[11.05. 2008] Späte Ankunft

Leo

Johnny Steinberg
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7. März 2008
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Ein schwarzes Auto fuhr auf den Parkplatz der Kunstakademie und hielt an.
Zwei südländisch wirkende, gut aussende, schlanke Männer stiegen aus, der eine sah aus wie Mitte 20 und der andere etwa 10 Jahre älter.
Sie trugen beide eine schwarze Hose und ein weißes Hemd.

Der jüngere war es, der aus der Fahrertür gestiegen war. Alonzo war froh, dass die lange Fahrt endlich vorbei war, denn er war es, der hatte fahren müssen.
Jetzt verspürte er den Drang sich die Beine zu vertreten, außerdem hatte er Hunger und Durst.
Er öffnete nochmal kurz die Fahrertür und schaute im Handschuhfach nach, ob noch was zu Essen da war. Bloß eine Tafel Schokolade. Und die Flasche Mineralwasser war schon leer…Alonzo fluchte innerlich, laut tat er das nicht mehr wenn Luis in der Nähe war, denn der mochte das gar nicht wenn Alonzo fluchte.
Er riss das Papier der Tafel Schokolade auf, brach sich etwas ab und steckte es in den Mund.
Pinkeln musste er auch. Es gefiele es Luis sicher nicht, wenn Alonzo das hier auf dem Parkplatz täte, also wartete er damit besser bis Luis weg war, denn der Ghul wollte keine Schelte bekommen.

Luis betrachtete sein weißes Hemd, es war völlig ohne jegliche Flecken, und vorne war es auch noch glatt. Aber hinten war es sicher etwas verknittert. Wenn er das Jackett darüber zog sähe man das nicht, aber es musste trotzdem frisch gebügelte Kleidung her.
Dann fühlte er sich einfach wohler. Es geschah nicht selten, dass er seine Kleidung ein oder zweimal pro Nacht wechselte, und natürlich zog er nicht dasselbe Hemd noch in der nächsten Nacht an, das musste erst gewaschen und frisch gebügelt werden.
Hinten im Auto hing auf einem Bügel ein frisch gebügeltes Hemd und ein Jackett. Es war klar, dass er das Jackett erst anzog nachdem sie angekommen waren, denn ansonsten wäre es ja ganz zerknittert wenn er es während der Fahrt getragen hätte.
Zunächst jedoch stieg Luis noch hinten ein und zog sich dort eine frisch gewaschene Hose an, dann das frische Hemd, und als er wieder ausstieg zog er noch das Jackett über.
Vielleicht hätten sie sich erst eine Unterkunft suchen sollen, aber wie er sich kannte hätte Luis dann erst noch geduscht, und so wäre ihm die Zeit davongelaufen, dann hätte er es vielleicht nicht mehr geschafft noch vor Sonnenaufgang bei der Kunstakademie zu erscheinen. Da wollte er aber unbedingt noch hin, und er hatte wirklich nicht mehr viel Zeit.
Ein wenig unwohl fühlte sich Luis aber, weil er nun also nach der Reise nicht erst noch duschen konnte, er hätte lieber jetzt einen ganz sauberem Körper gehabt wenn er dort hinging.

Das Jackett war dunkelblau und sehr elegant. Luis prüfte nochmal im Spiegel ob seine Frisur noch saß. Aber das Haar war mit so viel Gel in Form gebracht worden, dass die Frisur auch nach Stunden noch perfekt war. Ansonsten hätte er eben nachgebessert. Zerzaust in der Kunstakademie zu erscheinen kam natürlich nicht in Frage.
Nein, man sah es Luis nicht an, dass er eine lange Autofahrt hinter sich hatte.
Sein Parfüm hatte sich verflüchtigt während der Reise, also benutzte er noch ein wenig von seinem unaufdringlichen, herben Lieblingsparfüm. Ein wenig nur, sodass ihn der Duft wie ein sanfter Hauch umschwebte. Er wollte ja nicht seine nächste Umgebung mit einer aufdringlichen Parfümwolke belästigen.
Er mahnte sich zur Eile. Doch als er nach oben schaute war er ganz fasziniert von dem klaren Sternenhimmel.

„Sieh dir nur diesen Sternenhimmel an!“

Doch Alonzo hatte gerade wenig Sinn für den prächtigen Sternenhimmel. Seine Blase war zum Bersten voll, seine Kehle war so trocken wie die Sahara, sein Magen knurrte, was interessierten ihn da die Sterne?

