Ich glaube kaum, dass du die Definitionsmacht darüber hast, wie "ernst" Rollenspiel denn nun zu nehmen ist, was "erst genug" und was "zu ernst" ist. Und bei der Zeit, die ich in dieses Hobby stecke, nehme ich es ziemlich ernst.
Warum denn jetzt gleich so pikiert?
Er (Harlekin) hat da wie ich finde einen durchaus validen Punkt.
Es ist absolut nicht vergleichbar, ob sich der SL nun viel Arbeit gemacht hat und der Spieler einfach abhaut und geht, oder ob der Charakter das zeitliche segnet. Letzteres ist immer potentielle Wahrscheinlichkeit. Warum auch nicht.....die Spiele, die sage ich mal größeres mit den Charakteren vorhaben haben normalerweise auch irgendeine Form der Wiederbelebung drin.
Die Systeme die dieses Phänomen nicht beinhalten sind dennoch durchaus tödlich.
Aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz mag ich da folgende Systeme nennen:
1. Cthulhu .... ich mein, entweder man stirbt, oder man wird alsbald wahnsinnig (= unspielbar), dieses Element einfach rausnehmen stellt sich irgendwie gegen das Spiel an sich.
2. SLA Industries .... auch hier bedeuten die Charaktere einen Dreck, sind austauschbar (in der Welt, die ein massiv überbevölkerter Moloch ist) und erst wenn sie wirklich viel geleistet haben auch irgendwie unter besonderen Priviligien gestellt. Davor weiß man einfach, dass es keine gute Idee ist, sich trotz Panzerung in einen Schusswechsel zu begeben. Aber genau darin liegt der Reiz. Wahnsinn, Angst und die Geilheit nach Ansehen sind es die die Charaktere vorantreiben und eindämmen .... und trotzdem sind es Individuen. Individuen die sich ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit spätestens dann bewusst werden, wenn sie ihren aller ersten Kanalauftrag bekommen.
Wahnsinn ist auch hier ein dauerpräsenter Freund, der einen nicht nur schnell das Leben kosten kann, sondern auch alles weitere bestimmt.
3. Etwas abgeflachter, aber mindestens genauso ernst kann Shadowrun sein. Es macht einfach keinen Sinn eine Kampfsau zu spielen und dann ernsthaft nicht davon auszugehen, dass einem nichts passiert. Pseudobestrafungen wie "Jetzt haste halt n Bein verloren!" sind stellenweise auch arg daneben. Einerseits nimmt man dem Char jegliche Existenzgrundlage (bis dann das Bein nachgeklont wurde, im Falle eines Straßensams) und zum anderen hat gerade Shadowrun derart viele Rückendeckungen (Kampfpool, Karmapool, Teamkarmapool, Hand-of-God, Hooper-Nelson), dass es eigentlich schon fast eine Kunst ist zu sterben.
4. Hunter: the Reckoning, auch hier wieder dasselbe Spiel wie bei Cthulhu oder SLA......man ist ein Nichts, ein Niemand, mit etwas mehr Kraft als die anderen Niemande ... quasi eine Art Schaf mit Giftzähnen. Man weiß, dass man eigentlich kaum eine Chance hat.....man ist bestenfalls in Splittergruppen, muss Angst haben vor radikalen anderen Huntern und könnte sogar der dunklen Seite der Macht anheim fallen. Zu allem Überfluss kämpft man einen Kampf gegen Mächte die so mächtig/ uralt sind, dass man sogar Probleme gegen ihre niedrigsten Auswüchse bekommen kann.
Hunter beispielsweise sollten es sich zwei mal überlegen, ob sie es mit einem Werwolf in Chrinos aufnehmen wollen. Dieses Bild zieht sich durch die Bücher wie ein roter Faden.
Ein Charaktertod ist tragisch wenn er passiert, vor allem bei einem lieb gewonnenen Charakter......aber dann die beleidigte Leberwurst zu spielen macht keinen Sinn. Immerhin sollte man davon ausgehen, dass man irgendwann genug Reife erlangt haben sollte, dass man eben nicht mehr als SL die SCs absichtlich in unmögliche Fallen reintappsen lässt.
Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, der kann halt sterben, das ist die Tragik auch des virtuellen Charakter Lebens.....und Charakter Tod sofort mit "schlechter Spielleiter" "scheiß Gruppe" oder gar "das macht überhaupt keinen Spaß" gleichzusetzen ist in meinen Augen ein definitives Zeichen dafür, dass jemand einfach nicht akzeptieren kann, dass es eben auch mal nicht episch im Rollenspiel für jemanden enden muss.
Es gibt halt schnelllebige Systeme.......vielleicht sollte man an dieser Stelle auch einfach mal Anfangen seine Strategien zu ändern und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit der Chars zu erhöhen.