Wie wärs übrigens, wenn ihr beide (Jack und Arlecchino mein ich) mal lieber miteinander diskutiert, statt dass der eine von euch mir vorwirft ich würde Black Widow als Schlampe abstempeln, während der andere mir gleichzeitig vorwirft ich würde mich weigern anzuerkennen, dass die Figur und Darstellung ne sexualisierende Seite hat?
Wo du dir das immer herziehst. Bisher habe ich dir lediglich vorgeworfen, mal wieder die Positionen zu vereinfachen, um deine Argumente besser anbringen zu können. Das nervt und verhindert eine vernünftige Diskussion, weil du damit radikalere Einstellungen suggerierst, als wirklich vorhanden sind. Irgendwann (meist schon auf der gleichen Seite) vergessen die Leute dann einfach, was wirklich geschrieben wurde und das was mitgetragen wird ist eigentlich immer ausschließlich die Polemik. Damit drehen wir uns dann ein paar Seiten im Kreis und im besten Fall provozieren wir uns mit überhaupt nicht eingenommenen, extremen Positionen soweit, dass wir uns wieder an die Gurgel gehen.
Nochmal: du hast den Artikel gelobt, die Gründe habe ich verstanden. Ich habe den
Artikel kritisiert, weil er meiner Meinung nach das Problem an der falschen Seite angeht. Ich kann nicht die Kritiker dafür rügen eine Figur "fehlzuinterpretieren", die aufgrund ihrer Herkunft, der Rolle im Medium, des Zweckes, der Darstellung und aller anderen Begleitumstände bereits immens vorbelastet ist. Ich kann einem Kritiker vorwerfen, dass er sich von dem ganzen Quatsch zu sehr beeinflussen lässt und gefälligst die Figur isoliert und in Gänze zu betrachten hat, um sie nicht auf oberflächliche Merkmale zu reduzieren, da hab ich auch gar nichts gegen. Allerdings geht mir der Artikel zu weit in der Interpretation und macht aus der Figur letztlich wieder mehr, als wirklich da ist. Dabei geht es gar nicht darum, wie so ne Figur auszusehen hat, damit man sie mit einem großmütigen Nicken als "passabel" durchwinken kann, obwohls ne weibliche Superheldin ist. Es geht mir persönlich ausschließlich darum, dass man den Verursacher des Problems nicht falsch verordnet. Nicht die Kritiker haben über die Ästhetik im Comicbereich entschieden, sondern Designer und Fans / Nerds. Wenn man will, dass sich etwas an der Wahrnehmung der dortigen Figuren (insbesondere weibliche) ändert und dem Ganzen mit mehr Wohlwollen oder Ernsthaftigkeit begegnet wird, dann muss man anfangen, die Altlasten abzubauen, die dem Genre jetzt noch nachhängen, die sich leider nicht ohne Grund hartnäckig halten und die letztlich der Grund für die öffentliche Wahrnehmung sind. Das macht man meiner Meinung nach auch nicht, indem man versucht sie zu plausibilisieren ("die hat die Titten raushängen weil sie provokant sein will", "der trägt die Unterhose über der Strumpfhose weil man das so auf Krypton getragen hat"), sondern schlichtweg indem man die Paradigmen ändert. Gerade jetzt, wo das Comicgenre durch millionenschwere Verfilmungen in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist und dadurch überhaupt Irgendjemanden interessiert, was so ein Kritiker darüber zu sagen hat, ist die perfekte Zeit, um was zu ändern. In ein paar Punkten haben sie das ja auch bereits gemacht, unter anderem in der Wahl der Dominanz klassischer Comicfantasy-Elemente, die etwas zurückgeschraubt wurden, weil dus sonst nicht wirklich auf Leinwand bringen und erwarten kannst, dass sich das auch Jemand anguckt, der keine Comics liest.
Kurz: entweder man findets so gut wie es jetzt ist, dann muss man mit den üblichen Kritiken leben und damit, dass es nicht ernst genommen wird. Oder man will das anders haben, dann muss man beim eigentlichen Problem einsetzen -> "Warum muss das eigentlich überhaupt so sein?"
"Ich will die Comicästhetik beibehalten, weil ich mich schon dran gewöhnt habe und persönlich drauf stehe, die restliche Welt soll sich gefälligst anpassen und das auch cool finden" läuft einfach nicht. Und man tut der Sache auch keinen Gefallen, wenn man von jedem Zuschauer und Kritiker verlangt, sich durch den dubiosen Rattenschwanz von Genreerwartungen- und Konventionen zu wühlen, um unter der ganzen Fassade noch zu erkennen, dass die Figuren doch eigentlich total dreidimensional sind und Persönlichkeit haben.
Ich kann ne Figur aussehen lassen wie ne sexy Nonne mit großer Oberweite, mit Zigarre im Mund und zwei flammenden Repetierarmbrüsten, mit nem Maschinengewehrbein und Nippelblastern. Ich kann auch hingehen und ihr durch eine entsprechende Hintergrundgeschichte Tiefgang geben, wenn ich das will. Aber ich kann nicht darüber entscheiden (oder verlangen, weder als Fan, noch als Erschaffer), das sich Niemand von der Ästhetik davon abhalten lässt, tiefer zu graben und die "Essenz der Figur" zu betrachten. Oft ist der vermeintliche Tiefgang eben auch nur aufgesetzt oder Platitüde, manchmal auch nur Mittel zum Zweck um vermeintliche credibility zu suggerieren. Man kann mit sowas auch bewusst brechen und richtige Kontraste setzen, die dann auch bei Jemandem zünden, der sich keine große Mühe macht, das Gesehene zu analysieren. Dazu braucht es allerdings Zeit und sowas schreit dann nach nem eigenen Film oder genug Screentime. Bei Black Widow haben sies in Avengers versucht, einmal über den Dialog mit Loki und einmal im Zusammenspiel mit Hawkeye. War okay, hat aber wahrscheinlich für die Meisten nicht ausgereicht, um einen wirklich bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Um mal ein bisschen vom sexistisch vorbelasteten Beispiel mit weiblichen Figuren wegzukommen: wenn Jemand nen Serious Sam Film dreht, wird es Kritiker geben, die dem Charakter vorwerfen, ein hohler, pubertärer, phrasendreschender, sexistischer Idiot zu sein, der als miserables role model nicht mal zum Antihelden taugt und eigentlich nur dazu da ist, infantilen Humor wieder salonfähig zu machen. Wenn einen so eine Kritik stört ist die meiner Meinung nach einzig sinnvolle Reaktion:
"ja, er will ja auch nichts anderes sein. Das is nicht ganz ernst gemeint, weißte? Macht sich ja auch über sich selbst lustig, lass dir mal Humor wachsen."
und nicht
"zum kotzen, dass diese Kritiker nicht kapieren, dass unter der ganzen Fassade eigentlich ein richtig ernster Charakter steckt, der in diesen und jenen Comicerweiterungsbänden oder bei Spiel XY in Szene Z diese und jene charakterliche Entwicklung durchgemacht hat. Quasi wie der Comedian bei Watchmen. Man kann echt nichts mehr von diesen Mainstreamidioten erwarten, die checkens einfach nicht."