Er hatte sich so stark in das Gewebe der Dunkelheit um ihn herum eingenistet, dass er beinahe glaubte die Aufmerksamkeit des Archonten auf seiner Haut prickeln zu spüren. Leider ließ sich der alte Rosenkrieger aber anscheinend nicht vom Versuch des Nosferatu blenden. Kurz bevor Lurker dann aber aufgeben wollte, hatte er anscheinend doch Erfolg, denn die Aufmerksamkeit des Anderen ging plötzlich von ihm weg und wandte sich tatsächlich vollkommen anderen Dingen zu. Für einen kurzen Moment stand der Verborgene beinahe betäubt da. Einen derartig ausgeprägten Fokus, der auch noch völlig auf ihn gerichtet war, hatte er noch nie verschoben.
Der Mann zog das Holz aus dem Herz des ehemaligen Prinzen und wenige Wimpenschläge nachdem dieser sich erhoben hatte, wurden die Tunnel wieder von Zuversicht geflutet. Es war beinahe so, als müsste man sich dagegen stemmen um davon nicht über den Rand gedrängt und ins Wasser geschubst werden.
Beinahe sofort begannen die beiden alten Rosen auch wieder aufeinander zu prallen. Diese Tunnel waren eindeutig zu klein für diese Beiden. Ganz sicher war sogar die gesamte Stadt nicht groß genug um Platz für Beide zu bieten. Es wurde eine Weile bei den Experten diskutiert, bis diese dann auf dieselbe Idee kamen die er schon vor Minuten geäußert hatte, aber vielleicht klang seine Idee ja einfach viel besser, wenn jemand anderes sie nochmal wiederholte. Mit einem innerem Achselzucken tat Lurker aber auch das ab. Wenn es sie nur hier herausbrachte, sollte es ihm egal ob sie auf ihn hörten, oder auf das hörten was andere von ihm wiederholten. Allerdings sollte die Lage sogar noch ein wenig komplizierter sein, als er sie eingeschätzt hatte. Offensichtlich schien es nicht nur darauf anzukommen dem Gespenst die Aufmerksamkeit zu entziehen, sondern ihm jede Art von Emotion so gut es ging vorzuenthalten.
Sofort begann die gesamte Finstertaler Vampir Kommune um ihn herum meditativ vor sich hin zu starren, die Augen zu schließen oder Atemtechniken zu imitieren. Es hätte ihn wahrscheinlich nicht einmal verwundert wenn sich alle in einen Kreis gesetzt hätten.
Der Nosferatu konnte sich nicht vorstellen, dass man einfach so aufhören konnte Emotionen zu haben. Selbst wenn man sie wegschob, waren sie immer noch vorhanden, man leugnete sie nur. Allerdings wusste er eine Lösung.
Es gab jemanden, etwas, in seinem Innerem, das in der Lage wäre zu leisten was die Geisterexperten hier verlangten. Allerdings hatte er diesem Teil von sich noch nie willentlich das Kommando übergeben. Der Verborgene war sich mit einem Male nicht mehr sicher was er mehr fürchtete, diese Höhle und die Situation in der sie gefangen waren oder die Idee sich dieser seltsamen Stimmung in ihm zu ergeben. Diesem Etwas, das er bemüht hatte als es darum ging Zieglowski zu foltern, zu brechen und anschließend zu verwahren. Sein berechnender Teil, bei dem er sich immer ein wenig fühlte als wenn sein Ich plötzlich zu einem Beobachter degradiert wurde und diesem Teil von sich Platz machte der bereit war alles zu tun was nötig war, ohne Moral, egal wie verdreht diese sowieso war, ohne Gewissen. Aber dieser Teil konnte leisten was gefordert war, also akzeptierte er die Notwendigkeit und als wäre dies das Signal gewesen für den anderen Lurker, spürte er auch schon wie etwas kaltes in ihm hinauf stieg. Eben noch waren seine Gedanken aufgewühlt und bestanden aus vielen, fliegenden, kleinen Funken und im nächsten war es als hätte ein innerer Winter begonnen, dessen kälte die Glut erlöschen ließ. Der Nosferatu verschwand in seinem Innerem und ließ seiner Ratio den Vortritt.
Als Buchet seinen Willen gegen den Verborgenen schleuderte, prallte die stählerne Härte seiner Stimme gegen das die eisige Reinheit seiner bereinigten Gedanken. Der Wunsch sich zu unterwerfen und zu einem Führer hinauf zu blicken war verschwunden. Wenn der Rosenprinz sie hier heraus bringen konnte mit seiner Idee, würde er seine Chance bekommen. Der Verborgene würde folgen. Aber nicht weil er erleichtert war wenn jemand anderes die Führung übernahm, sondern weil es der erste Versuch war. Die Fakten aus diesem Vorgehen würden ergeben wie es weiter ging.
Also nahm er mit präzisen Bewegungen das Bündel von seinem Rücken, dass er unter seinem Mantel verborgen hatte und legte es vor sich ab. Für die Ratio war es nur ein Pfand, mit dem sie sich sicher sein konnten, dass das Gespenst nicht bekam was es wollte. Es spürte nicht mehr die seltsame Verbundenheit und die seltsame Gnade die Lurker ursprünglich dazu gebracht hatten den Menschen nicht zum sterben zurück zu lassen.
Als der Belgier also sein Todesurteil aussprach konnte er im Schatten der Kapuze zwei fahle Flecken ausmachen, die ihn einfach nur ansahen. Sie glänzten kalt und steril, so wie Operations Besteck und genau wie solches hassten sie den Krebs nicht, den sie herausschnitten, oder hatten den Wunsch zu heilen. Diese Augen würden einfach schneiden.
Lurker begab sich auf seine Position, seinem Bruder, der sich klugerweise die ganze Zeit über nicht gezeigt hatte, sandte er ein knappes Nicken zu.
Minas Stimme, die wieder in seinem Kopf erklingen wollte, würde vielleicht die Veränderung bemerken. Vielleicht hörte sie jetzt den Hall ihrer eigenen Stimme? Der Verstand des Nosferatu fühlte sich wie ein weiß gekachelter, kühler, leerer Raum an.
Allerdings packte er den Körper schnell wieder, als plötzlich alle von den Beinen gerissen wurden und verstaute ihn wieder bei sich, da er sich so besser bewegen konnte. Der Geist wusste ja nun was am Bach war.
Er hörte die anderen singen und rezitieren, aber es hätte ihm nichts gebracht sich den Worten anzuschließen. Er wartete, regungslos, innerlich wie äußerlich, bereit zu handeln, wenn es soweit war. Wie ein Krokodil das in seinem Teich lauerte.