AW: Charisma und Intelligenz
Ich hab übrigens vorhin ein altes Thema zum Intelligenz-Problem gefunden. Interessant, wie da die Meinungen der Poster zum jetzigen Thema abweichen.
http://www.blutschwerter.de/das-intelligenz-problem-t13066.html
Da ich einer der damaligen und jetzigen Poster bin, hier mal ein paar Punkte dazu aus dem alten Thread.
Das Problem ist weit weniger ein Spieler mit mehr Ideen, als es für den Charakter und dessen geistige Attribute zu erwarten wären, sondern der umgekehrte Fall. Wenn jemand ein Superhirn... spielen will, denen von den Charakter-Attributen das regeltechnische High-End an geistiger Leistungsfähigkeit zugesprochen wird, dann ist es meiner Erfahrung nach öfter der Fall, daß ein Spieler mit der erwarteten Brillianz solcher Charaktere nicht so recht mithalten kann.
Das interessante dabei ist für mich, daß in solchen Fällen im Pen&Paper das aus dem LARP bekannte "Du kannst, was Du kannst" gilt. ... Auf dem Charakterbogen stehen die für solch einen Charakter höchst-möglichen Werte. Und doch kommt der Spieler nicht auf auch nur irgendeinen Lösungsansatz für ein Problem in einem Szenario, welches der Charakter... mal so eben aus dem Ärmel geschüttelt hätte.
Eben das ist ja ein Teil des hier in diesem Thread diskutierten Problems, welches manche mit einer Intelligenz-Charakteristik haben, welches aber auch OHNE JEGLICHE Charakteristik für Intelligenz immer noch besteht: Selbst wenn ein Spieler in einem Regelsystem ohne Intelligenz-Charakteristik nur rein in seinem Prosatext des Charakterkonzepts diesen Charakter als hochintelligent, hochbegabt, mit schneller Auffassungsgabe ausgestattet, Wissens-Genie, begnadeter Erfinder, genialer Wissenschaftler etc. beschreibt, und der Spieler dies nur schwerlich darstellen kann, weil ihm z.B. als Nicht-Wissenschaftler jegliche Vorstellung fehlt, wie man in einem Forschungsinstitut eigentlich so arbeitet, wie man mit Kollegen dort umgeht, wie man seine genialen Ideen "an den Mann" bringt, oder weil er einfach selbst alles andere als ein Blitzmerker ist und sogar offensichtliche Punkte im jeweiligen Szenario seiner getrübt-tränigen Wahrnehmung entgehen, dann wird oft diese Differenz zwischen den Eigenschaften des Spielers gegenüber den in Spielwerten des Charakters oder auch nur in einem Bezeichner im Charakterkonzept als Problem empfunden.
Das Problem liegt aber nicht in der Existenz von "intelligenzartigen" Charaktereigenschaften, sondern darin, daß so ziemlich JEDER Charakter, den man im Rollenspiel erschafft (SC und NSC gleichermaßen) ja über all das verfügt, was in die Begriffsgruppe Intelligenz/Klugheit/Schläue/Brains/etc. gehört. Das ist völlig normal. Das ist in-game in der Erwartung der Charaktere in der Spielwelt normal. Und es ist in der Erwartung der SPIELER auch völlig normal, solche Eigenschaften ihren Charakteren zu geben oder sie, wo nicht explizit gemacht, schlichtweg vorauszusetzen, zu implizieren. Und ebenso ist es in der Erwartung der Spieler, daß es UNTERSCHIEDE in der Ausprägung dieser Eigenschaften bei unterschiedlichen Charakteren gibt. Ob diese erwarteten Unterschiede nun im Regelsystem mit Werten festgemacht sind, oder als Textpassagen in einem Charakterkonzept stehen, das ist völlig egal.
Es gibt sie in der Erfahrungswelt der Spieler.
Sie werden für die von den Spielern verkörperten Charaktere durch die Spieler selbst erwartet.
Somit sind es Eigenschaften, die so oder so im Rollenspiel vorkommen werden.
Der einzige Unterschied im Spiel ist, ob sie mit belastbaren Regeln fest eingebaut sind, oder ob sie im schwammigen Raum des "Bauchgefühls" von Spieler und Spielleiter (und anderen Mitspielern) liegen.