„Es ist spät“, sagte Alonzo, als er sah wie Luis weiterhin auf die Sterne blickte anstatt sich endlich mal aufzumachen.
Luis hörte die Stimme seines Ghuls, riss sich zusammen und löste sich von der Betrachtung des Himmels, ein wenig unwillig.

„Ich gehe dann also jetzt“, sagte er zu Alonzo und machte sich auf den Weg.
Die beiden Argentinier sprachen wie üblich Spanisch miteinander.
Der Ghul atmete erleichtert auf als Luis endlich weg war und suchte sich eine Stelle wo er seine Blase entleeren konnte.

Luis schritt über den Parkplatz in Richtung Kunstakademie. Ein wirklich imposantes Gebäude, ach wenn er es doch bei Tageslicht betrachten könnte…
Wo war denn eigentlich der richtige Eingang, dieses Gebäude war riesig. Luis ging einfach dort her wo es am reizvollsten aussah. Das schien hier sogar der beste Kompass zu sein, er kam mit schlafwandlerischer Sicherheit genau dort an wo er hinwollte.

Die schriftliche Anmeldung sollte eigentlich rechtzeitig angekommen sein, er hatte es doch extra als Expressbrief verschickt.
Er fragte sich ob er bei dieser Tür jetzt richtig war. Nun ja, das würde er schon merken.
Gab es eine Klingel? Nein. Aber einen Türklopfer.
Und surrende Kameras, natürlich waren auch die seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen.
Luis betätigte den Türklopfer.
 
Die Aufmerksamkeit der Kameras hielt nicht übermäßig lange. Kaum hatte Luis angeklopft da verdeutlichte ein Schnappen innerhalb der Tür, dass der Zugang in das heilige Innere der Akademie frei war.

Nachdem ein kleiner Vorraum durchschritten war, fiel der Blick des neueingetroffenen Gastes auf eine atemberaubend schöne Frau. Nein, nicht schön, sie war nur.... anziehend. Sie strotzte vor Weiblichkeit und sexueller Energie. Aber sie zeigte auch eine kühle Distanz, die zwar deutliche Grenzen darlegte, aber einen Mann gleichzeitig auch erst recht um den Verstand bringen mochte.

Die Blonde sah interessiert, jedoch schweigend zur Tür.

Gäste?
 
Luis trat selbstbewusst in das Gebäude, und als er die Dame erblickte konnte er gar nicht anders als sie überaus freundlich anzulächeln. Was für eine Ausstrahlung!

Auch der charmante Argentinier hatte viel Sex-Appeal, er war die nahezu perfekte Verkörperung eines für Frauen nahezu unwiderstehlichen Latin Lovers. Nur nahezu perfekt, weil da gleichzeitig auch eine gewisse Distanziertheit war. Dennoch, hinter dieser Distanz ließ sich feurige Leidenschaft erahnen…

Während Luis noch ganz gebannt war ermahnte sich die Frau nicht anzustarren.
Auch wenn er nicht mehr gewisse Gelüste eines sterblichen Mannes hatte, so war er dennoch weiterhin sehr empfänglich für die Schönheit von Frauen und schaltete dann automatisch quasi in den Kavalier-Modus.
Es wäre ihm nahezu unmöglich, sich gegenüber einer schönen Frau unhöflich, unfreundlich oder gar ruppig zu gebärden, egal wie schlecht gelaunt er gerade war, und völlig unabhängig davon ob er eine Sterbliche oder eine Kainitin vor sich hatte.

Konnte diese Frau eine bloße Sekretärin sein? Selbst Ghule der Toreador konnten doch wohl keine derart umwerfende Ausstrahlung haben?
Aber die Akademie war doch quasi in Toreadorhand. Vielleicht war dies also eine Toreador, in deren Räumlichkeiten der Akademie er aus Versehen geraten war anstatt in das Büro wo man sich anmeldete. Auf jeden Fall war er nun neugierig zu erfahren wer die Schöne war.
In der Aura zu lesen um herauszufinden ob es sich um ein Kainskind handelte kam nicht in Frage, denn aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um ein Elysium. Doch er vermutete immer stärker, dass es sich um eine Toreador handelte.

