Die Musik verstummte und der helle Klang eines mehrfach an ein Glas schlagenden Löffels erklang. Wer dem Geräusch nachging würde Tamara Dantz erkennen, die freundlich lächelnd auf diese Weise um Ruhe und geneigte Aufmerksamkeit bat. Als alle verstummt waren, räusperte sich die Sekretärin kaum merklich und sprach dann mit fester Stimme,
„Meine Damen und Herren, Frau Magdalena Cruiz, Prinz von Finstertal und Ahn des Clan Toreador.“
Auf der kleinen Bühne auf der bisher das Quartett für musikalische Unterhaltung gesorgt hatte, erschien eine atemberaubend schöne Dame. Mit einem Lächeln das Steine erweichen und Herzen brechen konnte, sah sie in die sie umgebende Menge. Aufmerksamen Beobachtern mochte aufgefallen sein, dass seit dem Erscheinen Magdalenas die Beleuchtung des Saales ein klein wenig nachgelassen hatte. Es schien fast, als würde das Licht ängstlich vor der Toreador zurückweichen.
„Sehr verehrte Anwesende, liebe Freunde! Mit großer Freude stelle ich fest, dass Sie alle in so großer Zahl meiner Einladung gefolgt sind. Mir ist klar, dass nicht wenige von Ihnen eigentlich besseres zu tun hätten, als sich hier bei mir zu einem derartigen Treffen einzufinden, aber nach den schrecklichen Nächten der vergangenen Zeit, all den Siegen, den Niederlagen, dem Blut und dem Schmerz, den ein jeder hier hat durchmachen müssen, ist es umso wichtiger, dass wir uns einige Dinge bewusst machen. Wir, die Überlebenden, die wahren Finstertaler, sollten uns die Zeit nehmen, einen Moment inne zu halten und uns umzusehen. Wir haben nicht überlebt, weil wir als einzelne derart unschlagbar und mächtig sind, sondern weil wir gelernt haben in Zeiten der Not zusammenzustehen. Diese unvergleichliche Einigkeit sucht seines Gleichen und ist einzig und allein nur einem Mann zu verdanken. Herrn
Enio Pareto. Ihm gelang es auf unvergleichliche Weise, die verschiedenen Clans mit ihren unterschiedliche Überzeugungen, Daseinsauffassungen, ihrem Hass und ihrem Missgunst, dem Neid und der bei vielen nicht zu übersehenen Arroganz zu nehmen, all diese negativen Eigenschaften abzuschütteln und letztlich eine Symbiose entstehen zu lassen, an der alle Bemühungen unserer Feinde, innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen, zerschellten. Viele hier haben tapfer gekämpft, nicht wenige unserer Freunde starben oder wurden verletzt. Aber letztlich waren wir siegreich.“
Es folgte ein kurzer Moment der Ruhe, damit die Anwesenden die Worte sacken lassen konnten.
„Nun, da wir endlich einige wichtige Siege errungen konnten, ist eine Zeit angebrochen an der wir nicht mehr allein aus der Defensive heraus agieren sollten, sondern aggressiv und entschlossen den Blick nach vorne richten sollten. Natürlich gibt es noch immer viel zu tun und natürlich haben wir längst nicht alle Probleme beseitigen können. Aber wir haben trotzdem eine wichtige Änderung erzwingen können. Mittlerweile reagieren wir nicht mehr allein auf die Angriffe unserer Feinde sondern wir sind es die den Ort, den Zeitpunkt und die Art der kommenden Begegnungen festlegen. Das mag vielen hier vielleicht unbedeutend vorkommen, aber es ist ein außerordentlich wichtiger Schritt denn er besagt, dass wir endlich wieder Herr des Geschehens sind. Wir, die Finstertaler Kainiten, haben endlich wieder die Oberhand gewonnen und zumindest ich bin nicht bereit diese wundervolle Wandlung wieder herzugeben. Damit dies aber so bleibt, damit die Stadt auch langfristig uns gehört, ohne verdeckt wirkende Feinde, menschlicher, lykantrophischer, untoter oder auch geisthafter Form müssen wir das was uns gestärkt hat weiter verinnerlichen. Wir müssen uns darauf besinnen, dass wir als Einheit nahezu unbesiegbar sind. In dieser Weise gilt es die anstehenden Gefahren anzugehen und alle verbliebenen Unruheherde anzugehen.“
Wieder ein kurzer Moment der Stille. Diesmal allerdings nur für einige wenige Sekunden.