Und da, genau da kommt das Problem mit der Darstellbarkeit von ausformuliertem ANSPRUCH hinsichtlich des Charakters im Unterschied zur realen BEFÄHIGUNG des Spielers auf.
Als Problem wird es ja eh nur wahrgenommen, wenn ANDERE Mitspieler (d.h. auch der Spielleiter) den Eindruck haben, daß der Charakter anders gespielt wird, als SIE es dem Charakterkonzept, den Spielwerten nach, und der vergangenen Spielweise in zurückliegenden Szenarien erwarten würden. Dann wird oft davon gesprochen, daß in solch einem Falle der Charakter "schlecht" oder "falsch" gespielt wird. Wobei sich ja die ANDEREN nie wirklich sicher sein können, wie der Spieler sein Charakterkonzept GEMEINT hat.
Und darauf bezog sich der Beitrag von mir im alten Thread.
Ich finde auch Systeme charmant, in denen erst gar keine Intelligenz/Bildung/Wissen/Schläue/... als Attribut vorkommt (z.B. Engel, Abenteuer in Magira, HeroQuest, Castle Falkenstein). Das heißt natürlich nicht, daß man da nicht einen genialen Dampftechnik-Erfinder, einen Wissensgott-Oberpriester, einen Einsteiniel spielen könnte. Es kommt bei diesen Spielen nur nicht zum wahrgenommenen(!) Konflikt zwischen einer die geistige Kombinationsgabe und sonstiges mentales Vermögen in Zahlenwerte fassenden Charakteristik und der für alle am Tisch sichtbaren Handlungs- und Problemlösungs-Kompetenz des Spielers. (Nebenbei: gerade bei Engel habe ich viele Spieler erlebt, die sich beim Ziehen der Karte Inspiration: Kreativität enorm unter Druck gesetzt fühlten jetzt eine besonders kreative Erläuterung der Auflösung zu finden, auch wenn ihnen eigentlich eine sehr direkte, unkreative Lösung vorschwebte - das Problem ist also nicht nur auf "Intelligenz" bezogen, sondern kann, wie hier, auch anders gelagert sein).
Genau.
Man hat in diesen Rollenspielen ohne eine solche "intelligenzartige" Eigenschaft aber IMMER eine implizite Intelligenz-Charakteristik am wirken. Diese wirkt deshalb, weil über den Bereich an "intelligenzartigen" Eigenschaften bei JEDEM erschaffenen Charakter AUSSAGEN getroffen werden. Wenn nichts explizit dazu dasteht, so ist damit dann ein durchschnittlicher Wert gemeint.
Die Diskussion im alten Thread ging ja vornehmlich um die "gefühlten" Unterschiede im Handeln eines Charakters nach Willen des Spielers und dem, was zum Thema "Intelligenz" & Co. in der Beschreibung dieses Charakters steht.
Wenn nun also in einem Regelsystem OHNE Intelligenz-Eigenschaft ein Spieler seinen Charakter sehr intelligent agieren läßt, dessen sonstige Eigenschaften so klug als möglich einsetzt und sich so schlau Vorteile für seinen Charakter verschafft, so ist das KEIN PROBLEM. - Das liegt daran, daß das Regelwerk eben NICHT die Intelligenz oder eine ähnlichen Eigenschaft beinhaltet und man so also nicht einen Regelverstoß daran festmachen kann, wenn nun der Charakter sich - nach der geistigen Leistung des Spielers - besonders schlau verhält.
Es liegt aber andererseits auch daran, daß ein Regelsystem, welches bewußt die Intelligenz ausklammert, keine HARTE Kritikgrundlage an der "Darstellungsqualität" des Charakters mehr zuläßt. Wenn in einem Regelsystem bei einer Intelligenz-Eigenschaft ein Wertebereich von 01% bis 100% zulässig ist, und wenn dort 100% extrem gut ist, dann könnte man beim Spielen eines Charakters mit 05% Intelligenz-Wert bei einer herausragenden Geistesleistung des SPIELERS erwarten, daß dieser Charakter aber stimmigerweise NICHT zu solch einer Leistung fähig gewesen wäre. Somit wird das "intelligente" Spiel als UNSTIMMIG empfunden. - Und hier liegt dann auch gleich ein Zahlenwert vor, an dem die Kritik sich festmachen kann.
