AW: [07.05.2008] Vor der Primogenssitzung
Schmerz überschattete deutlich ihr Gesicht und dennoch wirkte sie klar. „Bei allem gebührenden Respekt, Herr von Rothschild, ich fürchte, sie haben den Ernst der Lage, den ich ihnen zu vermitteln suche, noch nicht erkannt. Frau O'Niell ist die hiesige Hüterin, nicht wahr? Sie gehört nicht unserem Clan an. Wenn sie mit in das Gebäude eintritt, wird es wahrscheinlich Verderben bedeuten. Dies ist Sache unseres Clans, das spüre ich nur all zu deutlich. Ich kann versuchen noch bis Morgen Nacht durch zu halten, aber die Schmerzen werden stärker, je länger die Dinge nicht in ihren richtigen Bahnen laufen. Glauben sie denn wirklich, ich bleibe freiwillig in dieser Stadt, die mich an den Rand des Wahnsinns treibt und Dinge tun lässt, die mir sonst nie und nimmer unter kämen? Wie leicht hätte ich in der vergangenen Nacht und auch noch heute einfach die Stadt verlassen können und kein Hahn hätte mehr nachdem gekräht, was ich getan habe, weil diese Stadt viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und im Endergebnis zum Glück nichts schlimmes aus meinen Taten resultierte. Ich bleibe und handele hier, weil ich es anders schlicht weg nicht aushalte. Sie haben ja keine Vorstellung davon, wie selbstmörderisch es für mich wäre, nicht den Weg zu gehen, der für mich bestimmt ist. Sie müssen ja auch nicht die explodierenden Schmerzen aushalten, die wie Wellen durch meinen Kopf und Nacken jagen oder wie Nägel sind, die hinein getrieben wurden“.
Ja, wie war das eigentlich mit diesen Schmerzen. Wenn man die Dame genauer beobachtete, dann sah man immer wieder, wie sich scheinbar unwillkürlich ihre Muskeln verkrampften und sie gegen etwas anzukämpfen schien, gegen etwas, das immer wieder an- und abschwoll. Eigentlich ließen diese Dinge nur noch zwei Möglichkeiten offen: Entweder war ihr schauspielerisches Talent so extrem ausgeprägt, das selbst Lady Noir vor Neid blaß werden könnte oder sie litt die Schmerzen wahrhaftig, auch wenn das für einen Kainiten ohne Verletzungen etwas absolut ungewöhnliches und seltenes war. Es zehrte deutlich an ihren Kräften und da sie Atem holen musste um zu reden, wirkte es sich sogar auf diesen auf. Er ging schwer und mühsam. Und dennoch redete sie mit einer eindringlichen Präsenz.
„Hier in dieser Stadt in dieser Stadt schreitet es schneller voran, als ich es je kennen gelernt habe. Normaler Weise bleibt mir mehr Zeit die Dinge in die Wege zu leiten. Hier muss sehr viel im Argen sein und durcheinander gehen, das es mich so plötzlich und hart traf.
Um ihnen meinen guten Willen zu demonstrieren und um ihnen zu zeigen, das ich mich vertrauensvoll in ihre Hände begebe und auf ihr Urteil vertraue, will ich die Anwesenheit von Herrn Trapper ohne weitere Erklärung akzeptieren, obwohl es alles andere als üblich ist, irgendwen“ Sie wandte sich wieder kurz Malik zu „– dies ist nicht gegen sie persönlich gerichtet, ich hoffe, sie haben dafür Verständnis - zu solchen Gesprächen zu zu lassen. Dies wirkt um so schwerer, da ich ihnen Dinge anvertrauen muss, die sehr privat sind, damit ich ihnen die Ursachen für mein Handeln erklären kann. Ich hoffe, sie bemerken, das ich das Wort 'erklären' benutze und nicht entschuldigen, denn eine Entschuldigung gibt es dafür nicht, selbst wenn es schlicht eine Verkettung ungünstiger Umstände war, die zu meinem Fehlverhalten führte. Ich fürchte, ich muss etwas weiter ausholen.
