AW: Auskotzen über Charaktertötung und konsequentes Rollenspiel
Ein Sci-Fi-Setting nach Firefly-Art geht meiner Meinung nach davon aus, daß es eine in sich kooperationsfähige, loyale Crew als definierenden Kern des ganzen Spiels benötigt.
Wenn ich eine Gruppe krimineller Runner zusammen auf ein Raumschiff packe, dann legen die sich ja erwartungsgemäß binnen kürzester Zeit gegenseitig um, oder hauen ab (nur die Weicheier, die die ersten Schießereien überlebt haben sollten).
Ich habe Firefly nach Savage Worlds am laufen. Da wurde ZUERST die GRUPPE, d.h. die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander erschaffen. Diese Crew mußte gute und (vor allem) schlechte Zeiten gemeinsam durchstehen können. - Klar SOLL es Raum für Reibereien und Komplikationen geben, aber nicht KO-Kriterien, die ein Auseinanderlaufen der Crew bewirken würden.
So etwas ist m.E. nicht Firefly. (Bei Traveller habe ich das hingegen schon erlebt, daß sich eine Crew wegen nichtkompatiblen Auffassungen auseinandergelebt hat. Damit war die Kampagne tot.)
Zur Führungskraft: da habe ich bei Engel sehr viel lernen können, was es heißt eine Gruppe mit einem ANFÜHRER zu haben und zu BRAUCHEN!
Längst nicht jeder Spieler ist dazu geeignet seine Mitspieler in einer führenden Rolle als Erster (zwar unter gleichen Spielern, aber als ERSTER unter den SCs!) zu führen.
Nicht jeder Mitspieler will sich führen LASSEN. Wobei die Spieler, die sich nicht führen lassen wollen, meiner Erfahrung nach auch nicht in der Lage sind, selbst jemand anderen zu führen. Das hat was damit zu tun, einen Ausgleich in der Gruppe zu schaffen, sich selbst zurückzunehmen, aber trotzdem klare Grenzen zu setzen, Verbindlichkeiten zu schaffen etc. - Eben alles Eigenschaften, die eine Führungspersönlichkeit ausmachen.
Nur wenn ein Spieler das in sich hat (und viele wissen nicht einmal, daß sie das können), dann funktioniert solch eine GUTE Crew. - Dann hat man Firefly. Und das macht richtig viel Spaß. (Zumindest funktioniert es bei meinen Spielern der Savage Firefly Kampagne super.)
Wenn hingegen der Führer schwach ist, oder umstritten und nur durch die Hierarchie als Führer übergeordnet, aber nicht als Führerpersönlichkeit bei seinen Untergebenen angenommen, dann bekommt man nicht Firefly, sondern man bekommt Meuterei auf der Bounty in Space.
Das ist auch nicht schlecht (nur eben NICHT Firefly).
Bei Firefly geht es um Unabhängigkeit, um Freiheit, um Loyalität, um Wir gegen den Rest des 'verse, um "Keep flying". Das ist Road-Movie in Space.
Im 'verse gibt es schon genug Gegner, die einer Crew das (Über-)Leben schwer machen können. Da kann KEIN Captain es brauchen, wenn seine Crewmitglieder gewalttätige Psycho-Killer sind. - Firefly-SCs tendieren dazu recht freizügig mit Gewalt umzugehen, solange sie gegen Leute geht, die sie selbst, ihre Crew-Kameraden, oder sonstige Leute, die ihnen was bedeuten, bedrohen (meist also gegen Allianz-Truppen, gegen korrupte Law Dogs, gegen Blue Sun Operatives, gegen Reavers, gegen sonstige Piraten, Schurken, Arschlöcher, Mob-Hitmen, ... - Also gegen so ziemlich alle anderen, die Waffen benutzen werden). - Gewalt gegeneinander erfolgt bestenfalls "auf Texas-Art", d.h. man tut sich ein bischen, oder auch mehr weh, meint es aber nicht böse, sondern nutzt Gewalt nur zur Untermauerung seiner "Argumente". Das ist ein westerntypisches Element von Firefly.
(Und was River, die ja ganz klar als GESTÖRT rüberkommen soll, mit dem Messer macht, ist das Zerschneiden des Blue Sun Logos auf Jaynes T-Shirt. Sie macht das nämlich andauernd, daß sie die Symbole von Blue Sun vernichtet (z.B. auf den Nahrungsmittelkonserven). Das ist kein Angriff gewesen, um Jayne zu töten. Das war ein nonverbaler Kommunikationsversuch.)
So wie es aussieht, ist die betreffende Crew, in welcher die Ermordung (!) des Captains und seines Ersten bevorsteht, scheiße zusammengesetzt. - Ein guter Captain hat ausreichend Menschenkenntnis zu besitzen, um psychopathische Meutererkandidaten gleich garnicht erst anzuheuern, ansonsten ist er ein schlechter und sehr bald sehr toter Captain (wie hier wohl demnächst in diesem Kino). - Eigentlich kann man davon ausgehen, daß bei Beginn einer typischen Firefly-Kampagne sich die miteinander verträglichen SCs soweit loyal gegenüberstehen, daß sie Schaden voneinander abwenden werden. Auch solche wankelmütigen Charaktere wie Jayne sind da keine Ausnahme, da hier zwar Konfliktpotential besteht, aber der Captain nicht jederzeit damit rechnen muß, daß Jayne ihm ein Messer in den Rücken rammt, wenn er mal nicht aufpaßt.
Mir scheint, die betreffende Gruppe hat keine Führungspersönlichkeit, bzw. die Wichtigkeit der Besetzung der Rolle des Captains (und eigentlich der gesamten Chain of Command) wurde krass unterschätzt.
Ich habe schon interessante Militärszenarien geleitet, in welchen die SCs nie die Autorität des Anführers akzeptiert hatten. Da gerät schnell das eigentliche Ziel der Mission ins Hintertreffen gegenüber dem Spielchen "Wie würge ich es meinem Offizier diesmal rein?", oder "Wie pervertiere ich diesmal die Auslegung eines Befehls?" Auf diese Art habe ich auch Engelsscharen in die Selbstzerfleischung fahren sehen. - Das ist alles Paranoia (das Rollenspiel!). Da ist solch eine Gruppenstruktur ja schon fast Pflicht, um das richtige Paranoia-Gefühl aufkommen zu lassen.
Bei Firefly hätte die Gruppe ganz anders aufgesetzt werden müssen.
Jetzt fährt es eben in die Scheiße, zwei Spieler bekommen ihre Charaktere umgelegt und werden darüber wohl entsprechend erfreut sein, die anderen Spieler, die sich als Mörder und Meuterer betätigt haben, werden KEINEN vertrauenswürdigen neuen Piloten mehr anheuern können, sondern nur noch Leute, denen noch weniger zu trauen ist, als ihnen selbst. Das Schiff, welches ja auf den bisherigen Captain registriert war, wird in absehbarer Zeit als gestohlen gelten, es werden sich Law Dogs, Allianz, Bounty Hunters oder ggf. (falls noch Kredite und andere Verpflichtungen des verstorbenen Captains bestanden) Repo-Men oder Hitmen (solche vom Schlage der Schergen Niskas z.B.) auf die Spur der Meuterer setzen. Und von da an, wird es für den Spielleiter richtig interessant...