Existiert dieser Zahlenwert jedoch nicht, so kann man keine HARTE, sondern nur noch bestenfalls "weiche" Punkte anbringen wie "Du hattest Deinen Charakter früher doch immer ziemlich einfältig agieren lassen." oder "In Deinem Charakterkonzept steht 'naiver Bauerntrottel' als Schlüsselwort.", wenn man den Vorwurf unterbreiten wollte, daß der Charakter nicht zu seinem Konzept passend gespielt wurde.
Und da diese WEICHEN Punkte viel leichter auf die Unterschiedlichkeit der Auslegung von Begriffen gegenüber dem harten Zahlenwert auf einer vorgegebenen Skala basieren, haben solche Rollenspiele, in denen eine "intelligenzartige" Charakteristik nicht vorhanden ist, ein in dieser Hinsicht reduziertes Konfliktpotential. - Jedoch wird solch ein Konflikt NIE VOLLSTÄNDIG VERMEIDBAR sein können (wegen der stets vorhandenen impliziten Intelligenz-Eigenschaft in jedem Rollenspiel).
Was ist nun besser?
Rollenspiele MIT Intelligenz-Charakteristik oder Rollenspiele OHNE diese?
Das kann man so pauschal ja ohnehin nicht beantworten.
Eine explizit in einem Regelwerk vorhandene Intelligenz-Charakteristik stellt ja zunächst einfach einen Bereich im Regelwerk dar, der durch harte und für alle Spielenden verbindliche Regeln auf einen bestimmten Anwendungsbereich hin über Erfolg und Mißerfolg der Charaktere entscheiden zu helfen gedacht ist. Selbst bei Hausregeln ist ja diese Verbindlichkeit ausdrücklich gegeben.
Wenn es keine Intelligenz-Charakteristik gibt, dann hat hat man KEINE VERBINDLICHKEIT in den von solchen Intelligenz-Regeln abgedeckten Bereichen. Man spielt dann nur noch im reinen Vertrauensbereich in die persönliche Fairness und persönliche Fähigkeit des Spielleiters.
Das sollte einem bewußt sein, wenn man ein solches Regelwerk verwendet.
Bei Engel ist das z.B. eine der Stärken in einer Gruppe, die miteinander total harmonisch umgeht und wo ein enormes Vertrauensverhältnis zueinander und zum Spielleiter besteht. Bei Engel ist das gleichzeit auch der Grund für die denkbar gestörtesten Spielrunden, wenn die Gruppe mal nicht harmoniert und der Spielleiter nicht das rückhaltlose Vertrauen aller Spieler genießt.
In leicht abgemilderter Form gilt das überall, wo im Erwartungshorizont eines Spielers zu erwartende Charaktereigenschaften nicht vom Regelsystem explizit geregelt werden.
Solches ist bei Castle Falkenstein oder Abenteuer in Magira der Fall.
Bei HeroQuest hingegen NICHT. HeroQuest regelt tatsächlich sehr genau die GESAMTE denkbare Bandbreite von intelligenzbezogenen Eigenschaften durch seinen universellen Mechanismus, der von einem Mindestwert für ALLES ausgeht, was nicht explizit als besser als normal oder schlechter als normal vom Spieler bei der Charaktererschaffung gekennzeichnet wurde. - Hier hat man trotz fehlender VORGEGEBENER Intelligenz-Eigenschaft eine stets klar QUANTIFIZIERTE und immer zum anstehenden Konflikt im Spiel passende Eigenschaft parat.
Bei Systemen, die eine Bewertung der Intelligenz o.ä. in Form einer Charakteristik mitbringen, sollte man sich überlegen, was das im praktischen Spiel bedeutet.
Genau das tun manche Regelwerke sehr genau und sehr deutlich. Und andere lassen das im Schwammigen, im Undefinierten. Ich finde erstere für mein persönliches Spiel die besser geeigneten. Ich mag gutdefinierte Spielwerte, bei denen ich immer genau weiß, ob und wann sie wie zum Tragen kommen.
