Ohne weitere Worte zu verschwenden Schritt der Ahn zur Tat. Während er Anna kaum je etwas ansehen konnte und sie ihn nicht mit weiblichen Unanhemlichkeiten belästigte, so nahm er dieses Mal jedoch Körperkontakt auf und konnte so etwas spüren, was nicht offensichtlich war. Der Körper der Adeptin stand unter enormer Anspannung, als er sich ihrer Hand so bemächtigte. anna hatte gelernt, dass Schmerz bei angespannten Muskeln besser zu ertragen war, weniger schmerzte, was einem zu gefügt wurde. Nichts anderes erwartete sie, als der Ahn begann. Es dauerte mehrere Sekunden, bis Anna realisierte, dass der Schmerz diese Mal ausbleiben würde... dass der Unterricht auf eine andere Weise statt fand und.... gar nicht mal... so verkehrt... eher das Ggenteil... effektiv, bestimmt aber freundlich. Die Körperspannung der Adeptin blieb erhalten, doch das, was man schon eher als Verspannung bezeichnen konnte, wich aus ihrem Körper. Die Hand, die anfänglich nur gegen Widerstand bewegt werden konnte, gab sich der Führung des Ahns hin. Eigentlich war es nicht viel anders als beim Tanz, bei dem die Dame dem Herren die Führung überließ. Sie musste sich lediglich einfügen. Anna begann sich auf die Übung zu fokussieren und ja, sie sogar zu genießen, während dem Alten unter Umständen dieser dezente Duft nach Vanille in die Nase kroch, den Anna zu verwenden pflegte: wenige Tropfen reines Vanilleöl gelöst in Mandelöl verteilt auf ihrem Körper. Anna bewunderte die Perfektion, die unter der sanften Führung zu Tage trat. Das hier war nicht nur ein genaues Zeichnen. Hier steckte Liebe zum Detail drin und die war für Anna zu spüren.
„Ja, mein Primogen“, antwortete sie langsam aus ihrer Konzentration gerissen. Sie würde ihn nicht enttäuschen bei der Durchführung des Rituals! Mit dieser kleinen Handlung hatte der Ahn die Adeptin mehr eingefangen, als er es mit vielen Worten vermocht hätte und auch seine rüdere folgende Ausfürung vermochte dies nicht zu schmälern. Doch sie vermochten es, die Adeptin dazu zu bewegen einmal mehr in einen gehaltenen Knicks zu gleiten. Es war das erste Mal, dass Grimm so etwas wie eine Emotion bei der Adeptin wahr nehmen konnte, denn ihre Augen hatten sich geweitet. Tonfall und Haltung ließen etwas wie Verwirrung oder Bestürzung erkennen, auch wenn Anna sich zu bemühen schien, es nicht zu zeigen. Ob er sie auf dem falschen Fuß erwischt hatte? Konnte er sogar eine gewisse Form von Angst spüren? Oder was war das für ein kurzes Zittern gewesen?
„Ich bitte um Vergebung, Herr Grimm, ich dachte dass...“ Der Satz brach ab und was Anna eigentlich sagen wollte, musste der Regent sich selbst zusammen reimen. „Ich dachte, sie wären informiert. Ich habe keine Erinnerung daran, wie ich nach Burg gekommen bin. Ich weiss nur, dass ich dort aufwachte und sehr viel Blut verbraucht hatte. Der Zustand unserer Kleidung legt nahe, dass wir uns durch die Kanalisation bewegt haben, doch scheint Herr Aetherius sich auch nicht besser erinnern zu können als ich. In der Burg selbst muss ich etwas wie Halluzinationen gehabt haben. Weder Herr Aetherius noch ich besaßen einen Schlüssel oder die Möglichkeit die Türen mit unseren Mitteln zu öffnen. Ich weiss nicht, wie wir dort hin gelangt sind, vor allem so kurz vor Sonnenaufgang. Im weiteren Verlauf der Nacht und auch heute konnte ich bisher keine weiteren Auffälligkeiten beobachten“
Manchmal wünschte man sich schriftlich... und brach damit etwas auf. In Anbetracht von Annas Erlebnissen mit dem Koldunen war ihr Ausbruch hier noch geradezu harmlos. Oder war Anna jetzt primär bestürzt, dass er nicht unterrichtet gewesen war beziehungsweise sie dies zu mindest zu vermuten schien, ohne dass er es explizit erwähnt hatte?