Bereits meine Ankunft in der Stadt verlief mehr als seltsam. Meine Konzentrationsschwierigkeiten nahmen sprunghaft zu, als ich die Stadtgrenze überquerte. Ich weiss nicht, ob es da einen Zusammenhang mit dem gibt, was in der Bibliothek ist oder ob da noch etwas anderes ist. Jedenfalls reagierte ich noch extremer als sonst und hatte große Mühe mich unter Kontrolle zu halten, während ich bei der Seneschall und ihrer Bediensteten war. Ich glaube, ich berichtete ihnen schon davon, Herr von Rothschild. Meine Angestellte hatte bereits vor ab in diesem Hotel ein Zimmer reserviert. Ich hätte lieber in Finstertal selbst gewohnt, aber sie sagte mir, es sei alles belegt auf Grund einer großen Tagung. Zwar erwähnte auch die Seneschall in unserem Gespräch das Hotel und nannte meine Wahl gut, doch ich war zu abgelenkt um die richtigen Schlüße zu ziehen. Fast hätte ich auch die hier übliche Mappe nicht erhalten und wäre ohne sie gegangen, aber das klärte sich zum Glück, obwohl auch dieser Punkt die Seneschall zu nächst verärgerte. Ich spürte bereits Drängen und Unruhe und so nahm ich mir nicht die Zeit, die Mappe genauer zu studieren. Sonst wäre ich sofort darüber gestolpert wo ich mich befinde. Ich war zu rastlos und so begab ich mich in die Bar. Dort traf ich auf den Schriftsteller, Steffen König. Sie haben ihn vielleicht schon kennen gelernt. Ich habe ihn bereits früher schon getroffen und freute mich ihn zu sehen. Ich schrieb ihm eine SMS und er sprach eine eher ungewöhnliche Art der Einladung aus. Im Nachhinein bin ich nicht ganz sicher, ob ich sie richtig verstand. Aber er flirtete und nannte an der Bar deutlich seine Zimmernummer.“ Julia schüttelte ihren Kopf. „Irgend wo da muss mein bewusstes Denken ausgestiegen sein. Ich nahm ihm übel, das er auch mit anderen flirtete und hatte ihm mehr aus Spaß an der Freude mein Selterglas über die Hose kippen wollen. Ich weiss, das ist kindisch. Aber genau das nahm er mir, in dem er ging. Ich war mir zu dem Zeitpunkt nicht im klaren darüber, in einem Elysium zu sein, sonst hätte ich das folgende nie getan. Ich glaubte, ihn einfach nur ein wenig ärgern zu wollen und nahm die Gestalt eines anderen Hotelgastes an. In seinem Zimmer traf ich nicht auf ihn selbst sondern auf seinen Ghul, obwohl ich mir dessen zu nächst nicht sicher war. Was dann folgte, war für mich immer noch Spiel, wenigstens dachte ich das. Ich wollte Steffen reizen und ihm eine Show liefern... zu mindest dachte ich das. Mein Gehirn muss sich geweigert haben, weiter zu denken, sonst hätte ich nie..“
Julia stockte kurz und hielt inne. Es viel ihr sichtlich schwer, über die Angelegenheit zu reden und ihr Blick war mehr beschämt dem Boden zu gewandt als Ferdinand. Ihre ganze Körpersprache jedoch hieß sie die Wahrheit sprechen. So war ihr Blick auch fest, wenn sie Ferdinands Blick zwischendurch begegnete und nicht unstet. Auch die anderen kleinen körperlichen Anzeichen einer Lüge fehlten, wenn man sich ein wenig mit der Thematik auseinander gesetzt hatte und ihre Gestik vom vorherigen Gespräch oder gar dem Gespräch mit Ferdinand zwei Nächte zuvor als Vergleichsmöglichkeit heran zog.
„Jedenfalls tauchte Frau deVries in einem sehr intimen Moment auf und ich muss leider zugeben, mich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unter Kontrolle gehabt zu haben. Sie war nicht eingeladen und in gewissen Sinne denke ich, kann man die Suite von Steffen sehr wohl als sein Reich betrachten.“ Julia lächelte unglücklich und sah wieder zu Boden um Kraft zu schöpfen, für das, was sie jetzt sagen musste, bevor sie Ferdinand wieder in die Augen blickte. „Ich sah einfach nur noch rot. Ich wollte sie töten, egal wer sie war, weil sie diesen Moment gestört hatte. Was genau dort geschehen war, begriff ich erst später, als ich wieder klar denken konnte. Ich bin ihr Dank schuldig.“, sagte Julia leise. "Was da in mich gefahren ist... Ich glaube, ich wollte provozieren, das Steffen von mir trinkt und ich wollte mich auch an ihn binden. Warum ich das wollte? Sehen sie mich doch an. Sie merken doch, wie unstet ich bin, wie schwer es mir oft fällt, klar zu bleiben. Und er ist so anders. An ihm scheint alles abzuperlen. Er bleibt immer so ruhig, so stabil.“
Sie zuckte leicht mit einer Schulter. „Vater hätte so eine Verbindung nie gut geheissen. Er würde Steffen nicht mögen und sagen, er sei nicht gut für mich, würde... aber das ist egal. Erst danach schaltete sich so langsam mein Gehrin wieder ein und ich begriff, was ich getan hatte und begann auch zu ahnen, wo ich es getan habe. Ich war völlig verzweifelt. Steffen hatte nur versucht, die Situation zu retten. Er kennt mich ja und er wusste, wenn er die Situation unter Kontrolle brachte, konnte er einen Weg finden, mich zur Ruhe bringen und von meinem Wahn herunter bringen. Warum hat sie sich nur so herein geschlichen? Ich weiss, all dies ist keine Entschuldigung für mein Verhalten, sondern bestenfalls eine Erklärung. Und ich hätte ihnen auch gleich davon erzählen sollen. Aber was sollte ich denn tun? Sie hätten mich doch fort geschickt aus dieser Stadt und ich wäre nicht in der Lage gewesen, ihnen zu erklären, wie wichtig es ist, das ich hier bin. Ich wusste da ja noch nicht, was ich heute weiss und da bin ich gleich zu ihnen gekommen, Herr von Rothschild.“ Geknickt sah sie auf ihre Hände, die ruhig in ihrem Schoß lagen. Irgend wie wirkte sie auch erleichtert, das sie nun alles erzählt hatte und es nicht mehr verbergen musste. Dann sah sie wieder auf und ihr Blick war fest.
"Bitte, Herr von Rothschild, wie auch immer sie wegen meinem Vergehen entscheiden: Wir müssen in dieses Haus hinein. Sehr bald und mit unserrem gesamten Clan und niemanden sonst. Wenn sie mir nicht helfen können oder wollen, verstehe ich es, aber dann werde ich alleine gehen müssen. Ich kann es nicht unversucht lassen, nicht, wenn ich eine noch so geringe Hoffnung habe, rechtzeitig zu richten, was gerichtet werden muss. Und nein." Wieder lächelte sie seltsam bitter. "Ich kann ihnen nicht sagen, was genau es ist. Vielleicht gehen wir sogar hinein, es geschieht scheinbar nichts beonderes und ich werde trotzdem wissen, das es jetzt gut ist, dass das richtige Geschehen ist. Es tut mir leid. Genauer kann ich es nicht sagen."