Wenn ein Spielwert NICHT GUT DEFINIERT ist, dann sollte er besser überhaupt nicht im Regelwerk vorkommen, da man bei unzulänglicher Definition nur Auslegungsärger bekommt. Das ist etwas, was ich als schlechtes Regelwerk bezeichne, weil es seine Funktion, nämlich das Spiel zu regeln, in diesem Punkt nicht erfüllt.
Fehlt dieser Spielwert aber und stellt sein Nichtvorhandensein eine Lücke in den vom Spieler zu erwartenden Charaktereigenschaften dar, so hat man ein lückenhaftes Regelwerk. Es wird etwas nicht geregelt, was man für das Genre, das Setting, die Spielererwartungshaltung geregelt haben müßte.
Immerhin sitzt man am Tisch, keiner sonst spannt was, warum also sollte man via seines Charakters diese Idee nicht vorbringen dürfen?
... und ab und an mal ein wenig Genialität kann man doch wohl jedem zugestehen, oder?
Das ist wieder der Themenpunkt des Unterschieds zwischen Charakter-Klugheit und Spieler-Klugheit. Hier mal von der Seite des Mitspielens gesehen. - Wenn ich mit anderen ZUSAMMEN in der Spielrunde sitze, so darf ich doch auch an allen offen am Tisch präsentierten Problemen eines Szenarios an deren Lösung mitwirken. Ich, der Spieler in diesem Falle. - Ob mein Charakter das könnte, ob er das Problem überhaupt richtig erfassen kann, das ist eine ANDERE EBENE des Spiels!
Somit habe ich auf der Ebene des Miteinanderspielens eine Lösung gefunden.
Wie kommt diese nun in den in-game-Bereich der Charaktere?
Solange alle am Tisch miteinander kein Problem haben, wenn ich eine Problemlösung finde, die dann nicht mein Charakter, sondern vielleicht der schlaue Zauberer-Charakter meines Freundes in-game darlegt, ist das ein klarer Fall.
Was aber, wenn ich nun WILL, daß mein Charakter derjenige in der in-game-Ebene ist, der die Lösung darlegt?
Hier könnte es zu dem Konflikt zwischen den Spielern bzw. zwischen Spielleiter und mir als Spieler kommen, der Thema des alten Threads war.
Mein Vorschlag, den ich oben zitiert habe, geht aber dahin einfach mal JA! zu sagen.
Ein Spieler hat eine richtig coole Idee. Sein Charakter ist eine mentale Mohrrübe. - Na wenn schon!
Wird das Spiel dadurch cooler, wenn sein Charakter diese Idee umsetzt?
Falls ja, dann sag doch mal JA!
Dann darf er das. Dann hatte er eben mal einen Geistesblitz. Da hatte der Charakter seine genialen fünf Minuten, die er wohl die nächsten Jahre nicht so bald wieder erleben wird. Oder dieser Geistesblitz ist ein Zeichen dafür, daß er an Intelligenz-Eigenschaft demnächst zulegen wird (weil der Spieler eh vorhatte, die Intelligenz-Charakteristik beim nächsten Umsetzen von Erfahrungspunkten anzuheben - natürlich nur in Regelsystemen, wo das geht).
Einfach mal JA! sagen, das fällt so manch einem Spielleiter schwer.
Aber in diesem Falle vermeidet das nicht nur einen Konflikt, sondern es fördert das weitere gemeinsame Spiel.
Wie kommt das JA! aber mit dem Regelwerk klar?
In Savage Worlds gibt es für diese coole Idee einen Bennie. Diese Bennie ist für den SPIELER des Charakters gedacht, der damit die Geschicke seines Charakters beeinflussen kann. - Nun möchte der Spieler, der für die coole Idee den Bennie für seinen Charakter bekommen hat, die Idee auch ins in-game Geschehen einbringen. Wie macht er das?
Ganz klar bei Savage Worlds: er macht einen Smarts-Wurf.
Klappt der, dann wird die Idee zum in-game-FAKT. Klappt er nicht, so hat der SPIELER ja den Bennie bekommen, mit dem er den Erfolg des Smarts-Wurfs mit höherer Wahrscheinlichkeit sicherstellen kann.
