Der amtliche Kartenabreisser schien nicht übermäßig glücklich mit dem ersten Gast des heutigen Abends zu sein. Natürlich verbarg die Kapuze des Mantels das Antlitz des Nosferatu wie immer vollständig, doch es war schließlich nicht unbedingt normal das jemand so auf eine Party kam. Seinen Körperbau kaschierte der alte Partylöwe einigermaßen durch seine Haltung und seine Kleidung, aber dass dieser freundliche Kamerad hier vor ihm einen missgebildeten Rücken haben musste war für den Türterrier nicht zu übersehen. Nahm man den moderigen Geruch hinzu, der wahrscheinlich aus der Richtung dieser Gestalt vor ihm strömte, und der kurze Augenblick den er auf sehr merkwürdige Finger erhascht zu haben glaubte, addierte sich das Ganze zu einer Person, die praktisch überall Zutritt bekam. Kein Türsteher der Welt wollte länger als unbedingt nötig mit so jemandem wie diesem hier zu tun haben und die einfachste Methode jemanden los zu werden war nicht etwa ihn weg zu schicken, sondern im Gegenteil, ihn einfach durch zuwinken. Möglich dass das Personal am Eingang eingeweiht genug war um zu wissen was sich hier heute Abend treffen mochte, oder aber dass es nur der natürliche Instinkt des Jungen war, auf jeden Fall wurde davon abgesehen Lurker anzubieten das er seinen Mantel abgeben mochte, oder dass man ihn hinein begleitete. Immerhin eine kleine Freude an diesem Abend.
So betrat also ausgerechnet Lurker als erster Gast die heiligen Hallen. Für die neue Stadtführung mochte es so sein, dass zu ihrem schönstem Feste plötzlich ein besonders hässlicher Hund den Saal stürmte und als erstes auf den sündhaft teuren Teppich urinierte.
Ich könnte sogar ein wenig Bellen.
Genau sowas passierte nun mal, wenn man vergaß auf dem 'Wir-müssen-draußen-bleiben' Schild die Verborgenen zu vermerken. Ungeniert schlenderte Lurker über das Parkett, blieb dann in einiger Entfernung zu der Ventrue Archontin stehen und schenkte ihr eine seiner wenig formschönen Verbeugungen.
Das stand einer Person ihres Ranges nun mal zu und ihre Erscheinung machte es einem einigermaßen leicht den Wunsch zu wecken ihr derartige Zuneigungsbekundungen auch dar zu bringen.
Ein bestimmter Teil des Nosferatu wurde bei der Betrachtung dieser Frau von einer hungrigen Unruhe erfüllt. Ihre Lippen waren ein prächtig schimmernder Blütenkelch, übervoll von Nektar und assoziierte jenem Teil Lurkers, dass er die Biene mit dem geeignetstem Rüssel sein musste, um sie zu ernten.
Dummerweise war der Mensch, der Lurker einst war, schon nicht der ungestümste Hengst im Stall gewesen, sondern eher von der Sorte Mann, die die Zuckerwatte halten durften und auf dem Rummelplatz des Lebens daneben stehen und warten durften, während sich das Paarungskarussel für andere drehte. Was aber schon damals ziemlich ausgeprägt funktionierte, war sein analytischer Verstand. Er war einer von denen die immer als letztes ins Fußball Team gewählt wurde und er wusste es. Man konnte also sagen, dass jener Teil des Nosferatu, der auf solche Exemplare Frau wie die Auvergne reagieren konnte, ziemlich genau wusste, dass diese Liga nicht zu weit oben, sondern im Grunde auf einem ganz anderem Planeten stattfand.
Einer der wenigen Vorteile wenn man also immer aussortiert worden war und es auch wusste, war also, dass man gar nicht mehr mit den anderen Männchen los strampelte und sich aufplusterte.
Aus diesem Grunde dauerte die Schrecksekunde, mit der der Nosferatu der Archontin gegenüber trat und die er benötigte um von dem Gefühl in eine Wand gelaufen zu sein, bis zu der Verbeugung auch nur wenige Augenblicke.
Wunderbar. Wenn du so weiter machst, schaffst du es irgendwann glatt nochmal einen solchen Auftritt hinzulegen und normal guten Abend zu sagen, ohne das gleich immer jeder denkt du wärst die Slapstick Einlage des Abends.
Als einzigem Trost blieb ihm jetzt also dann nur noch, dass er es schaffte darauf zu achten, dass seine Verbeugung vor der Ventrue einen Ticken weniger tief war, als vor der Lady Noir, die er eben noch aufgesucht hatte. Auch kleine, innere Siege waren das Ergebnis eines prächtigen Kreuzzuges. Wenn das männerfressende Ungetüm ihn tatsächlich sprechen wollte, würde sie ihn ganz sicher herüberwinken. Solange eine solche Geste nicht kam, würde er einfach einen Schritt zurück machen und darauf achten, dass er nicht auffiel, ohne der Versuchung zu erliegen sich eine Decke aus Unachtsamkeit und Desinteresse zu wickeln, so dass er aus der Wahrnehmung der Gäste verschwand.
Apropos Gäste, schon wenige Momente später wurde er dann auch von der drohenden Gefahr eines Gespräches mit der Blaublüterin befreit. Er war sich sicher, dass sich schon eine erquickende Anzahl an Speichelleckern und Marionetten in ihrem Büro ein Stelldichein gegeben hatten und dort sabbernd den erniedrigenden Tanz der Vorstellung aufgeführt hatten. Gut möglich, dass er der einzige Primogen war, der nicht neugierig sein Näschen bei Madame ins Büro gehalten hatte. Ein Gedanke bei dem ihm ein grimmiges Lächeln gelang. Dann beobachtete er die nach und nach eintreffenden Gäste.
Einige Gesichter kannte er dabei tatsächlich noch gar nicht. Das konnte einem Nosferatu wahrscheinlich nur in einer Stadt wie Finstertal passieren. Glücklicherweise kompensierte seine Stadt das in der Regel damit, dass man sich die meisten Gesichter gar nicht erst lange merken brauchte.