Warum haben die Amerikaner 2016 Trump gewählt? Warum die Briten den Brexit, die Ungarn Orban, die Polen Kaczynski, die Israelis Netanyahu? Schwarmintelligenz ist ein Mythos, Gruppen können sich falsch entscheiden - aus dem Bauch raus und wider alle offensichtliche Vernunft.
All diese Ereignisse lassen sich recht einfach erklären.
Trump, weil er jemand "von außen" war, von dem sich viele versprachen, dass er die eingefahrene Politik aufrüttelt (was er auf eine gewisse Art und Weise gemacht hat, wenn auch nicht so wie sich ein guter Teil seiner Wähler das vorgestellt hat), zudem war er 2016 noch ziemlich unterhaltsam auf seinen Veranstaltungen. Der Grundstein für Trump wurde schon Jahre zuvor von McCain gelegt, als er mit der Tea Party Ikone Sarah Palin auf seinem Ticket die bekloppten Randfanatiker in der republikanischen Partei salonfähig gemacht hat (Leute wie Marjorie Taylor Greene, Lauren Boebert und Kari Lake sind nur die logische Fortsetzung dieser Entwicklung). Dazu kommt noch das bescheuerte amerikanische Wahlsystem, das dazu führt, dass etwa zwei Drittel der Staaten für die Wahl völlig irrelevant sind, weil sie zu einem solchen Grad von einer der beiden Parteien dominiert werden, dass sie für den Wahlkampf völlig uninteressant sind, von beiden Parteien jeweils als garantiert betrachtet werden und sich keine Sau für sie interessiert - 2016 haben viele Menschen in genau solchen Staaten gesagt "dann stimmen wir halt für Trump, der beachtet uns wenigstens".
Wer in den letzte Jahrzehnten britische Politik nachverfolgt hat, dem sollte klar sein, dass 90% der britischen Medienlandschaft von 3 superreichen libertären Milliardären kontrolliert wird, die alle ihren Einfluss in das Brexit-Fass geworfen haben, dazu kamen Populisten wie Nigel Farage und Boris Johnson (der als Bürgermeister von London keinen katastrophal schlechten Job gemacht, weil er ein Team aus kompetenten Beratern hatte - das er als er Premierminister wurde natürlich gleich gefeuert hat, wozu das geführt hat konnte man ja sehen), zudem ist es in Großbritannien schon seit mindestens den 90er-Jahre Gewohnheit, dass die aktuelle Regierung (völlig egal ob Labour oder Tory) bei unbequemen Fragen immer mit "da können wir nix für, die sind Schuld" auf die EU gedeutet hat. Auch wurde vor der Abstimmung von der konservativen Regierung und ihren populistischen Unterstützern hoch und heilig versprochen, dass man den EU-Binnenmarkt auf keinen Fall verlassen würde ('The brain of Brexit' Daniel Hannan: "Only a fool would leave the single market!"), während es direkt nach dem Referendum sofort hieß, man müsse jetzt unbedingt aus allem raus, was auch nur ansatzweise nach EU riecht (auch aus sowas wie Flugsicherung, Erasmus, dem trillionenschweren EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon, und natürlich braucht das großartige Britannien auch seine eigene Sicherheitsbehörde zur Chemikalienzertifizierung und sein eigenes UKCA-Qualitätssiegel weil das nahezu global anerkannte CE-Siegel der EU nicht gut genug ist, und viele weitere Idiotien). Da wurden die Bürger schlicht belogen, damit ein paar superreiche Milliardäre sich ihren Traum von einer Steueroase Marke "Singapur an der Themse" zusammenbauen konnten (der schon zum Scheitern verdammt war, bevor der erste Stein gelegt wurde, weil die EU einen solchen Piratenstaat an ihrer Küste nie toleriert hätte).
Netanyahu hat der Bevölkerung Sicherheit und Stabilität versprochen, er hat sich hingestellt und gesagt "ich hab einen Plan, meine Sicherheitsstrategie garantiert, dass es keine Invasion unseres Landes mehr geben wird" - was bei vielen Menschen gut ankommt, die in einem Land leben, das sich im Prinzip seit Jahrzehnten permanent in einem kriegsähnlichen Zustand befindet. Dass er jetzt möglicherweise den gesamten nahen Osten in Brand steckt, um nicht sein Amt zu verlieren (und im Gefängnis zu landen) hätte man mit Blick auf die Türkei (und Amerika) voraussehen können, aber so weit denkt der durchschnittliche Wähler dann halt doch nicht.
Ähnliche Erklärungen lassen sich auch für Polen, Ungarn und die Türkei finden.
Das ganze mit "ach, Gruppen können sich falsch entscheiden" beiseite zu wedeln spricht höchstens für ein schlechtes Skript, in dem Dinge einfach passieren, weil der Plot sagt, dass ein bestimmtes Ergebnis unbedingt eintreten muss, egal ob es Sinn macht oder nicht.