Klappt der Smarts-Wurf dennoch nicht, dann akzeptiert der Spieler das Ergebnis, genauso wie er das Ergebnis von allen anderen Würfen im Spiel nach den Regeln akzeptieren wird, da ja diese Regeln genauso auch für die Ideen anderer Spieler gelten und angewandt werden. - Die Bennie-Belohnung ist das JA! ist das "Klar, gute Idee, da könnte Dein Charakter drauf kommen. - Los zeig mal, wie gut der das hinbekommt." des Spielleiters.
Wenn in der Spielergruppe ganz klarer Konsens herrscht, daß durch die Anwendung der Spielregeln in all den Bereichen, die von den Spielregeln vorgesehen sind, in-game-Fakten geschaffen werden, dann gibt es auch KEINE KONFLIKTE ZWISCHEN DEN SPIELERN hinsichtlich der Vorwürfe wie "Du spielst Deinen Dorftrottel-Charakter falsch, weil der nie solche Ideen hätte!"
Selbst mit Smarts d4 hat der Charakter noch Möglichkeiten. Andere Charaktere könnten ihn unterstützen, so daß ein kooperativer Smarts-Wurf möglich ist. Sein Spieler kann dazu seine eigenen Bennies und die Spieler der anderen Charaktere die diesen Charakteren zugeordneten Bennies einsetzen.
Wenn es eine Gruppe(!) darauf anlegt in-game-Fakten zu schaffen, dann wird das gelingen.
Und dazu sage ich als Spielleiter sehr gerne JA!
Das heißt aber auch, daß bei der Frage nach "dem Intelligenz-Problem" eigentlich das Problem keines ist. Es ist nicht die Frage nach dem als unstimmig empfundenen Ausspielen von einem Mehr an "Intelligenz" des Spielers gegenüber dem Charakter-Attribut, sondern es sollte eigentlich generell die Frage nach dem sein, was beim Ausspielen eines Charakters von den anderen Mitspielern (den Spielleiter eingeschlossen) als unstimmig empfunden wird.
"So würde <Charaktername> doch nie handeln!" Wenn man das schon mal im Spiel gehört hat, dann weiß man, daß man wieder an solch einem Punkt angelangt ist. Das ist bei Weitem nicht auf Intelligenz beschränkt, sondern kann sich auf das Ausspielen von verhaltensbeeinflussenden bzw. verhaltensbeschreibenden Vorteilen/Nachteilen (Was ist "Heldenhaft"? Was ist "Loyal"? Was ist "Chaotisch"?) oder auf das Anwenden nicht expliziter Fähigkeiten ("Als Polizist kann mein SC doch garantiert dieses High-Tech-IT-Security-System hacken." - betrifft Systeme mit eher grobgranularer Charakterisierung) beziehen.
Und das ist eigentlich der Kern des von Skar ausgegrabenen alten Threads.
Ich sehe hier weit weniger Widersprüche, als es Skar vielleicht als Eindruck hatte.
Hier geht es um etwas anderes.
Hier geht es nicht darum, daß es Konflikte zwischen Spielern/Spielleiter gibt, weil ein Charakter anders gespielt wird (hinsichtlich Intelligenz oder Charisma, oder praktisch jedweder anderer Eigenschaft!), als es die nicht den Charakter Spielenden für stimmig mit dem Charakterkonzept und seinen Spielwerten halten.
Hier geht es darum, ob es überhaupt solcher Spielwerte wie Charisma oder Intelligenz bedarf.
Und ich sage dazu, daß man IMMER und in JEDEM Regelsystem Charaktereigenschaften wie Charisma oder Intelligenz haben wird. In manche explizit als Spielwerte mit konkretem Anwendungsbereich und in anderen implizit als Teile des Charakterkonzepts mit undefiniertem und auslegbaren Anwendungsbereich.
Man braucht solche Eigenschaften jedoch IMMER, da sie von den Spielern ERWARTET werden und - falls nicht explizit vorhanden - dennoch IMMER in deren Bewertung Überlegungen investiert werden.
Hier noch ein nostalgisches Stück:
Ich ziele bei Rätseln eigentlich immer auf die SPIELER nie auf die Charaktere ab.
Was bedeutet das?
Aus dem hiesigen Thread ist das eventuell mißverständlich. - Ich meine hier NICHT, daß ich stets EXPLIZITE, direkt an die Spieler gestellte Rätsel unterbreite, sondern daß ich Herausforderungen stelle, die die Spieler reizen, die in ihrer Wirkung bei den Spielern "hängenbleiben", die den Spieler klar machen, daß sie mit ihren Charakteren in einer anderen Welt sind.