„Einen wunderschönen guten Morgen, werte Dame. Verzeihen Sie die Störung…ich bin neu in der Stadt und auf der Suche nach dem Büro wo ich mich anmelden kann. Ich bin mir nicht sicher ob ich hier richtig bin? Mein Name ist José Luis Rodriguez, ich hatte meine Ankunft schriftlich angekündigt. Und mit wem habe ich die Ehre?“

Um diese Zeit würde doch sicher kein Normalsterblicher mehr in einem Büro hocken, aber für den Falles ging Luis dann lieber doch auf Nummer sicher und sagte nichts was einen Sterblichen in großes Erstaunen versetzt hätte, also Clan und Status, da dies einen Maskeradebruch dargestellt hätte.
Luis blieb im Türrahmen stehen, hatte den Raum in dem sich die Frau befand also noch nicht ganz betreten…und falls er hier doch falsch war, würde er eben wieder gehen. Oder wenn es sich um eine Clansschwester handelte, vielleicht war sie zu einem Gespräch aufgelegt.
 
"Mein Name lautet Sybille deAuvergne. Ich bin die Stadthalterin der hier ansässigen Kainiten, Archont der bewundernswerten Madame Guil und Primogena der hiesigen Ventrue. Willkommen in Finstertal Herr Rodriguez. Nehmen Sie doch bitte Platz."

Einem perfekt gesetzten Lächeln folgte eine Geste zu einem Stuhl nahe des Schreibtisches.

"Was führt Sie in diese unsere Stadt, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?"

Ihr Blick nahm etwas entschuldigendes an.

"Finstertal hat einige äußerst schreckliche Nächte hinter sich. Es wurde viel Blut und noch mehr Tränen vergossen."
 
Luis war nicht überrascht, dass diese Dame keine sterbliche Sekretärin war, aber dass sie Archontin war -mit einem so hohen Tier hätte er jetzt nicht gerechnet.
Und Ventrue war sie also, und keine Toreador. Hatte sie denn gar keine Sekretärin? Es war schon irgendwie seltsam, hier hereinzuschneien und direkt auf eine Archontin zu treffen...ohne vorher von einer Vorzimmerdame aufgehalten zu werden. Aber Luis war kein Küken mehr, das von so etwas verunsichert wurde. Er verbeugte sich tief.

"Sehr erfreut Sie kennenzulernen, Frau de Auvergne...ich bin Ancilla des Clans Toreador...mein Brief war an das Sekretariat von Prinz Buchet gerichtet, aber hier hat sich offenbar einiges verändert..."

Dann folgte er der Aufforderung sich hinzusetzen.
Es schien etliches Chaos zu herrschen, da wäre es nicht verwunderlich, wenn der Brief untergegangen wäre.

"Das letzte was ich über Finstertal hörte, war dass Prinz Buchet am 1. Mai heiratet und dass es Probleme mit den Werwölfen gibt. Aber das ist schon rund zwei Wochen her. Danach war ich 10 Tage mit einem Schiff von Südamerika nach Europa unterwegs, ich bin erst seit gestern wieder auf dem Festland."

Natürlich würde Luis niemals in ein Flugzeug steigen, allein der Gedanke! Da nahm er lieber eine lange Schiffsreise in Kauf.

"Mein letzter fester Wohnsitz war in Rom, dort habe ich 10 Jahre gewohnt, vor 3 Jahren verließ ich die Stadt und bin seitdem umhergereist. Nun aber würde ich mich gern wieder fest niederlassen, in einer Domäne wo ich mich nützlich machen kann.
Blut und Tränen? Das hört sich an nach Krieg und Vernichtung. Prinz Buchet ist doch nicht etwa umgekommen?"

Der Toreador wirkte betroffen.

"Wenn ich irgendetwas tun kann um zum Wohl der Stadt beizutragen, so werde ich es gerne tun. Auch wenn es noch Kämpfe geben sollte bin ich bereit daran teilzunehmen."


Das war nicht einfach so dahergesagt, und das würde er hoffentlich noch unter Beweis stellen können. Luis sprach seine Worte mit großer Ernsthaftigkeit.
Und es sollte doch keiner behaupten, dass Toreador nur gut aussahen und für das Schöne schwärmten...nicht kämpfen konnten und die Disziplin Geschwindkeit beherrschten damit sie bei Gefahr schneller wegrennen konnten.
 
"Die Teilnahme an einer möglichen Verteidigung der Stadt ist obligatorisch!", stellte Sybille gleichgültig fest. "Was Herrn Buchet angeht, kann ich Ihnen nur sagen, dass er verschwunden ist und die Nachforschungen laufen. Sollte er noch Existieren werden wir ihn finden, da können Sie sicher sein, Herr Rodriguez."

Wie immer nutzte die Archontin die kurze Gesprächspause um ihrem Gegenüber ein Lächeln zu schenken.
Warm war es und ehrlich. Erotisch und herzerweichend.