„Ich weiß, dass mein Mann in der Vergangenheit viel Schaden angerichtet hat. Nicht nur an Leib und Leben ungezählter Existenzen, sondern auch was das Vertrauen in die Camarilla und die Führung dieser Stadt angeht. Nachdem Oliver Buchet sich aus der Stadt zurückgezogen und zur Ruhe gebettet hat, obliegt es nun mir die Führung dieser Stadt zu übernehmen. Die Primogene der verschiedenen Clans haben mit bereits ihr Vertrauen ausgesprochen, darüber hinaus aber bitte ich auch alle anderen Kainiten dieser Stadt mich als Anführer zu akzeptieren. Ich gebe Ihnen allen hier mein Wort als Prinz, als Kainit und auch als Spanierin die ich immer noch bin, dass ich mein Möglichstes tun werde diese Stadt in eine neue, in eine bessere Zukunft zu führen. Es ist allein in unserer Hand, die Schrecken der Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen und Finstertal endlich in einen Lebens- und Liebenswerten Ort zu verwandeln.“
Ein breites Lächeln unterbrach die Rede an dieser Stelle. Es erschien durch und durch aufrichtig und ernsthaft amüsiert.
„Ein liebenswertes Finstertal! Vielen hier, mich eingeschlossen, muss das lächerlich, ja wie ein Zerrbild der eigentlichen Wahrheit vorkommen. Ein ironisch, bissiger Spott, der sich einen Dreck um die wahrhaftigen Tatsachen schert. Aber trotzdem! Ich bitte Sie! Stellen Sie es sich einfach mal vor. Nur für einen Augenblick! Was wäre, wenn uns dieses Wunder gelänge? Wenn es uns tatsächlich gelingt die Stadt wieder friedlich und lebenswert zu machen? Einen Ort zu schaffen, in dem die Menschen ohne Angst des Nachts über die Straßen gehen können und in der auch die Jagd endlich wieder leichter fällt weil die Menschen nicht mehr bei jedem noch so kleinen Schatten in Deckung springen und sich einschließen.
Natürlich haben wir bis dahin noch einen sehr weiten Weg vor uns. Natürlich werden wir auch weitere Opfer bringen müssen. Aber zumindest ich bin überzeugt, dass wir es schaffen können.
Im Zuge dessen habe ich einige alte Gesetze reaktiviert und einige weitere erlassen. Sie sind gedacht unser Zusammenleben zu verbessern und die allgemeine Sicherheit zu erhöhen. Die Durchsetzung dieser Gesetze obliegt selbstverständlich dem Sheriff.“
Nun kam denn wohl der unangenehme und trotzdem nicht minder wichtige Teil.
„Über die geltenden Traditionen hinaus, deren Bedeutung ich an dieser Stelle ich nur dringendst unterstreichen kann erlasse ich folgende Gesetze:
- 1.) Der Handel mit Waffen in dieser Stadt ist einzig und allein zwei Personen gestattet. Nur über Frau Sarah Schmidt dürfen Waffen erworben werden. Diese Waffen sind registriert und ihrem Besitzer zugeordnet um sie bei Missbrauch oder einem Verbrechen ihrem Eigentümer zuordnen zu können. Jede Waffe, auch die bereits im Besitz befindlichen sind bei Frau Schmidt zu registrieren! Die einzige Ausnahme hierbei gilt für Waffen aus Silber. Der Handel hiermit geschieht über Frau Roxana Dragomir und muss begründet werden. Auch hier ist eine Registratur natürlich verpflichtend.
