welcher das Land verwüstete. Gut, in der Folge besangen die Barden erst einmal ausschließlich den Ritter, hat der doch den Eulenbären mit bloßen Händen erwürgt, während Arns Pfeils eher wirkungslos vom Eulenbären abprallten (oder vielleicht hat er ihm auch den Arm bis zum Anschlag in den Rachen gerammt und dann das Herz herausgerissen – wir werden wohl niemals erfahren, welche Variante wirklich stimmt…). Da Arn sich dann aber bei einem Bogenschützenturnier hervortun konnte (nein, er hat nicht gewonnen, konnte aber gar üble Betrügerei aufdecken), wird er nun mittlerweile auch im „Lied vom Eulenbären“ erwähnt, das in zahlreichen Varianten in den Flusskönigreichen gesungen wird. Das Schicksal ist auf ihn aufmerksam geworden, könnte man sagen…
Lange Rede kurzer Sinn: Die
Ausbauregeln V: Legenden sind durchaus auch außerhalb des „Zorns der Gerechten“ brauchbar. Letztendlich muss natürlich jeder Spielleiter mit sich selbst und seinen Spielern klären, ob man von diesen Regeloptionen Gebrauch machen will, da sie natürlich zusätzlichen Verwaltung- und Denkaufwand erfordern. Abraten kann ich aber nur von einer Option: Wenn ihr die Legendenregeln nutzt, dann sollten wirklich alle Charaktere Legenden werden, andernfalls entwickelt sich bei den nichtlegendären Charakteren sehr ein Sidekick-Syndrom. Wer die alte Herkules-Serie mit Kevin Sorbo kennt, weiß wovon ich rede – Iolaus war sehr zwar zuweilen ein cleverer Bursche, im Vergleich mit dem Göttersohn aber so schnöde normal…
Wenn ihr die Möglichkeit habt, schaut euch die Legendenregeln wenigstens an und bildet euch ein eigenes Urteil!
Man liest sich!
Euer Wandervogel
Continue reading...