"Hier ist eine Akte, die Sie mir bitte innerhalt der nächsten beiden Nächte ausgefüllt zurückgeben möchten. Ich weise daraufhin, dass Sie in den ersten beiden Nächten noch nicht als ansässig gelten. In den Unterlagen..."

Sie hielt dem Argentinier einen kleinen Hefter hin.

"...finden Sie auch die Nummern unter denen Sie mit den Primogenen der Stadt Kontakt aufnehmen können. Außerdem eine Liste der Elysien. Unter anderem übrigens auch die des Hotels 'El Privilegio'. Hier können Sie, so Sie dies wünschen, in den ersten Nächten kostenfrei unterkommen. Sagen Sie an der Rezeption einfach, dass Sie Gast der Kunstakademie sind, alles weitere regel ich dann von hier aus."
 
Der Prinz war verschwunden? Wirklich seltsam. Und was, wenn er nicht wieder auftauchte, bestimmte die Archontin dann einen neuen Prinzen?
Besonders erzählfreudig war die Archontin ja nicht, und Luis wollte sie jetzt besser nicht mit den Fragen löchern, die ihm gerade durch den Kopf schossen. Vielleicht erzählten ihm die Kainiten mehr, die schon länger hier wohnten.

Er nahm dankend und mit einem charmanten Lächeln den Ordner entgegen und warf einen kurzen Blick hinein, dabei fiel ihm gleich auf dass nicht alle Primogene der Stadt telefonisch erreichbar waren, ausgerechnet sein eigener nicht.

"Für den Primogen meines Clans ist keine Nummer angegeben, wie kann ich ihn denn erreichen?"

Und wie gut, dass Luis jetzt also erstmal im El Privilegio unterkommen konnte, sonst hätte er sich ein anderes Hotel suchen müssen, so knapp vor Sonnenaufgang noch.

Dann wartete der Toreador ab ob die Ventrue noch irgendwelche Fragen hatte, oder sonst noch etwas mitzuteilen.
 
"Nun, Herr Rodriguez. Sie befinden sich bereits in der Akademie und damit sozusagen in seinem Vorzimmer. Gibt es denn etwas, das Sie Ihrem Primogen mitteilen möchten?"

Sybilles Blick wurde interessiert fragend.
Mit einem Fingerzeig auf die Akte fuhr sie fort.

"Zwei Nächte bis zur Rückgabe, vergessen Sie das bitte nicht! Gerne auch früher. Je eher wir die Bearbeitung der Personalien abgeschlossen haben, desto eher können wir Sie in die Gemeinschaft der Stadt aufnehmen!"
 
Der Toreador erwiderte:
"Im Moment gibt es nichts Dringendes, und der Sonnenaufgang naht, ich sollte besser bald zum Hotel, aber irgendwann würde ich mich natürlich gern mal persönlich vorstellen, vielleicht ergibt sich ja demnächst eine Gelegenheit."

Und je früher Luis die Mappe vorbeibrachte, desto schneller konnte sie bearbeitet werden, das war logisch, und natürlich hatte er ein Interesse daran hier nicht rechtlos zu sein. Na ja, falls er sich tatsächlich dafür entschied hier zu bleiben.

"Es ist ja in meinem eigenen Interesse, wenn das möglichst schnell abgehandelt wird."

Sowas könnte er unmöglich vergessen, er neigte nun wirklich nicht zur Schlampigkeit und Vergesslichkeit.
 
"Nun gut! Dann freut es mich Sie kennengelernt zu haben Herr Rodriguez. Wir sehen uns, wenn Sie die Mappe ausgefüllt zurückbringen."

Es folgte ein warmes Lächeln. Dann erhob sich Sybille zur Verabschiedung. Den FauxPax den der Toreador begangen hatte, in dem er angedeutet hatte das Gespräch nun seinerseits beenden zu wollen überging die Ventrue. Es war die erste Nacht in Finstertal und der Argentinier sicherlich recht müde...

"Auf Wiedersehen! Sie dürfen sich entfernen!"
 
Luis hatte damit eigentlich gar nicht gemeint, dass er das Gespräch mit der Archontin beenden wollte, und er kam in dem Moment nicht darauf, dass es so interpretiert werden könnte.

Der Toreador hielt die Mappe in der Hand, er erhob sich und verbeugte sich nochmals.

"Es war mir eine Ehre, auf Wiedersehen, und ich wünsche noch eine schöne ausklingende Nacht."

Er verließ das Gebäude und ging schnellen Schrittes zurück zum Parkplatz.
 
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