- 2.) Waffen, die Eindeutig zum Ziel haben andere Kainiten zu vernichten, sind generell verboten. Dies gilt in besonderem Maße für Brandmunition wie zum Beispiel aus Phosphor oder vergleichbaren Materialien. Ebenso ist es untersagt andere Kainiten mit Waffen zu verletzen, die nicht durch den normalen Einsatz von Vitae geheilt werden können. Auch diese Waffen als Drohgebärde zu verwenden ist untersagt. Als Beispiel seien hier die wolfsartige Klauen genannt, wie sie häufig bei den Gangrel anzufinden sind.
- 3.) Ausnahmen vor dieser Regel sind einzig und allein über die Akademie zu erwirken. Namentlich bezieht sich das ausschließlich auf direkte Anweisungen durch Frau Caitlin McKinney oder meine Person.
- 4.) Ich habe im Stadtgebiet drei Sperrgebiete ausgerufen. Diese zu betreten ist strengstens untersagt. Zur genauen Bestimmung dieser Sperrgebiete und dem Umgang damit, wenden Sie sich bitte an die jeweiligen Primogene Ihres Clans. Als viertes Gebiet seien noch die Wälder südlich der Stadt genannt. Sie nehmen eine Sonderform ein, denn ich habe mit den dort lebenden Garou abgesprochen, dass jeder Kainit der sich dort hinein wagt unter die vollständige und alleinige Gerichtsbarkeit der Werwölfe fällt. Da uns die dort lebenden Garou alles andere als Wohlgesonnen sind, dürfte ihr diesbezügliches Strafmaß das der Akademie um ein Vielfaches übersteigen. Natürlich ist es den Garou gleichsam ebenfalls untersagt, die Stadt zu betreten. Hier erinnere ich allerding daran, dass es keinem Kainiten erlaubt ist gegen einen erkannten Werwolf vorzugehen. Es ist davon abgesehen auch kaum zu empfehlen. Diese Pflicht obliegt allein den Geißeln, dem Sheriff, unserer Hüterin und natürlich den Vertretern der Akademie.
Mir ist bewusst, dass nicht wenige unter Ihnen diese Regelungen als Gängelungen oder Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht ansehen. Das mag vielleicht sogar stimmen. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass diese Schritte unbedingt notwendig sind sicherlich auch von den meisten nachvollzogen werden können.“
Eine letzte Unterbrechung, dann war die Rede an ihrem Ende.
„Wie Sie sich sicherlich alle erinnern, habe ich in der ersten Nacht meiner Regentschaft die Tür zu meinem Büro weit offenstehen gehabt. Dies sollte verdeutlichen, dass jeder von Ihnen
ohne Ausnahme in meinem Büro herzlich willkommen ist. Ich werde diese Form der
Offenen Tür in der kommenden Nacht wiederholen und ich bitte jeden der hier Anwesenden darum mich persönlich aufzusuchen, wenn es Unstimmigkeiten mit meinen Regelungen geben sollte. Ich habe nicht vor, mich Ihren Ansichten zu entziehen und werde mich all Ihren Kritiken und Anmerkungen persönlich stellen. Natürlich kann ich Ihnen nicht versichern, dass ich die genannten Gesetze bei der ersten Gelegenheit wieder revidieren werde. Zumindest habe ich das nicht vor, aber ich kann Ihnen versprechen ein offenes Ohr zu haben und mir alles was Sie mir sagen wollen ernsthaft zu Herzen nehmen werde.
Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Ihre Geduld. Bitte bleiben Sie noch einen Augenblick im Ballsaal, damit ich Gelegenheit habe Sie persönlich zu begrüßen. Vielen Dank!“
Lena verbeugte sich gekonnt, dann gab sie das Mikrophon an Tamara weiter und begann damit ihre Gäste zu begrüßen und mit jedem von ihnen ein freundliches Wort zu wechseln.