Z.B. das Glorantha-Mythologie-Rätselduell. Hier bekommen die SPIELER mit, wie cool, wie vielfältig, wie interessant und wie verschroben die Gestalten der Glorantha-Götterwelt in ihren Sagen nun so sind. Ich lasse natürlich NICHT einfach abstrakt auf Kenntnis der Orlanthi-Mythologie würfeln, sondern ich stelle das Rätsel EXPLIZIT, aber DEN CHARAKTEREN. - Die WIRKUNG kommt jedoch beim Spieler (idealerweise) an. Und genau das ist meine Absicht mit einem Szenario-Element eines Mythologie-Rätselduells von Charakteren in der Spielwelt.
Hingegen kann ein noch so tolles explizites Rätsel, welches nur dem Spieler, nicht aber seinem Charakter gestellt wird, total vorbeigehen. Der Spieler empfindet das als aufgesetzt, gekrampft, schlimmstenfalls sogar völlig unpassend zum Setting. Solch ein Rätsel ist eine Aufgabe zur Lösung durch den Spieler, aber sie ist nicht auf den Spieler, auf dessen Spielerlebnis im ROLLENSPIEL abgezielt, sondern sie ist ein Spiel NEBEN dem Rollenspiel nebenher. - Ganz so, als würde man nebendran zum Code-Knacken eine Runde Mastermind mit dem Spieler spielen. In-game existiert kein Mastermind-Spiel. In-game gibt es diesen geheimen Code, den zu entschlüssen die Mission voranbringen soll. In welcher Reihenfolge bunte Plastiksteine angeordnet sind, interessiert weder die Charaktere im Spiel, noch den SPIELER AM SPIEL. - Wenn der Spieler einen coolen Agenten, einen Entschlüsselungsspezialisten, einen MiB spielen will, dann möchte er nicht durch ein völlig zum Rollenspiel-Thema ohne Bezug eingeführtes "Nebenspiel" abgelenkt werden, von der Rollenspielhandlung.
Und genau das tun Rätsel, die nicht auf den ROLLENSPIELER gezielt sind, sondern einfach ein separates Spiel neben dem Rollenspiel eröffnen.
Das sind die besten Methoden, um den Spieler aus der gemeinsamen Vorstellungswelt des Rollenspiels herauszukatapultieren.
Daß ich davon wenig halte, ist - glaube ich - klar geworden.
Was ich mit "Ich ziele bei Rätseln eigentlich immer auf die SPIELER nie auf die Charaktere ab." meine, ist wohl auch klar geworden.
Mir geht es darum, daß ich - wenn ich es schon für nötig halte, überhaupt ein Rätsel zu verwenden (extrem selten) - das Rätsel als Möglichkeit sehe, dem Spieler eine weitere Facette der Spielwelt, des Settings zu präsentieren, ganz unabhängig davon, ob und wie der Charakter in-game das Rätsel wahrnehmen würde.
Bei jemandem, der länger [ein bestimmtes kulturintensives Rollenspiel] spielt, ist m.E. zu erwarten, daß er ein Gefühl dafür hat, was angemessenes Verhalten in diesem Setting ist, und was intolerabel ist. Und dann darf sein SC das auch zur Gänze ausbaden.
Das gleiche Verfahren benutzen wir auch bei anderen, kulturintensiven Settings, da hier eigentlich immer eine gewisse Einstiegsschwelle für den Spieler vorhanden ist, wogegen der Charakter ja in diesem Setting aufgewachsen ist und sich somit mit allen wesentlichen Tabus etc. auskennen sollte.
Und genau deshalb ist auch solch ein Mythologie-Rätselduell eine Möglichkeit diese Seite des Settings zu VERMITTELN.
Die Spieler sollen mit dem, was ihnen in einem solchen Setting präsentiert wird, ja mehr und mehr in die fremde Kultur, in die Denkweisen der Charaktere hineinschlüpfen können. - Aber: Erfolg oder Mißerfolg von Handlungen der Charaktere hängen immer noch von der Anwendung der Regeln ab.